Kinos in München – Das Arena
Das Arena |
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Das kleine Kino an der Ecke. Der Schriftzug stammt noch aus den 50er Jahren |
Von Dunja Bialas
Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es einmal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kinomieten mehr denn je keine Selbstverständlichkeit mehr ist, stellen wir die Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.
Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat München
Wenn man das Foyer des Arena-Kinos betritt, hat man Erinnerungen. Nein, nicht so viele wie Winfried Sembdner, der das Arena schon seit den 70er Jahren kennt und 1998 Theaterleiter wurde. Und schon gar nicht so viele Erinnerungen, wie sie jetzt für eine umfassendene Chronik zusammengetragen wurden, um zu würdigen: Das Arena wird 100 Jahre alt.
Anlass genug, sich an vergangene Zeiten zu erinnern.
Wenn man heute das Foyer des Arena-Kinos betritt, gelangt man in einen Raum, der sich farblich in der Kombination »Vanilleeis mit Erdbeeren« präsentiert und in dem sich großzügig ein paar ausladende, die Sixties andeutende Stühle um kleine Bistrotische gruppieren. Früher, und damit meine ich mein Früher der 90er Jahre, war dies hier einfach alles nur: schwarz. Schwarz gestrichen die Wände, aus schwarzem Holz die Theke, wo man die Tickets erwerben konnte, schwarz gekleidet die Menschen, die sich auf den Film wartend in dem stuhllosen Raum an die Wand lehnten. Cineasten allesamt, die rauchend das dunkle Foyer in so etwas wie eine studentische Vorhöhle zur Kinohöhle verwandelten. Zur farblichen Gestaltung schreibt Sembdner in der »Chronik«, nach dem Umbau von 1985: »Das Arena ist kaum wiederzuerkennen: Schwarz drapierte Wände, schwarze Decken, schwarze Türen, Fußböden in Anthrazit. An der Stelle des Kassenhäuschens befindet sich ein schwarz gestrichener Tresen mit Kassenutensilien und einer Kühlwanne für Getränke. Die gemütlicheren, weil breiteren Sessel im Zuschauerraum haben schwarze Armlehnen und eine schwarze Polsterung.«
Zum Kinosaal gelangte man dann durch einen langen dunklen Gang, an dessen Ende eine Art Palmengarten in Gestalt einer Tapete anzeigte, dass hier nichts mehr weiterging. Das großflächige Muster zog sich durch bis in den Kinosaal und drapierte sich dort um die Leinwand herum. Heute noch ist ein Stück des Palmengartens als bewahrtes Relikt aus dieser Zeit im Gang zu bewundern.
Durch einen schwarzen Vorhang konnte man direkt in den Kinosaal schlüpfen. Das Arena hatte damals nur einen
einzigen langen, langen Saal mit sehr, sehr vielen Sitzplätzen. Laut Sembdner waren es 107 Plätze, das ist schon mehr als beachtlich für die geringe Breite des Kinos und gibt eine Vorstellung darüber, wie laaang dieser Saal einmal war. Das stellte durchaus ein Problem dar: Nicht nur war es extrem schwierig, auf diese Distanz die 35mm-Kopie wirklich scharf zu stellen, wie mir einst die Vorführer erzählten, vor allem war es schwierig: den Saal zu füllen. Dies merkten wir Artechocken am
eigenen Leib. Von 2005 an, drei Jahre lang, hielten wir einmal im Monat im Arena-Kino eine Matinee ab, allerdings, lieber Winfried, keineswegs mit experimentellen Filmen, wie Du in der »Chronik« schreibst, sondern mit Filmen, die in Deutschland noch keinen Verleih gefunden hatten oder nie einen finden würden, dabei aber durchaus publikumsträchtig waren. Die Artechock-Matinee war damals laut Sembdner einer der letzten Versuche, das Arena für neue Zielgruppen attraktiv zu machen. Wenige
Monate später aber stand das Arena nach einem mauen Sommer und einem flauen Herbst quasi vor dem Aus. Das schwarz in schwarze Kino konnte in dieser im wahrsten Sinne existentiellen Farbe eines nicht vorweisen: die schwarzen Zahlen.
