Cinema Moralia – Folge 98
Die Lebenden und die Toten |
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Bodo Fründt (1945-2014) |
Was schulden wir den Toten? Nichts. Nicht mehr als den Lebenden jedenfalls. Respekt, Erinnerung, Gefühle. Bodo Fründt war ein sehr angenehmer, sehr interessanter Mensch. Liebevoll. Und genau. Eine schillernde Persönlichkeit. Ein Unverstandener, wage ich zu sagen. Viele haben ihn gemocht, manche auch nicht. Aber wenige wurden schlau aus ihm. Fünf Jahre lang habe ich ihm im Frühjahr gegenüber gesessen, und wir haben den Katalog des Filmfests München gemacht, er war natürlich der
Chef. Ich habe von ihm einiges gelernt und hätte vielleicht noch mehr lernen können. Bodo hat bei der ersten Begegnung etwas Einschüchterndes gehabt, aber wenn er einen mochte und vertraute, war es eine unglaublich unprätentiöse Zusammenarbeit. Er hat dabei vieles erzählt, aus seinen Zeiten beim Kölner Stadtanzeiger, der »Kölner Schule« mit Hans Christoph Blumenberg und Hans Peter Kochenrath, bei der »Berlinale«, beim »Stern«, und dann drei Jahrzehnte in München bei der
»Süddeutschen«. Es sei »der größte Fehler seines Lebens« gewesen, sagte Bodo einmal, beim Stern gekündigt zu haben.
Jetzt ist Bodo Fründt, geboren am 16. September 1945, überraschend gestorben: Am Dienstag, den 2. Dezember 2014, nachdem er seine letzte Filmkritik an die Redaktion der Süddeutschen Zeitung gemailt hatte.
Aus diesem Anlass findet am Donnerstag, den 18. Dezember, um 15 Uhr im Kino des Filmmuseum München, am Sankt-Jakobs-Platz 1 eine Trauerfeier statt. Wer Bodos Sohn
Julian bei den Kosten unterstützen möchte, die jetzt auf ihn zukommen, kann das unter folgenden Kontodaten tun:
IBAN: DE83 7015 0000 1000 5541 60, BIC: SSKMDEMMXXX, Kennwort: Bodo
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Kurz vor Jahresende spitzen sich offenkundig die Verhältnisse an der Berliner DFFB zu. Anlass, aber nicht Ursache ist die Frage der Nachfolge auf dem Direktorenposten. Der letzte Direktor, Jan Schütte, eine in jeder Hinsicht schwache Figur und völlige Fehlbesetzung auf dieser Position, hatte es in kürzester Zeit geschafft, den guten Ruf der DFFB zu beschädigen und vieles von dem, zu ruinieren, was seine Vorgänger Reinhard Hauff und Hartmut Bitomsky (ja, der auch) aufgebaut hatten.
Die DFFB ist ja entgegen manchen Ansichten keineswegs identisch mit der »Berliner Schule«, sondern voller Vielfalt, Pluralität und Toleranz. Die Handschrift der Schule ist ihr Niveau. Die DFFB ist aber eine Kunstakademie, die nie dazu gedacht war, den Kannibalen in den Fernsehanstalten unbedarfte Jungfilmer zum Frühstück und zur weiteren Ausbeutung zu servieren.
Das Widerständige, Kreative der DFFB konnte auch Jan Schütte trotz aller Mühe nicht zerstören. In den letzten Jahren
entstanden Filme wie Das merkwürdige Kätzchen, Oh Boy, Anna Pavlova Lebt In Berlin, Der Samurai, Komm und spiel, Ein proletarisches
Wintermärchen, Ich will mich nicht künstlich aufregen oder Die Finanzen Des Grossherrzogs Radikant Film. Keine schlechte Bilanz. Aber ausgerechnet diese und sämtliche anderen Filme der DFFB, die ein wenig international erfolgreich waren und Beifall von Kritik und Publikum bekamen, waren von Schütte nicht gewollt und oft aktiv bekämpft worden, was viel über Schüttes Geschmack
sagt und alles über seine Vorstellung von dieser Akademie. Sein Abgang durch die Hintertür und seine letzte Amtshandlung – die bislang schwarzen Wände des DFFB-Kinos ließ er komplett in Gold anstreichen!!! – belegen das Versagen der Findungskommission und der Entscheidungsträger bei der letzten Direktorenbestimmung.
