65. Berlinale 2015
Kafka, Nostalgie und eine Odyssee |
||
Paradise In Service von Doze Niu Chen-Zen | ||
(Foto: Ablaze Image Taipeh, Taiwan) |
Asien, der größte Kontinent der Welt ist auch im Kino eine aufsteigende Macht. Filme auch China, Südkorea und Japan bezaubern seit jeher auch europäische Zuschauer, in den letzten Jahrzehnten gewannen sie auch viele wichtige Preise auf Filmfestivals.
Das Kino des asiatischen Kontinents wurde einst auf der Berlinale entdeckt. Noch lange vor dem Massaker auf dem »Platz des Himmlischen Friedens« erkannte der damalige Leiter Moritz de Hadeln die Kraft des aufkommenden
Filmkontinents und bot der legendären »Fünften Generation«, den Dissidenten des chinesischen Kinos eine Plattform. 1988 gewann Zhang Yimou für Rotes Kornfeld den Goldenen Bären, im Forum Ulrich Gregors entdeckte man Wong Kar-weis musikalische Filmgedichte und Ende der 90er Jahre liefen hier im Mitternachtskino die ersten Hongkong-Gangsterthriller von Johnnie To und Andrew Lau,
aber auch Bollywood-Filme aus Indien.
Unter den Nachfolgern der beiden Leiter sind diese Zeiten vorbei: Das Mitternachtskino wurde abgeschafft, Bollywood kaum noch eingeladen. Trotzdem die wichtigeren Ost-Asiaten im letzten Jahrzehnt in Cannes und Venedig zu sehen waren, gibt es in der Fülle der Berlinale-Sektionen aber immer wieder einige sehenswerte Filme aus Asien.
Im Wettbewerb war es dieses Jahr Gone with the Bullets aus China, eine stylische Ausstattungsorgie, in der Jiang Wen den nostalgischen Zauber des Shanghai der 30er Jahre beschwört, mit Opiumhöllen und Revues – es war einmal in China.
In der Halbwelt aus Prostituierten, Spielhöllen und Drogenhändlern ist auch die Handlung von Big Father Small Father and other stories angesiedelt – diesmal im vietnamesischen Saigon, diesmal in den 90er Jahren. Eine bisexuell grundierte Dreiecksgeschichte, die in ihrer Unschuld und Offenheit an den frühen Wong Kar-wai erinnert.
Von Gott, gelangweilten Engeln zu früh Gestorbenen, die auf die Erde zurück wollen, erzählt voller Poesie der Japaner Sabu: Chensukes Journey ist eine Art »Himmel über Tokio«, aber nicht unangestrengt.
Im Panorama läuft der taiwanesische Paradise in Service von Doze Niu Chen-Zen. Er erzählt von einem bislang verdrängten Kapitel Taiwans: Die Einrichtung von Bordellen zur Moralerhaltung der Truppen im Kampf »gegen China«. Es geht um einen jungen Soldaten, der dort seinen Wehrdienst als Bewacher leisten soll, und sich mit den Frauen anfreundet, die oft zur Prostitution gezwungen wurden.
Auch der koreanische Ode to My
Father thematisiert Historisches: Der Film erzählt von der Trennung einer Familie in den Wirren des Bürgerkriegs. Flüchtlingselend, Wirtschaftwunder und koreanische Identität fließen zusammen zu einem etwas sehr sentimentalen, dennoch sehenswerten und für europäische Zuschauer wichtigten Film.
Absurd wird es in K., für den zwei mongolische Regisseure Kafkas Helden in die innere Mongolei versetzt haben. Ein psychologisches Vexierspiel, in dem ein zeitloser Plot plötzlich aktuell gesellschaftskritische Stoßkraft gewinnt.
Asien – das meint natürlich nicht nur den Fernen Osten, sondern auch den Nahen. Von dort kommt ein atemberaubender Film, einer der besten überhaupt auf der diesjährigen Berlinale: Iraqi Odyssey heißt er und spielt – zu nicht unwesentlichen Teilen in Moskau: Der aus Bagdad stammende Schweizer Samir erzählt zwar scheinbar nur von seiner Familie, doch dabei erzählt er auch vom sehr besonderen irakischen 20. Jahrhundert, von der Liebe zum Kommunismus, zur Freiheit, dem Hass auf die Tyrannei der Kolonialmächte, der Religion und des Geldes.
Dieser trotz aller Schicksalshärte fröhliche Film zeigt einen Irak von außen, vom Exil aus zusammengesetzt aus Erinnerungen, Bildern, Fragmenten der Diaspora unter der Hand, ein sehr orientalisches Mosaik, nostalgiesatt, auch durch die alte Musik.