20.09.2012
Kinos in München – Das Arena

Das Arena

Das Arena-Kino
Das kleine Kino an der Ecke.
Der Schriftzug stammt noch aus den 50er Jahren

Arena – Ein Kino, das bleibt

Von Dunja Bialas

Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es einmal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kino­mieten mehr denn je keine Selbst­ver­s­tänd­lich­keit mehr ist, stellen wir die Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.

Mit freund­li­cher Unter­s­tüt­zung durch das Kultur­re­ferat München

Wenn man das Foyer des Arena-Kinos betritt, hat man Erin­ne­rungen. Nein, nicht so viele wie Winfried Sembdner, der das Arena schon seit den 70er Jahren kennt und 1998 Thea­ter­leiter wurde. Und schon gar nicht so viele Erin­ne­rungen, wie sie jetzt für eine umfas­sen­dene Chronik zusam­men­ge­tragen wurden, um zu würdigen: Das Arena wird 100 Jahre alt.
Anlass genug, sich an vergan­gene Zeiten zu erinnern.

Back to black

Wenn man heute das Foyer des Arena-Kinos betritt, gelangt man in einen Raum, der sich farblich in der Kombi­na­tion »Vanil­leeis mit Erdbeeren« präsen­tiert und in dem sich großzügig ein paar ausla­dende, die Sixties andeu­tende Stühle um kleine Bistro­ti­sche grup­pieren. Früher, und damit meine ich mein Früher der 90er Jahre, war dies hier einfach alles nur: schwarz. Schwarz gestri­chen die Wände, aus schwarzem Holz die Theke, wo man die Tickets erwerben konnte, schwarz gekleidet die Menschen, die sich auf den Film wartend in dem stuhl­losen Raum an die Wand lehnten. Cineasten allesamt, die rauchend das dunkle Foyer in so etwas wie eine studen­ti­sche Vorhöhle zur Kinohöhle verwan­delten. Zur farb­li­chen Gestal­tung schreibt Sembdner in der »Chronik«, nach dem Umbau von 1985: »Das Arena ist kaum wieder­zu­er­kennen: Schwarz drapierte Wände, schwarze Decken, schwarze Türen, Fußböden in Anthrazit. An der Stelle des Kassen­häu­schens befindet sich ein schwarz gestri­chener Tresen mit Kasse­nuten­si­lien und einer Kühlwanne für Getränke. Die gemüt­li­cheren, weil breiteren Sessel im Zuschau­er­raum haben schwarze Armlehnen und eine schwarze Pols­te­rung.«

Zum Kinosaal gelangte man dann durch einen langen dunklen Gang, an dessen Ende eine Art Palmen­garten in Gestalt einer Tapete anzeigte, dass hier nichts mehr weiter­ging. Das großflächige Muster zog sich durch bis in den Kinosaal und drapierte sich dort um die Leinwand herum. Heute noch ist ein Stück des Palmen­gar­tens als bewahrtes Relikt aus dieser Zeit im Gang zu bewundern.
Durch einen schwarzen Vorhang konnte man direkt in den Kinosaal schlüpfen. Das Arena hatte damals nur einen einzigen langen, langen Saal mit sehr, sehr vielen Sitz­plätzen. Laut Sembdner waren es 107 Plätze, das ist schon mehr als beacht­lich für die geringe Breite des Kinos und gibt eine Vorstel­lung darüber, wie laaang dieser Saal einmal war. Das stellte durchaus ein Problem dar: Nicht nur war es extrem schwierig, auf diese Distanz die 35mm-Kopie wirklich scharf zu stellen, wie mir einst die Vorführer erzählten, vor allem war es schwierig: den Saal zu füllen. Dies merkten wir Artecho­cken am eigenen Leib. Von 2005 an, drei Jahre lang, hielten wir einmal im Monat im Arena-Kino eine Matinee ab, aller­dings, lieber Winfried, keines­wegs mit expe­ri­men­tellen Filmen, wie Du in der »Chronik« schreibst, sondern mit Filmen, die in Deutsch­land noch keinen Verleih gefunden hatten oder nie einen finden würden, dabei aber durchaus publi­kum­s­trächtig waren. Die Artechock-Matinee war damals laut Sembdner einer der letzten Versuche, das Arena für neue Ziel­gruppen attraktiv zu machen. Wenige Monate später aber stand das Arena nach einem mauen Sommer und einem flauen Herbst quasi vor dem Aus. Das schwarz in schwarze Kino konnte in dieser im wahrsten Sinne exis­ten­ti­ellen Farbe eines nicht vorweisen: die schwarzen Zahlen.

