Cinema Moralia – Folge 119
Spaltung auf allen Seiten |
||
Die DFFB – eine einmalige und die älteste Institution dieser Art in Deutschland | ||
(Foto: dffb) |
»Die Lage und der Ton an der ›Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin‹ (DFFB) eskalieren derzeit im Stundentakt. Am Mittwoch überschlugen sich die Pressemitteilungen vor allem von Studentenseite. Wir versuchen im Folgenden so weit wie möglich andere sprechen zu lassen, um zumindest die Standpunkte auch für Außenstehende zu klären und jene Fragen und Themenbereiche verständlicher zu machen, über die derzeit gestritten wird.«
+ + +
Die große Linie und Grundsatzfrage des derzeitigen Konflikts scheint klar zu sein: Macht es Sinn, einen Kandidaten zum Direktor zu ernennen, der unter den Studenten die geringste Unterstützung aller Kandidaten hat? Und: Was ist eigentlich die DFFB und was soll sie sein? Vielleicht muss diese zweite Frage auch geklärt werden, bevor die erste zu lösen ist?
+ + +
Vorab aber eine Klarstellung für jene Leser, denen es auch jetzt schon »zuviel DFFB« ist. Die DFFB ist nicht nur die älteste westdeutsche Filmschule und die wichtigste und einflussreichste Filmausbildungsstätte der Republik, sie ist auch eine einmalige Institution, die mit anderen Filmhochschulen kaum vergleichbar ist. Eine Akademie eben, getragen vom Grundsatz kreativer Freiheit, vom Interesse am künstlerischen Experiment und Wagemut, an Herausforderung.
So
verständlich der Überdruss an der grundsätzlichen Lähmung dieser Institution, an Nabelschau und Eitelkeiten, an manchen Wiederholungen, an Details, an inneren wie äußeren Blockaden, an schrillen Wortmeldungen ist, so wichtig ist die ganze Debatte und ihr Ausgang, und so aussagekräftig sind noch die unangenehmsten Begleiterscheinungen. Mir erscheint »Der Fall DFFB« repräsentativ für eine grundsätzliche Perspektivlosigkeit und Identitätskrise des deutschen Kinos, wie
für innere Grabenkämpfe, die sich zunehmend eher verhärten.
Die derzeitige heftige Krise an der DFFB und die Debatte um ihre Zukunft ist ein Fallbeispiel, das allgemeine, daher repräsentative Konflikte der deutschen Filmkultur der Gegenwart sichtbar macht. Klar wird hier etwa der grundsätzliche Konflikt zwischen den Polen Kino als Kunst und Kino als Industrie, zwischen der Lust am Experiment und der Abrichtung auf Konvention, zwischen Konsensfilmen und Dissensfilmen,
zwischen Irritationskino und Versöhnungskino, zwischen Publikumsorientierung und Autorenorientierung. So wie die Politiker den Umfragen hinterhecheln, statt Mehrheiten für Positionen durch Überzeugung zu gewinnen, so soll das deutsche Kino einem imaginären Publikumswillen und -geschmack nachlaufen, seine Zuschauer als Kunden begreifen, für die man sich schön macht, und auf den Strich. Klar ist das jetzt zu einfach und plakativ, aber es macht Tendenzen sichtbar.
+ + +
Klar wird auch die Ratlosigkeit aller Beteiligten. Klar wird eine erstaunliche Erwartung an Heilsbringer aus dem Ausland, ob sie nun Ben Gibson oder Bela Tarr heißen.
Klar wird das Defizit nicht nur in einer Filmausbildung, die einseitig auf Handwerk, nicht aber auf künstlerisches Selbstverständnis setzt, die zu wenig breite Filmbildung, auch historische Bildung und Vielseitigkeit vermitteln will, die nicht primär Unabhängigkeit und Widerstandsgeist von
Filmemachern im Blick hat, sondern pro Jahr einen Output von an die 100 »Filmemachern« hat, von denen die meisten gar nicht anders überleben können, denn als Industrieknechte.
Klar wird die enorme Übermacht von Fernsehen und Hollywood – die in der Zusammensetzung des Kuratoriums deutlich wird.
Klar wird die enorme Einmischung fachfremder Politik und Beamtenschaft, die sich als aktive Gestalter, Player und Veränderer begreifen, nicht als Möglichmacher und
Bereitsteller und für die gerade Kultur oft eine Spielwiese zur dilettantischen Selbstverwirklichung ist.
