Cinema Moralia – Folge 54
Warner, Winnetou und die Wehrmacht am Wolgastrand |
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Winnetou: Hobbit der 60er Jahre | ||
(Foto: Croco Filmverleih) |
Das ging ganz schön nach hinten los. Neuseeländische Kritiker feierten zwar den Hobbit, doch die Amerikaner bleiben überwiegend negativ. Das Studio Warner Brothers hatte besonders auf das Urteil der US-Kritiker Wert gelegt. Man gab den neuseeländischen Tourismusabteilungen in den Kulturredaktionen, einen Maulkorb. Doch die Amis fanden den Film langatmig. »Langatmig und nervtötend.«
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»Die deutschen Pressevorführungen sind allerdings so knapp angesetzt, dass Kritikern kaum Zeit bleibt, davon zu erzählen, wie dieser Hobbit überhaupt geworden ist. Lustiger zum Beispiel? (Denn die Vorlage ist ja eigentlich ein Kinderbuch.) Oder genauso gewaltig und blutig und ewig, wie die drei ›Ringe‹ es waren? Das wäre schon interessant zu wissen, damit sich die Berichterstattung wenigstens kurz lösen könnte von der Vorinszenierung, von den paar Bildern des Trailers und denen vom roten Teppich bei der Uraufführung des Films in Neuseeland, vorletzte Woche; von den Schauspielern Martin Freeman (als Hobbit) und Cate Blanchett (als Elbin Galadriel) und Ian McKellen (als Zauberer Gandalf), von den Fans in Elben-, Hobbit- und Zaubererverkleidung und vom Regisseur Peter Jackson, der auch unverkleidet immer ein bisschen so aussieht, als hätte er eine Nebenrolle in seinem eigenen Film.« (FAS). Lange nicht hat mir ein Text so aus der Seele gesprochen wie der großartige Hassartikel auf den Tolkinismus von Tobias Rüther.
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»Mein Schatz, mein Schatz!« Wie Gollum hausen ehemalige leitende Redakteure in den zerklüfteten Schluchten der öffentlich-rechtlichen Sendergebäude und können ihren Verlust nicht fassen: »Mein Schatz!«
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»By stretching a medium-length prequel into three long movies, Jackson is almost begging for his Hobbit to be compared to another movie trilogy: episodes 1 through 3 of Star Wars, which both expanded and diminished the achievement of the 1977-83 films. So, you ask, is An Unexpected Journey better than The Phantom Menace? Easily, yes — it would take a real effort to make it worse —
though the appearance of the wizard Radagast (Sylvester McCoy), a flight Dr. Dolittle, has stirred the unhappy memory of Jar Jar Binks in some early viewers.
But the movie lacks majesty. Grand in parts, the movie is too often grandiose or grandiloquent; and the running time is indefensible. It’s like the three-hour first cut, assembled by editors, of even the most modest films — before the director says, 'OK, now let’s make a movie out of this.' This Hobbit plays like the rough cut, with no deleted scenes left for the DVD.«
Die richtigen Argumente, die richtigen Massstäbe, keine falsche Gnade – Richard Corliss in »Time« über The Hobbit.
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Winnetou hieß der Held für die Kinder der deutschen Wehrmacht. Die Urenkel der Wehrmacht schwärmen nicht mehr für Winnetou mit seiner Silberbüchse, sondern für einen Hobbit. Ob das ein Fortschritt ist?
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»Amis raus aus USA – Winnetou ist wieder da!« So skandierte man 1968. Romantischer Anti-Amerikanismus, und vergessen wir nicht, dass Winnetou schon seit Geburt ein Roter war.
Winnetou, der edle Wilde aus Deutschland kam vor genau 50 Jahren auch ins Kino. Damals reiste ein recht unbekannter französischer Schauspieler, der eine recht vage Ähnlichkeit mit dem aktuellen Jugendidol Alain Delon hatte, zur Erstaufführung eines deutschen Films nach München. Viel erwartete
er dort nicht, denn er hatte in dem ganzen Film nur ein paar Sätze Text gehabt, worüber er zunächst ziemlich ungehalten war. Doch vor dem Kino war er plötzlich fassungslos: »Winnetou! Winnetou!« kreischte da ein Dutzend junger Groupies. Langsam dämmerte es Pierre Brice, so hieß der Pseudo-Delon, dass seine Rolle als schweigsame Rothaut für die Deutschen irgendwie etwas Besonderes sein musste.
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»Ein Traum Ihrer Jugend ist Wirklichkeit geworden«, klang der Kinotrailer im Herbst 1962, und meinte nicht etwa die Erinnerungen ehemaliger Wehrmachtssoldaten an den Wolgastrand, sondern »Karl Mays fantastischer Erfolgsroman ›Der Schatz im Silbersee‹ als deutscher Monumentalfilm!« Nach der Uraufführung am 12. Dezember 1962 in Stuttgart und der »Erstaufführung« in München zwei Tage später stand die Adenauer-Republik ganz im Bann von Freiheit und Abenteuer.
Drei Millionen Zuschauer reisten virtuell in die Weite des Wilden Westens – die Karl-May-Welle der 60er Jahre begann. Der Erfolg kam für viele überraschend, nicht zuletzt für den Berliner Produzenten Horst Wendlandt (1922-2002). Die Idee zu der Verfilmung hatte ihm sein Karl-May-begeisterter Sohn eingegeben: Wendlandt selbst kannte kein einziges Buch. Deshalb glaubte er auch nicht daran, dass sich die Deutschen massenhaft für einen Indianer begeistern würden. Stattdessen setzte
er darauf, dass Götz George als draufgängerischer Fred Engel der Held des Films werden würde.
Regisseur Harald Reinl (1908-1986) war dagegen ein echter Karl-May-Kenner. Er war es auch, der die wildromantische Landschaft des kommunistischen Kroatiens als Wildwest-Kulisse entdeckte. Als er die Rolle des Winnetou allerdings mit einem Mexikaner besetzen wollte, griff Wendlandt ein – dieser Typ könne höchstens Winnetous Mörder spielen, spottete er. Kurz vor Beginn der
Dreharbeiten war noch immer niemand gefunden. Da fiel Wendlandt bei einem Empfang während der Berliner Filmfestspiele ein gutaussehender Franzose auf. Sofort entschied er: »Das ist er!« Pierre Brice nahm die Rolle nur an, weil er hörte, dass in dem Film auch der Hollywood-Star und Ex-Tarzan Lex Barker mitspielen würde. »Von Karl May hatte ich noch nie etwas gehört.«
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»Da hatte ich plötzlich wahnsinnige Angst und hab mir gedacht, was das wohl kostet«, erinnerte sich Horst Wendlandt später, als Reinl mit einem Tross von 300 Komparsen und 150 Pferden durch Jugoslawien zog. Aber Reinl drehte um zu sparen, jeden Tag 14 Stunden.
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Der Hobbit ist nicht mehr klein, sondern groß: Über 160 Minuten dauert der Film. Dazu nicht weniger als 16 Minuten Abspann. Jackson hat den Längsten! Ganz allgemein geht unter 120 Minuten derzeit nix mehr im Kino: Cloud Atlas dauerte 172 Minuten, Skyfall 140, Anna Karenina und Great Expectations etwa 130, genau wie Life of Pi, und das Millionengrab Ludwig II. wird 140 Minuten Lebenszeit kosten. So simuliert man Bedeutungsschwere durch Länge.
(To be continued)