Cinema Moralia – Folge 112
Wie lässt sich Qualität bei einem Film erkennen? |
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Ein Film, bei dem man die »Qualität« gleich erkennt: Gia Coppolas Palo Alto – Bestandteil des diesjährigen heißen & tollen Kinosommers... | ||
(Foto: Gia Coppola) |
»Ihr jungen Leute solltet nie feige sein! Wenn ihr was sagen wollt, sagt es. Wenn ihr was tun wollt, tut es. Wenn ihr weinen wollt, weint!«
Ein alter Fischer in Still the Water (Futatsume no mado) von Naomi Kawase
Was für ein Monat, dieser Juli! Was für ein Kinosommer. Ein toller Film jagt den nächsten, und trotz heißen und heißesten Sommerwetters und trotz großer Ferien müssen Sie, geschätzte artechock-Leser, einfach folgende Filme sehen, wenn Sie sich selbst etwas Gutes tun und weiterhin ohne rot zu werden, morgens in den Spiegel gucken wollen: It Follows, Tokyo Tribe, ab dieser Woche Still the Water und irgendwie auch Palo Alto.
Über Letzteren werde ich hier noch mehr schreiben, für heute nur so viel:
Palo Alto ist der erste Film von Gia Coppola, der Tochter von Francis Ford Coppolas ältestem Sohn
Gian-Carlo, der 1986 bei einem Bootsunfall ums Leben kam, als seine einzige Tochter noch nicht geboren war. Trotzdem, betont Gia Coppola, habe sie ihren ersten Film ganz ohne Unterstützung der Familie gemacht. Auch wenn der Name gewiss nicht geschadet hat, glaube man ihr das sofort – und wenn nicht, ist es auch egal: Ein Coppola-Film, nach Kurzgeschichten von James Franco, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2013 Premiere hatte, und derzeit exklusiv in wenigen deutschen Kinos
läuft. Nahezu zeitgleich ist Palo Alto, eine großartige, bewegende Suburbia-Geschichte mit James Franco, Emma Roberts und Jack Kilmer, aber bereits jetzt auf DVD und Blue Ray erschienen: beim Label »Capelight Pictures«.
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In einem höchst unfair und zudem irreführend formulierten, einfach frechen Text macht sich »Blickpunkt Film« ein weiteres Mal zum Sprachrohr der dümmeren Hälfte des deutschen Films.
»Grüne blasen zum Sturm auf die Filmförderung« heißt es da. Und dann werden der medienpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Tabea Rößner, »eklatante Schwächen in der Argumentation« vorgeworfen. Der Grund: Rößner hat offenbar das Tabu gebrochen, dass man öffentlich nicht erwähnen
darf, dass die sogenannte wirtschaftliche Filmförderung gar nicht wirtschaftlich ist, sondern dass es sich um versteckte Subventionen handelt.
Denn tatsächlich hat ja selbst unter den geförderten deutschen Besuchermillionären nur jeder fünfte Film in den letzten zehn Jahren die FFA-Projektfilmförderung zurückgezahlt. Zudem fordert Rößner, dass die Filmförderungsanstalt endlich ihre Zahlen offenlegt. »Gerade vor der anstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes muss die FFA von unabhängiger Seite untersucht werden.« Das gefällt der Söldnertruppe von Blickpunkt Film natürlich nicht.
Stattdessen folgt dann ein Ablenkungsangriff offensichtlicher, trotzdem übler Sorte, der vor allem das Niveau dieses Magazins offenbart: »Versandt wurde die Pressemitteilung von Tabea Rößner von ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Frédéric Jaeger, der gleichzeitig als geschäftsführender Vorstand des Verbands der deutschen Filmkritik fungiert. Jaeger hatte zuvor bereits in ähnlicher Form im Vorfeld der Verleihung des Deutschen Filmpreises in der Berliner Zeitung unter der Überschrift 'Systematischer Betrug am Kino' gegen die Filmförderung gewettert.«
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Immerhin wurde die Erklärung Rößners namentlich gekennzeichnet, was man vom erwähnten Blickpunkt-Film-Kommentar nicht behaupten kann.