+ + +
Es wird viel berichtet und erzählt derzeit, es muss nicht alles stimmen. Es gibt auch latent hysterische Reaktionen auf allen Seiten, von Sitzungen, und Vollversammlungen der Studenten wie Dozenten mit Geschrei wird vielfach berichtet, von Tränen. Dozenten fühlen sich gemobbt, Studenten verraten.
Der Grund: Der ehemalige Leiter der London Film School, Ben Gibson, hat, wie berichtet, in der Findungskommission eine 4-2-Mehrheit erhalten. Diese Nachricht sickerte kurz nach der
entscheidenden Abstimmung am vorigen Donnerstag an der DFFB durch, und führte zu Reaktionen unter Befürwortern wie Gegnern der Entscheidung. Das die Entscheidung überhaupt bekannt wurde, kann nur durch einen Bruch der Verschwiegenheitsklauseln, durch mindestens eines der sechs Kuratoriumsmitglieder geschehen sein.
+ + +
Seitdem habe ich die verschiedensten Leute angesprochen, Freunde, Bekannte, Unbekannte. Beginnen wir mit Ben Gibson.
»Ich bin zur Zeit weder ernannt, noch gibt es einen Vertrag.« – Gibson geht auf Distanz, und will sich zur Sache derzeit lieber nicht äußern. Vor eine Woche war der Brite, wie berichtet, etwas voreilig und juristisch fragwürdig von einer Handvoll von Dozenten und Mitarbeitern der DFFB als neuer Direktor in einer persönlich gehaltenen Pressemitteilung
begrüßt worden. Falls sich das hier allein entscheidende DFFB-Kuratorium nicht derartigen privaten Vorabfestlegungen sowieso verweigert, muss es Gibson trotzdem erstmal berufen, und dafür müssen nicht nur juristische Formalien eingehalten werden, die einen Beschluss bei der Kuratoriumssitzung an diesem Freitag verhinderten. Es muss auch ein unterschriftsreifer Vertragsentwurf vorliegen – und nach dem Vorpreschen der elf Dozenten hat Gibson jetzt eine gute Position,
um viel für sich herauszuhandeln, und den Senat in die Klemme zu bringen. Denn Senatskanzleichef Björn Böhning braucht eine Lösung – wenn auch der dritte in Aussicht genommene Kandidat scheitern würde, verfestigte sich der Eindruck, er sei vielleicht nicht in der Lage, das Problem zu klären.
Eine direkte Interviewanfrage dazu hat Gibson abgelehnt. Mit der oben zitierten nachvollziehbaren Begründung, die zugleich all denen widerspricht, die in der Berufung des neuen
Direktors durch das Kuratorium nur noch eine Formalie sehen.
+ + +
Erkundigt man sich bei Freunden in London, die eng mit der britischen Filmbranche und/oder dem »British Filminstitute« verzahnt sind, dann ist das Bild Gibsons bislang durchweg positiv. Zum einen wird er da als ein »dyed-in-the-wool radical leftist« beschrieben, als ein sehr politischer Mensch beschrieben,
Man lobt seine »große Energie«, sowie »Enthusiasmus und Feuer«, er habe immerzu viele Ideen, obwohl er vielleicht darin nicht perfekt ist, sie auch zu kommunizieren. »Sein
Verstand arbeitet in verschlungenen Wegen, die eine Menge Charme und einiges Charisma entfalten.« (»His mind works in circuitous ways that create a lot of charm and some charisma.«) Über seine Management-Qualitäten konnten oder wollten meine britischen Quellen aber nichts aussagen. Allerdings spräche die Tatsache, dass er eine so dysfunktionale Organisation wie die London Film School so lange habe leiten können, für seine Hartnäckigkeit und seinen Kampfgeist. Er sei ein loyaler
Chef, und seine Mitarbeiter arbeiteten gern mit ihm.
+ + +
Warum also der Widerstand der Studenten? Mittlerweile ist durchgesickert, dass das Votum der Findungskommission gegen die Stimmen der beiden Studentenvertreter zustande gekommen war. Die haben übrigens für verschiedene Kandidaten gestimmt. Das ist wichtig, weil immer wieder behauptet wird, man wolle ja nur einen ganz bestimmten Kandidaten (Bela Tarr) durchsetzen.
Nun beginnt der gewählte Studentenrat, den Widerstand gegen Gibsons Berufung zu organisieren – mit
überwältigender Zustimmung. Ein denunziatorischer Brief, der dem Rat die Legitimation abspricht für die Studenten zu sprechen, ist anonym geblieben. »Wer weiß, ob das überhaupt ein Student geschrieben hat«, meint ein DFFB-Mitarbeiter auf Nachfrage.
