65. Berlinale 2015
Wer reinkommt, ist drin... |
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Jafar Panahi als Taxifahrer | ||
(Foto: Berlinale | Taxi Teheran) |
Natürlich hat mich die Nicht-Einladung zur Berlinale-Eröffnung nur noch mehr angespornt, dann aber wirklich auf der Party zu erscheinen. Und in solchen Momenten merkt man wieder mal, wie viel Freunde man hat: Mehr als nur ein Angebot kam von Kollegen- und Filmemacherseite, auch Mitarbeiter der Berlinale waren sehr hilfsbereit. Danke also auch auf diesem Weg!
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Frauke Greiner oder Dieter Kosslick hab' ich dann aber leider nicht gesehen, um persönlich »Hallo!« zu sagen. Die waren wahrscheinlich auf dem Eröffnungsdinner. Denn es gehört ja zu den Eigenheiten einer jeden Berlinale-Eröffnung, dass es dann immer noch eine zweite Eröffnung gibt mit Extra-Einladung. Zu der werde ich wohl erst kommen, wenn ich mal mit einem Film im Wettbewerb bin, oder in der Jury sitze. Kann also nicht mehr so lange dauern... ;-
»Dafür traf ich unter anderem auf Jenni Schily, Sophie Maintigneux, Christine Meier, Andreas Rosenfelder, Alfred Holighaus, Bettina Blümner, Tobias Müller, RP Kahl, Michael Kötz, Daniela Kötz, Arne Birkenstock, Janine Meerapfel, Wolfgang Höbel, Lars-Olav Baier, Andreas Schreitmüller.« Solche Listen hab ich vor über zehn Jahren mal für die Klatschpresse gemacht. Namen wurden fettgedruckt.
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Die besten Treffpunkte am ersten Abend waren wie üblich die anti-puritanischen: die Raucherecke im Erdgeschoss, wo sich im Gegensatz zum Rest des Berlinale-Palasts dann wirklich mal alle drängelten. Und der McDonalds gegenüber, wo alle die, die die veganen Schaumsüppchen, die Direktor Kosslick servieren lässt, genauso verabscheuen, wie ich, und alle, die vorher nichts gegessen haben, irgendwann auftauchen, um ihre Fleischration zu bekommen.
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Es ist seit Jahrzehnten ein besonderes Genre: das des iranischen Autofahrfilms. Man muss sich das in etwa so vorstellen: Der Film beginnt im Auto, und die Kamera verlässt dieses Auto nie. Alles was überhaupt im Film passiert, ereignet sich an eben diesem Ort, vorzugsweise während der Fahrt. Durch die Scheiben allerdings sieht man auch das Leben auf der Straße, in anderen Fahrzeugen, beobachtet, und nimmt daran teil. Man sieht dann, dass es in Teheran auf den ersten Blick zumindest
auch so anders nicht ausschaut wie bei uns.
»Teheran sieht aus wie Potsdamer Platz«, flüsterte mir Heike schon nach zehn Minuten zu. Meine spontane Antwort: »Vielleicht isses eher umgekehrt?«
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Dass dieser Typ Film sich ausgerechnet im Iran entwickelt hat, liegt nun aber nicht daran, dass die Perser eine besondere Faszination für PKWs haben, es hat seine Ursache vielmehr in den besonderen und schwer verständlichen Vorschriften der iranischen Zensurbehörden, die für ein europäisches Publikum mitunter auch bizarre Züge haben.
Das Auto gilt im Iran juristisch als Innenraum, also kann ein Filmemacher, der für einen Außendreh keine Genehmigung bekommen hat, dieses Verbot, indem er die Handlung ins Auto versetzt, ziemlich einfach umgehen. Merkwürdiges Land. Man denkt ja, in einer Diktatur würde man dann halt den Innenraum mal eben zum Außenraum umdefinieren, wenn es einem besser in den Kram passt, aber so einfach geht es eben offenbar nicht.