Die Bauer-Projektoren aus den 50er Jahren sind einer der Gründe dafür, dass es das Arena heute immer noch gibt, mit dem neuen Betreiber-Duo Markus Eisele und Christian Pfeil. Eisele kam eines Tages am Arena-Kino vorbei, erinnert er sich in der »Chronik«, und sah die alten, schweren Projektoren, an denen er selbst einst gelernt hatte, Filme vorzuführen. So kam er mit Sembdner ins Gespräch, der zusammen mit den Kollegen der Münchner Filmkunst-Kinos schon mehrfach den Versuch unternommen hatte, das Arena wirtschaftlicher zu machen, bald lernte Eisele auch Christian Pfeil kennen. Beide hatten 2005 mit einem eigenen Kinobetrieb begonnen (Eisele mit den Insel-Kinos, Christian Pfeil mit dem Monopol in der Feilitzschstraße), und sie hatten Lust auf ein neues, gemeinsames Projekt: es wurde das Arena.
2006 kam dann der große Umbau. Aus der schwarzen Kinovorhöhle wurde eine einladendes Kino-Foyer mit Café-Charakter, und vor allem wurden die baulichen Missstände beseitigt. Eine weitere bauliche Unsäglichkeit war damals neben dem langen Kino-Schlauch die – nennen wir es – Toilettensituation. Die Örtlichkeiten waren nur durch den besagten schwarzen Vorhang vom Kinosaal getrennt. Gingen die Klogänger nun während des Films auf selbiges, störten sie durch Licht und Ton die Vorführung: durch Licht, weil sie den Vorhang hinter sich nie richtig zuzogen, durch Ton, weil durch den Vorhang und die dünne Toilettentür durchaus die Spülung zu hören war – nebensächliche, aber entscheidende Dinge. Was sollte man da als Kinogänger tun? Sich direkt neben den Vorhang setzen, damit man schnell aufspringen und zuziehen konnte, wenn wieder mal ein Spalt klaffte und ein Lichtstrahl die Projektion störte? Oder möglichst weit weg vom Vorhang, um wenigstens die Wasserspülung nicht zu hören, dann aber dem hereinfallenden Licht ausgeliefert zu sein? Ein unauflösbares Dilemma.
Es gab also mindestens diese zwei offensichtlichen baulichen Missstände (von Missstand Nr. 2 ist in der »Chronik« allerdings nichts zu lesen, vermutlich, weil man sich ungern an sanitäre Unannehmlichkeiten erinnert), und Eisele/Pfeil bauten um. Sie verkürzten den großen Saal und zogen eine Wand zur Toilette ein. Sie schafften das bauliche Kunststück und errichteten einen zweiten Saal, an der Stirnseite des alten. Architektonisch erscheint dieser inspiriert vom Schachtelkino der 80er Jahre, so klein ist dieser kleinste aller Münchner Kinosäle: mit 28 Plätzen, die sich auf fünf Reihen und eine Mini-Loge verteilen, erscheint er durchaus rekordverdächtig (seit 2010 verfügt der Saal über 38 Plätze, was ihn aber auch nicht größer macht). Klein aber funktional!, betonte mir gegenüber Christian Pfeil nach dem Umbau, mein skeptisches Stirnrunzeln und meinen Verschmäh-Blick bemerkend, als er mich einmal überreden wollte, die Artechock-Matinee in den kleinen Saal zu verlegen. Von jedem Platz aus habe man hier eine perfekte Sicht auf die Leinwand, und außerdem könne man mit dem zweiten Saal ein vielfältiges Programm garantieren. Auch wenn die schwarzen Zahlen Eisele/Pfeil nur drei Jahre nach der Übernahme des Arena Recht gaben: Mein Cineasten-Herz blutet immer noch bei der Vorstellung, einen bildmächtigen und über zwei Stunden dauernden Film wie beispielsweise The Man From London von Béla Tarr in diesem Screening-Raum zu sehen. Vielleicht wäre es bei so einem Ausnahmefilm angebracht, auch einmal eine Ausnahme von der Wirtschaftlichkeit zu machen und Cinephilie zumindest in einer Sondervorstellung zuzulassen. Das könnte sich ja herumsprechen!