Neustart

Die Bauer-Projek­toren aus den 50er Jahren sind einer der Gründe dafür, dass es das Arena heute immer noch gibt, mit dem neuen Betreiber-Duo Markus Eisele und Christian Pfeil. Eisele kam eines Tages am Arena-Kino vorbei, erinnert er sich in der »Chronik«, und sah die alten, schweren Projek­toren, an denen er selbst einst gelernt hatte, Filme vorzu­führen. So kam er mit Sembdner ins Gespräch, der zusammen mit den Kollegen der Münchner Filmkunst-Kinos schon mehrfach den Versuch unter­nommen hatte, das Arena wirt­schaft­li­cher zu machen, bald lernte Eisele auch Christian Pfeil kennen. Beide hatten 2005 mit einem eigenen Kino­be­trieb begonnen (Eisele mit den Insel-Kinos, Christian Pfeil mit dem Monopol in der Feilitzsch­straße), und sie hatten Lust auf ein neues, gemein­sames Projekt: es wurde das Arena.

2006 kam dann der große Umbau. Aus der schwarzen Kino­vor­höhle wurde eine einla­dendes Kino-Foyer mit Café-Charakter, und vor allem wurden die baulichen Miss­stände beseitigt. Eine weitere bauliche Unsäg­lich­keit war damals neben dem langen Kino-Schlauch die – nennen wir es – Toilet­ten­si­tua­tion. Die Örtlich­keiten waren nur durch den besagten schwarzen Vorhang vom Kinosaal getrennt. Gingen die Klogänger nun während des Films auf selbiges, störten sie durch Licht und Ton die Vorfüh­rung: durch Licht, weil sie den Vorhang hinter sich nie richtig zuzogen, durch Ton, weil durch den Vorhang und die dünne Toilet­tentür durchaus die Spülung zu hören war – neben­säch­liche, aber entschei­dende Dinge. Was sollte man da als Kino­gänger tun? Sich direkt neben den Vorhang setzen, damit man schnell aufspringen und zuziehen konnte, wenn wieder mal ein Spalt klaffte und ein Licht­strahl die Projek­tion störte? Oder möglichst weit weg vom Vorhang, um wenigs­tens die Wasser­spü­lung nicht zu hören, dann aber dem herein­fal­lenden Licht ausge­lie­fert zu sein? Ein unauf­lös­bares Dilemma.

Es gab also mindes­tens diese zwei offen­sicht­li­chen baulichen Miss­stände (von Missstand Nr. 2 ist in der »Chronik« aller­dings nichts zu lesen, vermut­lich, weil man sich ungern an sanitäre Unan­nehm­lich­keiten erinnert), und Eisele/Pfeil bauten um. Sie verkürzten den großen Saal und zogen eine Wand zur Toilette ein. Sie schafften das bauliche Kunst­stück und errich­teten einen zweiten Saal, an der Stirn­seite des alten. Archi­tek­to­nisch erscheint dieser inspi­riert vom Schach­tel­kino der 80er Jahre, so klein ist dieser kleinste aller Münchner Kinosäle: mit 28 Plätzen, die sich auf fünf Reihen und eine Mini-Loge verteilen, erscheint er durchaus rekord­ver­dächtig (seit 2010 verfügt der Saal über 38 Plätze, was ihn aber auch nicht größer macht). Klein aber funk­tional!, betonte mir gegenüber Christian Pfeil nach dem Umbau, mein skep­ti­sches Stirn­run­zeln und meinen Verschmäh-Blick bemerkend, als er mich einmal überreden wollte, die Artechock-Matinee in den kleinen Saal zu verlegen. Von jedem Platz aus habe man hier eine perfekte Sicht auf die Leinwand, und außerdem könne man mit dem zweiten Saal ein viel­fäl­tiges Programm garan­tieren. Auch wenn die schwarzen Zahlen Eisele/Pfeil nur drei Jahre nach der Übernahme des Arena Recht gaben: Mein Cineasten-Herz blutet immer noch bei der Vorstel­lung, einen bild­mäch­tigen und über zwei Stunden dauernden Film wie beispiels­weise The Man From London von Béla Tarr in diesem Screening-Raum zu sehen. Viel­leicht wäre es bei so einem Ausnah­me­film ange­bracht, auch einmal eine Ausnahme von der Wirt­schaft­lich­keit zu machen und Cine­philie zumindest in einer Sonder­vor­stel­lung zuzu­lassen. Das könnte sich ja herum­spre­chen!