Aber bei »Blickpunkt Film« haben sie es offenbar bitter nötig. Nach ihren Troll-Attacken gegen die deutsche Filmförderung, die sie dafür verantwortlich machen wollten, dass deutsche Filme nicht in Cannes laufen, stürzen sich die Zombies des sogenannten »Branchenmagazin«, das tatsächlich laut eigenen Mediadaten nicht einmal mit 4000
Exemplaren gedruckt wird, (geschweige denn gelesen), nun etwas aggrohaft auf alle Kritiker der herrschenden Verhältnisse – anscheinend möchte man sich bei den Anzeigenkunden lieb Kind machen.
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Manchmal fragt man sich ja, ob es »Blickpunkt Film« überhaupt noch gibt. Und, dann, gleich als nächstes, warum eigentlich? Nach dieser reflexhaften Reaktion weiß man wieder warum. Obwohl die BF-Redaktion offenbar nicht merkt, dass eine derartige plumpe Reaktion eher ein Ritterschlag für die Pressemitteilung der Grünen ist.
Da fragt man sich eher, ob Blickpunkt Film womöglich neben dem diversen indirekten Sponsoring auch direkte Fördergelder bekommt? Weil sie doch so viel tun
für den deutschen Film?
Zur Sache hat der famose Kommentar im Übrigen nichts beizutragen.
Denn das eigentliche Thema der Filmförderung liegt woanders. Sieht man einmal von der bekannten und schlecht gelösten Frage des Verhältnisses zwischen kultureller und wirtschaftlicher Förderung ab, vergisst man einmal für Augenblicke, dass kaum Geld in die kulturelle Förderung fließt und fast alles in die wirtschaftliche, dann bleibt die Frage, ob denn Wirtschaftlichkeit überhaupt derzeit ein Kriterium ist?
De facto spielt Wirtschaftlichkeit bei der existierenden Förderung nur dort eine theoretische Rolle, wo es um hohe Summen geht und viel Geld. Bei kleineren Projekten geht es nicht darum. Förderschwellen jeder Art sind unfair. Filme, die mehr als ihre Herstellungskosten einspielen, sind natürlich erfolgreich, aber was ist mit Filmen, die immerhin 80, 90 oder 95% ihrer Herstellungskosten wieder einspielen? Sie sind doch zumindest relativ wirtschaftlich – die Fördergesetze
berücksichtigen das aber an keiner Stelle.
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Davon abgesehen hier noch mein Ceterum Censeo: Wirtschaftlichkeit ist völlig nachrangig und meinetwegen sollte gar nix zurückgezahlt werden, wenn nur mal richtig gute oder interessante Filme rauskommen. Das ist unser Problem.
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Eine öffentliche Debatte über die Qualität des deutschen Films wollen die Berliner Akademie der Künste und der Verband der deutschen Filmkritik führen. Hierzu veröffentlichten beide jetzt einen Aufruf, über den wir in den nächsten Wochen nachdenken werden müssen: »›Nach welchen Kriterien wollen wir Filme bewerten?‹ heißt es da, ›Nach welchen Kriterien entscheidet das Publikum? Hat die Kritik einen anderen Zugang zur siebten Kunst? Was verstehen Produzent*innen,
Regisseur*innen, Autor*innen, Cutter*innen, Schauspieler*innen, Kameraleute unter einem guten Film? Wie lässt sich Qualität bei einem Film erkennen? Was macht die Qualität eines Filmes aus?‹
Auch wir von artechock freuen uns über Antworten, und sie dürfen auch länger sein. Auszüge, vielleicht auch ganze Texte, veröffentlichen wir gern und leiten sie auch an die Zuständigen der adk weiter.«
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Vielleicht sagt uns schon das hier etwas über den Stand der Dinge: »Sehr geehrte Damen und Herren, er ist Kino- und Opernregisseur, Schauspieler, Drehbuchautor, Librettist, Produzent – und jetzt moderiert er auch noch die Verleihung der FIRST STEPS Awards: AXEL RANISCH!
Wir freuen uns sehr, dass der unvergleichliche Axel Ranisch die 16. Verleihung der FIRST STEPS Awards am 14. September 2015 in Berlin im Stage Theater am Potsdamer Platz moderieren wird. Der Regisseur,
Schauspieler und Drehbuchautor Axel Ranisch, dessen Tragikomödie Alki Alki gerade auf dem Filmfest München seine Weltpremiere feierte, war 2012 mit seinem legendärem Abschlussfilm ›Dicke Mädchen‹ für den FIRST STEPS Award nominiert.