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Im Auto dürfen sich auch Männer und Frauen gleichzeitig aufhalten – im Gegensatz zu öffentlichen Orten wie Cafés, Schulen, Kinos und Ähnlichem. Die Frauen und schon die kleinen Mädchen natürlich nur mit vorschriftsmäßig streng verschleiertem Haar. Seit den 1980er Jahren hab es immer wieder auffallend oft lange Szenen oder sogar ganze Filme aus dem Iran, die in einem Auto spielen, etwa vom berühmten Abbas Kiarostami – noch ganz anders als zum Beispiel Hollywoods oder Europas Road-Movies wird das Auto hier zur Druckkammer und zum Seelenerforschungsort.
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Die neueste Variante des iranischen Autofahrfilms hatte nun heute bei den Berliner Filmfestspielen im Wettbewerb Premiere. Sie heißt Taxi und stammt von Jafar Panahi. Dieser Regisseur ist durch sein Dissidentendasein und seine politischen Schwierigkeiten, einschließlich Haft und langjährigem Berufs- und Reiseverbot fast noch berühmter, als durch seine Kinowerke.
Mit Taxi beweist er nun, dass er auch ein hochinteressanter und clever-ironischer Filmemacher ist. Denn der Film handelt im Prinzip von nichts anderem, als von einem Taxi, das einen Tag lang durch Teheran fährt. Der Fahrer des Taxis allerdings ist – Panahi selber.
Nicht als Schauspieler, sondern der Regisseur Jafar Panahi fährt, das ist die Grundidee des Films, Taxi und lässt die Kamera
laufen. Alle paar Minuten steigen neue Fahrgäste dazu, einige von Ihnen erkennen Panahi sprechen ihn auf seine Filme. Zum Beispiel ein Straßenfilmhändler, der Filme aus Hollywood, ob von Woody Allen oder Zombieschocker feilbietet, die – im Iran theoretisch verboten sind, praktisch aber eben an jeder Straßenecke erhältlich. Außer übers Kino drehen sich viele Gespräche über Politik, oder über Alltägliches wie Gewalt in und die vielen Straßenräuber. Gleich zu Beginn diskutieren
zwei Fahrgäste über den Sinn der Todesstrafe. Eine Anwältin erklärt die Folgen der permanenten Bespitzelung: »Deine engsten Freunde werden zu Feinden.«
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Das Herz des Films sind aber die Gespräche mit der etwa zwölfjährigen Nichte Panahis, die in der Mitte des Films zusteigt und ihn nun begleitet. Denn das Mädchen möchte mit einer kleinen Digitalkamera einen eigenen Film drehen. In der Schule hat ihr die Lehrerin die »Regeln für einen zeigbaren Film« beigebracht. Also die Vorschriften der Zensur.
»Zeigbar ist im Iran ein Film, wenn die Guten einen islamischen Namen haben, und keinesfalls eine Krawatte tragen. Ein Film darf keine wirtschaftlichen oder politischen Themen behandeln, er soll die Realität zeigen, aber nicht, wenn sie hässlich ist. Und so weiter.
Am schwersten wiegt der Vorwurf der Schwarzmalerei. Was immer das sein soll. Es kann alles und nichts sein.«
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So ist Jafar Panahis Taxi vor allem ein pfiffiger selbstreferentieller Film über Filmemachen und Film-Zensur im Iran. Und es ist ein Gesellschaftsporträt, das über die Gespräche, auch über das, was man sieht, wenn man aus dem Fenster blickt, viel von der alltäglichen Wirklichkeit des Landes und den Auswirkungen der Mullah-Diktatur einfängt.
Bis ganz zum Schluss. Da wird das Bild
schwarz. Zwei Männer rauben das Taxi aus, aber es sind keine Straßenräuber, sondern offenkundig Schergen des Geheimdienstes. Sie wollen die Kamera stehlen, um den Film, der wir gerade sehen, zu verhindern. Das gelingt ihnen nicht. Aber ihre letzten Worte lauten: »Wir kommen wieder!«