Zukunfts­trächtig

100 Jahre, und immer noch da. Sembdner gibt in seiner »Chronik« vielfache Einblicke über die Gründe, warum das Arena, das 1912 gegründet wurde, in einem Boom-Jahr, als die Kinos nur so aus dem Boden schossen und als »besonders rentabel« galten, als einziges in dem Viertel noch übrig­ge­blieben ist. 2012 ist für Kinos beileibe kein Boom-Jahr, und wie wir aus der jüngsten Vergan­gen­heit wissen, sind Kinos in München mitt­ler­weile schüt­zens­werte Kleinode geworden. Wie also wird es mit dem Arena weiter­gehen?

Die größte Heraus­for­de­rung für die Kinos ist heut­zu­tage die Digi­ta­li­sie­rung. Sie kostet einiges an Geld und ist zugleich Garant dafür, den Anschluss an die Programm­mög­lich­keiten nicht zu verpassen.
Das Arena ist heute halb­di­gi­ta­li­siert und hatte sich als eines der ersten »Klein­kinos« mit einem Server ausge­stattet. Aller­dings, so verraten Eisele/Pfeil in der »Chronik«, ist es mit dem kleinen GDC-Server mitt­ler­weile recht schwierig, ein komplettes Kino­pro­gramm zu bestreiten. Die GDC-Auflösung reiche zwar für ein Kino wie das Arena, nicht aber für die großen Kinos. Die DCI-Technik habe sich deshalb durch­ge­setzt, die beste digitale Bilder liefert, aber erheblich teurer ist. Heute sei es so, dass kaum noch Filme für den kleinen Server angeboten werden, weshalb im Arena heute wieder vermehrt die guten alten Bauer-Projek­toren zum Einsatz kommen, will man die inter­es­santen Filme spielen. Aber diese Zeit ist bald vorbei: »2013 wird auch im Arena die DCI-Digi­ta­li­sie­rung kommen müssen, damit wir den Zugang zu einer großen Film­aus­wahl nicht verlieren. Insofern wird gewis­ser­maßen erneut eine Ära zu Ende gehen: die der 35mm-Film­rollen«, schließt Eisele mit einem Blick in die Zukunft die Arena-Chronik ab.

Übrigens, eines darf nicht vergessen erwähnt zu werden, auch wenn wir das Arena nicht immer voll bekamen und ich deshalb eine kleine Lektion in Sachen Renta­bi­lität erhielt: Wie schön waren doch die Artechock-Matineen im Arena, als wir nach dem Film noch die Möglich­keit hatten, uns im Foyer zu versam­meln, selbst­ge­ba­ckenen Kuchen und Kino-Cappuc­cino genossen und uns mit unseren Besuchern über den gerade gesehenen Film austau­schen konnten. So muss Kino sein!

Die Artechock-Redaktion dankt dem Arena-Kino für diese tollen Kino-Momente und gratu­liert zum 100. Geburtstag!

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»Nie bedeutend ...aber immer noch da – Das Arena – 100 Jahre Kino in der Hans-Sachs-Straße 7«, von Winfried Sembdner, hg. v. Arena Film­theater Betrieb­sGmbH, jezza! Verlag, 96 Seiten
Die überaus lesens­werte Chronik, die 100 Jahre Geschichte des Arena-Kinos erzählt und dabei ganz beiläufig eine Münchner Kino­ge­schichte schreibt, ist käuflich! Für 9,90 Euro erhält man sie im Arena und in ausge­suchten Buch­hand­lungen rund um das Kino.

Zum 100. Geburtstag finden vom 24.9. bis 19.10.2012 zahl­reiche Sonder­ver­an­sta­lungen statt. Bitte diese dem Flyer entnehmen, der im Arena ausliegt.