Musikalisch begleitet wird Axel Ranisch bei seinem Moderationsdebüt vom deutsch-französischen Underground-Pop-Duo STEREO TOTAL, in
deren Musik sich Berliner genialer Dilettantismus und französisches ›Je m'en fous spiegeln. Françoise Cactus und Brezel Göring treffen zwar nicht den Geschmack der Mehrheit, das aber seit 20 Jahren und auf allen fünf Kontinenten.
»FIRST STEPS ist ne ganz schön große Nummer. Mein Herz bubbert vor Freude und Stolz, vor Neugier und Nervosität. Dass ich meine geliebte Oma Ruth Bickelhaupt neben mir auf der Bühne weiß, beruhigt mich. Und mit unglaublichem Glück erfüllt mich, dass
ich mit zwei Idolen meiner Kindheit (neben Beethoven und Rachmaninoff) durch den Abend führen darf: Françoise Cactus und Brezel Göring von Stereo Total!« (Axel Ranisch)
Axel Ranisch wurde 1983 als dickes Kind zweier Leistungssportler in Berlin-Lichtenberg geboren. Mit 18 Jahren erkrankte er unheilbar am Virus Film. 2011 beendete er sein Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg mit dem No-Budget-Spielfilm Dicke Mädchen (geschätzte Produktionskosten: 517 Euro), der weltweit zahlreiche Preise gewann und für den FIRST STEPS Award nominiert war. Weitere Spielfilme folgten bald: Ich fühl mich Disco, Reuber, Alki Alki. Axel Ranisch war Mitautor der Rosa-von-Praunheim-Hommage Rosakinder und Mitbegründer der Produktionsfirma »Sehr gute Filme«. Seit 2013 inszeniert er außerdem Opern und verkörpert in der Krimireihe »Zorn« den fleißigen Kriminalkommissar Schröder.‹
Der Deutsche Nachwuchspreis FIRST STEPS wurde 1999 als private Initiative der Filmwirtschaft
von den Produzenten Bernd Eichinger und Nico Hofmann ins Leben gerufen. Er wird heute veranstaltet von der Deutschen Filmakademie e.V. mit Unterstützung der vier Gründungspartner UFA FICTION, Mercedes-Benz, ProSiebenSat.1 TV Deutschland und Spiegel TV. Allen gemeinsam ist der Wunsch, den Filmnachwuchs sinnvoll und effektiv zu fördern.«
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Der Süddeutschen tropfte fast der Speichel aus dem Mund vor Erregung: »Kurz vor seinem Tod« hechelte es, »plante Bernd Eichinger, Großträumer des deutschen Kinos, noch eine radikale Version des Nibelungenlieds. Vier Seiten aus seinem unverfilmten Drehbuch ›Zorn‹.
Mein Gott! Erschüttert wischten wir die Brille ab und lasen weiter, dass Eichinger ›schon in der Filmhochschule‹ das Skript ›Der Morgen von Walhalla‹ verfasste. Mitte der
Siebzigerjahre gab er das Projekt zunächst auf und ließ es ruhen. Offenbar wusste er schon, dass ihn die Götter durch die Urgründe deutscher Geschichte, durch Untergänge und Baader-Meinhof-Morgenröten führen würden, bevor sie ihn noch einmal schreiben ließen: ›Erst 2010 setzte er sich wieder daran, berichtet seine Witwe Katja Eichinger‹ – die, gar nicht wissen kann, ob er nicht auch in den Jahren zwischen 1974 und 2009 auch schon mal dransaß – ›und schrieb
ein neues Drehbuch mit dem Titel »Zorn«, dessen erste vier Seiten wir hier abbilden – Faksimile einer undatierten, nicht finalen Arbeitsfassung aus dem Bestand der Deutschen Kinemathek.‹ Unglaubliche Enthüllungen folgen: ›Das schöne Gesicht einer Frau BRUNHILD, ca 35. Sie sieht uns aus magisch anmutenden tiefblauen Augen DIREKT an. Ihr flachsfarbenes helles Haar ist zu dicken Zöpfen geflochten: »(Brunhild, bestimmt) Der Beginn birgt das Ende und das Ende den
Beginn« So gehts los, das Drehbuch »Zorn«, das das Herz des SZ-Erzählers erobert hat, und ihn zu dem Satz motiviert: »Das ist Eichinger pur, direkt und schnörkellos, schwelgerisch, fetischistisch ... Es geht um Radikalität, Maßlosigkeit, sehr viel Kampf und Tod...«
Man würde das Drehbuch gern lesen – es klingt eher wie Courths-Maler-Kitsch, ich kann nicht glauben, dass Eichinger solche Sätze verfilmt hätte.