»Wir sind keine bockigen Kinder« betont Susanne Heinrich, Sprecherin des Studentenrats, »es geht auch nicht um einen bestimmten Kandidaten, sondern um einen Kompromiss oder Konsens.« Man stört sich weniger daran, dass der
Studenten-Favorit nicht ernannt wurde, als dass man sich mit Gibson ausgerechnet für jenen Kandidaten entschied, der mit gerade mal sechs Prozent der Stimmen das niedrigste Votum erzielte, und 94% aller DFFB-Studenten gegen sich hat.
+ + +
Dieser Argumentation stimmen auch manche Dozenten zu. »Juristisch hat Böhning wahrscheinlich recht.« meint Regisseur Fred Kelemen, »Aber die Studierenden sind traditionell die entscheidende Kraft der Akademie. Es ist fragwürdig, ob jemand, der nur einen minimalen Zuspruch der Studenten hat, die existierenden Spaltungen überbrücken kann.«
Man wiederhole jetzt die Fehler der Schütte-Berufung, ist von anderer Seite zu hören, und ernenne einen Direktor, der nur die
Minderheit der Studenten auf seiner Seite hat. Auch eine Stimme aus dem Kreis jener elf Dozenten, die Gibson vor Wochenfrist begrüßt hatten, meint im vertraulichen Gespräch, bei der Ernennung des letzten Direktors Jan Schütte »wusste man vorher, was die Gefahr war, und ist sehenden Auges in die Katastrophe gegangen.« Natürlich sei Gibsons Berufung »ein Risiko« – das man aber eingehen sollte. Dazu gleich noch mehr.
+ + +
Eine bislang vollkommen vernachlässigte Frage ist die, wer überhaupt »die Dozenten« sind, deren Vertreterin die entscheidende Stimme pro-Gibson lieferte? »'Die Dozentenschaft' gibt es nicht.« meint einer, der selbst DFFB-Lehraufträge hat. Es kursieren 30 bis 50 Namen, aber es sei wenig transparent, wer wirklich dazugehöre.
Tatsächlich gibt es nur vier Festdozenten, die Regiedozentur ist – ein Skandal für sich – seit Jahren unbesetzt, alle anderen unterrichten
pro Jahr nur maximal ein paar Wochen an der Akademie. »Für die ist es egal, wer Direktor ist« hört man. Auch habe es »niemals eine repräsentative Abstimmung« unter den Dozenten gegeben, deren Votum für Gibson, unter Kollegen umstritten ist. Das liegt daran, dass offenbar einerseits nach der Vorstellung der Kandidaten, eine Mehrheit der Anwesenden für Gibson stimmte. Andererseits die Addition der Stimmen jener, die sich per Mail oder über Vertreter äußerten, zu einem Gleichstand
zwischen Gibson und Tarr führte. Deren Legitimation wiederum bestreiten manche.
Teilnehmer vergangener Dozentenversammlungen heben hervor, es seien immer 20-25 Dozenten anwesend gewesen, zwei Treffen mit nur fünf oder gar zwei Teilnehmern seien die Ausnahme. Aber eine gewisse »Erschöpfung« sei unverkennbar. Die Diskussionen und Abstimmungen über den Favoriten der Dozenten seien »sehr fair« verlaufen, über Vor-und Nachteile sei »ohne Hysterie, sehr sachlich« debattiert und
abgestimmt worden.
So oder so unterlag die Dozentenvertreterin keinem imperativen Mandat. Sie war also nicht verpflichtet, sich in ihrem Verhalten an wie immer gearteten Abstimmungsergebnissen zu orientieren.
+ + +
Es gibt manche, die argumentieren, die Voten der Dozenten sollten weniger stark ins Gewicht fallen. Andere, darunter auch Unterzeichner des Briefs der elf Dozenten und Mitarbeiter vom vergangenen Freitag, argumentieren, es sei ein Entgegenkommen, dass zwei Studentenvertretern in der Findungskommission nur ein Dozentenvertreter gegenüberstehe. Die Dozenten seien zum Teil schon Jahrzehnte an der DFFB, Studenten nur einige Jahre. Umgekehrt wird entgegengehalten, dass die meisten Dozenten unter vier Wochen im Jahr unterrichteten.