100 Jahre, und immer noch da. Sembdner gibt in seiner »Chronik« vielfache Einblicke über die Gründe, warum das Arena, das 1912 gegründet wurde, in einem Boom-Jahr, als die Kinos nur so aus dem Boden schossen und als »besonders rentabel« galten, als einziges in dem Viertel noch übriggeblieben ist. 2012 ist für Kinos beileibe kein Boom-Jahr, und wie wir aus der jüngsten Vergangenheit wissen, sind Kinos in München mittlerweile schützenswerte Kleinode geworden. Wie also wird es mit dem Arena weitergehen?
Die größte Herausforderung für die Kinos ist heutzutage die Digitalisierung. Sie kostet einiges an Geld und ist zugleich Garant dafür, den Anschluss an die Programmmöglichkeiten nicht zu verpassen.
Das Arena ist heute halbdigitalisiert und hatte sich als eines der ersten »Kleinkinos« mit einem Server ausgestattet. Allerdings, so verraten Eisele/Pfeil in der »Chronik«, ist es mit dem kleinen GDC-Server mittlerweile recht schwierig, ein komplettes Kinoprogramm zu
bestreiten. Die GDC-Auflösung reiche zwar für ein Kino wie das Arena, nicht aber für die großen Kinos. Die DCI-Technik habe sich deshalb durchgesetzt, die beste digitale Bilder liefert, aber erheblich teurer ist. Heute sei es so, dass kaum noch Filme für den kleinen Server angeboten werden, weshalb im Arena heute wieder vermehrt die guten alten Bauer-Projektoren zum Einsatz kommen, will man die interessanten Filme spielen. Aber diese Zeit ist bald vorbei: »2013 wird auch im Arena die
DCI-Digitalisierung kommen müssen, damit wir den Zugang zu einer großen Filmauswahl nicht verlieren. Insofern wird gewissermaßen erneut eine Ära zu Ende gehen: die der 35mm-Filmrollen«, schließt Eisele mit einem Blick in die Zukunft die Arena-Chronik ab.
Übrigens, eines darf nicht vergessen erwähnt zu werden, auch wenn wir das Arena nicht immer voll bekamen und ich deshalb eine kleine Lektion in Sachen Rentabilität erhielt: Wie schön waren doch die Artechock-Matineen im Arena, als wir nach dem Film noch die Möglichkeit hatten, uns im Foyer zu versammeln, selbstgebackenen Kuchen und Kino-Cappuccino genossen und uns mit unseren Besuchern über den gerade gesehenen Film austauschen konnten. So muss Kino sein!
Die Artechock-Redaktion dankt dem Arena-Kino für diese tollen Kino-Momente und gratuliert zum 100. Geburtstag!
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»Nie bedeutend ...aber immer noch da – Das Arena – 100 Jahre Kino in der Hans-Sachs-Straße 7«, von Winfried Sembdner, hg. v. Arena Filmtheater BetriebsGmbH, jezza! Verlag, 96 Seiten
Die überaus lesenswerte Chronik, die 100 Jahre Geschichte des Arena-Kinos erzählt und dabei ganz beiläufig eine Münchner Kinogeschichte schreibt, ist käuflich! Für 9,90 Euro erhält man sie im Arena und in ausgesuchten Buchhandlungen rund um das Kino.
Zum 100. Geburtstag finden vom 24.9. bis 19.10.2012 zahlreiche Sonderveranstalungen statt. Bitte diese dem Flyer entnehmen, der im Arena ausliegt.