Und ja, so soll das deutsche Kino sein: pur, direkt und
schnörkellos, schwelgerisch, fetischistisch, radikal, maßlos. Aber wann wären das Eichingers Filme je gewesen?‹«
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Ungleich gespannter erwarten wir am Freitag die Premiere der Nibelungenfestspiele in Worms, erstmals unter der Intendanz von Filmemacher Nico Hofmann. Gegeben wird das Stück »Gemetzel«, das der Münchner Autor Albert Ostermaier schrieb, inszeniert wird es von Regisseur Thomas Schadt. Eine spannende Kombination und Verschmelzung von Film und Theater. Und bestimmt weniger schwülstig, als die magisch anmutenden tiefblauen Augen von Eichingers Brunhilde mit ihrem flachsfarbenen hellen...
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Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also dem Radio geht es gut. Eigentlich. Aber während die Mediadaten gerade auch anspruchsvolle Radioredaktionen in ihrem Beharren auf Qualität unerwartet stärken, wird bei einem bestimmten Sender abgebaut: dem Bayerischen Rundfunk (BR). Bei BR-Mitarbeitern herrscht schon seit einiger Zeit Unruhe über die sogenannte »Programmreform«, der eine Strukturreform um das Wort »Trimedialität« herum beigemischt wird. Denn das schöne alte Wort Reform, das einmal Aufbruch, Fortschritt und Besserung verhieß, ist längst zum Codewort für das allgemeine Downsizing verkommen.
Beim BR sieht das mit der Reform dann so aus: Die in der Kinobranche hochangesehene bisherige Fernsehdirektorin Bettina Reitz verließ überraschend den Sender – nach nur fünf Jahren. Offenbar spielte es keine Rolle, dass sie viele Film-Preise nach München holte. Grund war nach allem was man hört, dass Wilhelm für sie nach der Strukturreform keinen Platz mehr hatte. Jetzt wird sie Präsidentin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film und kann beweisen, dass sie nicht, wie natürlich auch vom BR gestreut wird, »in allem gescheitert« ist.
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Überall wird der Rotstift angesetzt. Die Redaktionen müssen drei Prozent ihres Budgets einsparen, bei steigenden Kosten und steigenden Gebühren. Denn die sprudeln wie ein Fass beim Starkbieranstich. 1,5 Milliarden Euro Überschuss werden aus der »Haushaltsabgabe« genannten Rundfunkgebühr bis Ende 2016 erwartet. Doch das Geld liegt derzeit nicht bei den Sendern, sondern auf einem Sonderkonto.
Das dient BR-Intendant Ulrich Wilhelm als – willkommener? – Vorwand für eine radikale Umgestaltung des Senders. Gekürzt wird auch vom CSU-Mann Wilhelm einmal mehr bei der Kultur: Offiziell wird zwar von »neuen Gewichtungen« gesprochen, de facto aber geht es den letzten Literatursendungen des Bayerischen Fernsehens an den Kragen, »Lesezeichen« und »Lido« sollen zum Ende des Jahres eingestellt werden.
Gegen die Abschaffung richtet sich jetzt eine Petition von
Autoren, Kulturjournalisten, Verlagsleuten, Buchhändlern und Literaturinteressierten. Hier
kann man unterschreiben. Es muss schnell gehen, bereits an diesem Donnerstag, 30. Juli, soll im Rundfunkrat darüber entschieden werden.