+ + +
Der »Brief der elf« Dozenten und Mitarbeiter findet jedenfalls keineswegs nur Zustimmung unter anderen Dozenten und Mitarbeiter. Das liegt zum einen an verschiedenen Interessen. Unterzeichnet wurde er unter anderem von den beiden Interimsdirektoren (Mitarbeiter) Edith Forster und Bodo Knapheide und von Michael Bertl, Jochen Brunow, Gerhard von Halem, Peter Rommel – die als Festdozenten eine Sonderrolle haben.
Der Brief vermittle den Eindruck, als würde hier im Namen
der Dozenten oder gar der Institution DFFB gesprochen, heißt es unter jenen Dozenten, die mit dem Brief nicht einverstanden sind. Da sei ein Direktor per willkürlichem Machtakt ausgerufen worden. »Das muss einen Grund haben, und den möchte ich auch gerne wissen.« sagt ein Mitglied der Dozentenschaft im Gespräch, »Warum haben sie das gemacht? Das ist mir völlig unklar. Denn sie schaden damit Gibson mehr, als sie ihm nutzen.«
+ + +
Warum? Und wer hat den Brief überhaupt geschrieben? Diese Frage habe ich mit anderen Nachfragen, acht der elf Unterzeichner bereits am Dienstagvormittag per Mail geschickt. Geantwortet haben genau jene, mit deren Reaktion ich auch gerechnet hatte. Manche haben auch nur gemailt, dass sie nichts dazu sagen wollten, was ja ihr gutes Recht ist. Andere haben etwas zu den Fragen geschrieben, oder am Telefon ausführlich gesprochen – was ich allen in jedem Fall hoch anrechne, gerade
weil klar ist, dass wir in diesen Fragen nicht einer Meinung sind.
Anonymität wird respektiert. Weil aber Jochen Brunow, Leiter der Drehbuchabteilung mir bereits öfters vorhielt, wie falsch alles sei, was ich über die DFFB schreibe, und man solle doch mal mit ihm reden, und ihn fragen, fand ich seine völlige Nichtreaktion überraschend.
Immerhin dem »Freitag« hat er die Gründe für den Brief genannt: Man habe den Studenten zuvorkommen wollen, ließ er sich zitieren, »es war klar,
dass sie keine Zurückhaltung üben.«
»Um ein Statement zu setzen von einer internen Seite, in der Erwartung, dass sich diverse dazu äußern.« ist auch von anderer Unterzeichner-Seite zu hören.
+ + +
»Ich hatte nichts dagegen.« äußert sich eine weitere Person aus dem Kreis der Unterzeichner moderater. Der Brief sei am Donnerstagabend entworfen und später noch einmal verändert worden, dann am Freitagmittag geschlossen worden, »weil es meinem Votum entsprach.« Die Verfasser sind einstweilen, unklar, klar scheint aber zu sein, dass der Brief im internen Kreis rund um Festdozenten und Interimsdirektion formuliert wurde.
Das Argument, dass dem Brief das Faktum zugrunde liegt,
dass von wem auch immer, die Schweigepflicht gebrochen wurde, ist für mindestens zwei der Unterzeichner kein Problem. Der Beschluss der Findungskommission habe einen offiziellen Charakter gehabt, »das kann ich mittragen«, und beide würden den Brief auch nach dem Wissen um die Folgen – wie die Verärgerung der Senatskanzlei und die Bedenken der Juristen – genauso wieder schreiben. »Es ging darum, Fakten zu schaffen. Wir haben Angst, dass so einer wie Gibson keine Chance
bekommt.«
+ + +
Allgemein ist der Wille zu erkennen, den Posten zu besetzen, und die Hängepartie zu beenden. »Alle reden von Transparenz« heißt es aus Kreisen der Gibson-Befürworter. »Aber wenn das demokratische Verfahren abgeschlossen wird, will man dessen Ergebnis nicht akzeptieren, und verfasst Drohbriefe.« Auch der harte Begriff »Stalinismus« fiel im Zusammenhang mit einigen Äußerungen des Studentenrats.
Manche Dozenten blicken lieber in die Zukunft. Die Gefahr einer Zusammenlegung
mit der Potsdamer Film-Uni werde »in fünf bis acht Jahren« wieder gegeben sein. »Mit Gibson haben wir jemand, der nach vorne geht.«
+ + +
Mit je mehr Dozenten und Mitarbeitern man spricht – immer nur nach Zusage für Vertraulichkeit –, um so deutlicher werden die Verwerfungen innerhalb der DFFB:
Regisseur Andres Veiel, ein weiterer Unterzeichner des umstrittenen Briefs, will sich zwar zur Sache nicht öffentlich äußern. Dafür aber zum »einmaligen Charakter der DFFB«: »Wir müssen diese einmaligen Freiheiten verteidigen. Ich bin froh, dass es hier keine Verschulung in Bachelor und Masterstudien
gibt.« meint Veiel.