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Alles deutet darauf hin, dass die Verantwortlichen aus ihrem Versagen nichts gelernt haben: Namen der Kandidaten sickern im halben Dutzend durch – und zwar nicht von Studentenseite aus – und nach allem, was man wissen kann, werden hochinteressante Optionen vom Kuratorium von vornherein ausgeschlossen: Öffentlich die Rede ist bislang von Andres Veiel, Alfred Holighaus, Bela Tarr. Fred Kelemen hatte seine Bewerbung bereits selbst öffentlich gemacht. Er zumindest hat
offenbar keine Scheu sich einer öffentlichen Debatte zu stellen.
Bekannt ist ferner, dass all diese Namen von der Findungskommission zurückgewiesen wurden – man möchte schon sehr gern wissen, was sie eigentlich in deren Augen ungeeignet macht, um die DFFB zu leiten.
Nominiert hat die Kommission hingegen Sophie Maintigneux, die sich bereits vor vier Jahren beworben hatte, und deren Bewerbung von Studenten wie Dozenten unterstützt wird, und den weithin unbekannten
österreichischen Regisseur Julian Pösler – der weiße Wal in diesem Bewerbungsverfahren, weil über ihn nicht viel bekannt ist. Auf Wikipedia ist herauszufinden, dass er immerhin einmal Assistent von Axel Corti war und neben quotenträchtigem Fernsehen den wenig geschmacksicheren Kinofilm »Die Wand« zu verantworten hat.
Offensichtlich war Pösler der Kommission dann so wenig geheuer, wie eine Kandidatin, die die Unterstützung kommender Filmemacher, aber nicht
gegenwärtiger Förderer und früherer Produzenten hat, und die Kommission einigte sich darauf sich nicht zu einigen, und die Entscheidung »nicht vor Weihnachten« zu fällen.
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So könnte sich der Fall DFFB zu einem Fall Björn Böhning entwickeln. Der Wowereit-Vertraute und Chef der Berliner Staatskanzlei möchte das unter dem neuen Regierenden Bürgermeister gerne bleiben.Schlechte Presse könnte dieser Absicht schaden und die wäre im Fall einer vorzeitigen Ernennung des von ihm offenbar favorisierten Österreichers sicher. Bereits mit der Entscheidung für Jan Schütte, die an der DFFB offen als »Griff ins Klo« kommentiert wird, hat Böhning sich persönlich geschadet.
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An derartigen Macht- und Ränkespielen sind die DFFB-Studenten nicht interessiert. Sie wollen gute Kinomacher werden, und dazu ihr Handwerk lernen. Dafür wünschen sie eine künstlerische Leitung, die diesen Namen verdient, feste, prägende Dozenten, mitunter alternative Seminarformen. Die DFFB soll ein Ort konfrontativer Diskurse bleiben, ihre Besonderheit soll nicht aufs Spiel gesetzt werden.
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Unterstützt wird die Debatte um eine bestmögliche Filmausbildung in der Hauptstadt von vielen Filmemachern aller Stilrichtungen.
Unter anderem Wolfgang Becker, Detlev Buck, Chris Kraus, Pia Marais und Christian Petzold nehmen daher am kommenden Freitag, um 19 Uhr in der »Akademie der Künste« an einer Podiumsdiskussion der Studentenschaft der DFFB teil, in der es um die Zukunft der Filmausbildung allgemein und der DFFB im Besonderen gehen wird.
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Was schulden die Toten uns? Nichts. Uns nicht heimzusuchen, vielleicht.
(To be continued)
Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.