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Eine weitere »neue Gewichtung« betrifft den Kanal BR Klassik. Die Philosophin und Journalistin Carolin Emcke berichtete in ihrer SZ-Kolumne vom Samstag darüber, dass es einen BR-Beschluss gibt, nachdem BR-Klassik seine KW-Frequenz zugunsten des BR-Jugendprogramms »Puls« verlieren soll. Was irgendwie lustig ist, weil gerade die Kids doch angeblich alle Digitalfunk und Internetradio hören, nicht Old-School-UKW.
Viel los ist aber offenbar nicht beim mit unglaublich viel
Gebührengeld propagierten Digitalfunk. Bislang hören gerade mal 2, 1 Prozent der bayerischen Bevölkerung digitales Radio.
Emcke fasst zudem alle Gründe zusammen, die klar machen, was für ein Wind beim BR weht, und wie der Sender seinen – nicht ökonomischen, sondern kulturellen, sozialen und politischen – Auftrag mit Füßen tritt. Treffend schreibt sie über das »kaum verhohlene ökonomische Kalkül, mit dem Jugendkanal die sogenannten werberelevanten Zielgruppen anzusprechen«, und dass dies kein relevantes Kriterium für eine öffentlich-rechtliche Anstalt sein sollte. Sie schreibt über den »Fetisch der Quote (oder seine rhetorische Hülle: die Reichweite)«.
»Quantität bezeugt an und für sich erst einmal nur Quantität. Sonst nichts. Es entspricht in Wirklichkeit auch nicht dem an die Gebührenfinanzierung gekoppelten Bildungsauftrag, das eigene grandiose Programm (und die Redakteurinnen und Redakteure, die es erstellen) absichtlich in die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit zu exilieren. Warum ein anspruchsvolles Programm nicht auch als ökonomische Strategie gedacht werden kann, wo es doch das ist, wofür die Sender bezahlt werden, bleibt ein Rätsel.«
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Und schließlich kommt das Kernargument, das über den BR hinaus gerade auch fürs Fernsehen gilt: Dass die Sender sich, offenbar ohne es zu merken, oder – schlimmer noch – sehenden Auges gerade selbst abschaffen. Denn Emcke schreibt auch, was passiert, wenn sich der Bayerische Rundfunk nicht noch einmal besinnt und sich der eigenen Stärken beraubt: »Ansonsten braucht es von 2018 an womöglich einfach einen Piraten-Sender für klassische Musik. Er könnte ›Radio Freie Klassik‹ oder ›Cool Classic Republic‹ oder ›Sender ohne Intendanz‹ heißen und klassische Musik in all ihrer beglückenden Schönheit, aber auch subversiven Kraft zeigen. Ein kreativer, lebendig-anspruchsvoller Piraten-Sender für alle Generationen, der, wie Hans Blumenberg es einmal in seinen ›Begriffen in Gedanken‹ formuliert hat, Bildung nicht als ›Arsenal‹ begreift, sondern als ›Horizont‹.«
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Nächste Woche in Locarno werden wir unseren Freund und Kollegen Ugo Brusaporco wiedersehen. Zuvor hat der italienische Tausendsassa aber auch noch sein eigenes Festival über die Bühne gebracht, das »San Giò Verona Video Festival«, dem er als »direttore e fondatore« vorsteht. Auch Verona meldet Ugo unter anderem folgende Preise: Beste Kurzfilm-Regie für Hinde Boujemaa und Et Romeo épousa Juliette (Tunisien/Belgien 2014), der offenbar ganz besonders nach Verona passt, »for the clever ironic game, between lightness and gravity, in portraying an intimate situation and social of great urgency.«
Bester Film wurde L’ultima voce, Guido Notari von Enrico Menduni (Italia, 2015). Begründung: »Through the story of a ›voice‹, the film reveals the traces of continuity between the Fascist Italy and that Republican, investigating the relationship between media and power, up to question the current technological revolution.«
Und den Preis mit dem besonders hübschen Titel: »Premio SOAVE WAYS« (For the film that best expresses the
sweetness of life) bekam Picking the musical von Gerard Veltre und Simon Green (Australia, 2014), »A delicate film that takes place in the vineyards of an Australian farm and that is a hymn to the joys of life: love, music, wine, friendship, communion and the mixture of people.«
(to be continued)
Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beobachtungen, Kurzkritiken, Klatsch und Filmpolitik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kinogehers.