In dieser Verteidigung der einmaligen Eigenheiten einer Filmakademie, mit ihren Ecken, Kanten und Mitbestimmung aller Seiten triff sich Veiel mit Kelemen: »Bevor man einen Kandidaten findet, muss man über seine Aufgabe reden.« sagt dieser, »Wir werden uns nie einigen können, weil jeder etwas anderes will, und weil alle Seiten nicht wissen, was die andere wirklich sucht.«
+ + +
Ein Wort noch zu den Medien. Sie halten sich in der Kommentierung stark zurück, mit ein paar Ausnahmen. In den meisten Fällen hätten auch diese besser geschwiegen.
+ + +
Da wäre zum einen ausgerechnet das »Neue Deutschland«. Man wundert sich sowieso schon seit langem, dass ein Blatt, das sich immerhin »sozialistische Tageszeitung« nennt, immer wieder Apologeten des schrankenlosen Kapitalismus über Film schreiben lässt. Jetzt schaltet sich Katharina Dockhorn kommentierend in die DFFB-Debatte ein – in einem Text, der vor sachlichen Fehlern und Einseitigkeiten nur so strotzt: Unter der Überschrift »Neuer Direktor nicht willkommen« am
18.10.2015.
Sachlich falsch ist
– »Am Freitag hieß die Findungskommission den Briten Ben Gibson in Berlin willkommen.« Falsch. Am Freitag wurde Gibson von elf Dozenten und Mitarbeiter willkommen geheißen. Keiner von ihnen gehört der Findungskommission an.
– Dagmar Jacobsen ist auch nicht Produzentin von Abendland.
– Béla Tarr ist auch kein »Gewinner des
Goldenen Bären 2011 mit Das Turiner Pferd«, und auch nicht 2010 oder 2012. Er gewann einen Silbernen Bären.
– Der Findungskommission besteht nicht, wie suggeriert wird, aus Andres Veiel, »Connie Walther sowie Peter Rommel«. Keiner von ihnen gehört oder gehörte der Findungskommission an.
Fazit: Die Autorin hat offenkundig nicht nur höchst schlampig geschrieben, der Text wirkt auch
so, als hätte sie allenfalls oberflächlichste Recherche betrieben.
Stattdessen gefällt sie sich in Polemik gegen »Teile des Feuilletons ... das bei Schwingel oder jetzt Gibsons den Untergang der Filmkunst an der dffb herbei phantasiert. Ein fataler Irrtum.«
Sie behauptet: »Die dffb hat ihre beste Ära seit Jahrzehnten hinter sich.« Seit wann genau? »Viele der von Studenten und einigen Kritikern favorisierten Kandidaten lehrten dort und konnten das Abrutschen der Hochschule in
die die Profillosigkeit nicht verhindern.« Wer lehrt dort?
Meint sie etwa die Dozenten Andres Veiel, Connie Walther, Peter Rommel, von denen sie zurecht ein paar Zeilen weiter schreibt: »Regisseure wie Andres Veiel oder Connie Walther sowie Peter Rommel ... sind über jeden Verdacht erhaben, einen Kandidaten zu küren, der einseitig das kommerzielle Kino präferiert und die Filmkunst missachtet.«
Weiter schreibt sie: »Die dffb braucht einen radikalen Neuanfang, für die ein
Außenstehender wie Gibson der ideale Kandidat wäre.« Weiß Frau Dockhorn nicht, dass auch Gibson an der DFFB gelehrt hat, und deren »Abrutschen ... in die Profillosigkeit nicht verhindern« (Dockhorn) konnte.
Weiter meint die Autorin, Gibson sei »nicht mit der deutschen Film- und Fernsehbranche eng verbandelt, die alle Hochschulen im Würgegriff hat. Was für deren Kreativität und Unabhängigkeit alles andere als förderlich ist.« Wen meint Frau Dockhorn? Vielleicht das
DFFB-Kuratorium, das Gibson berief, und aus Fernsehvertretern und einem Altproduzenten besteht?
Schließlich »Nachdem der Vertrag mit Pölsner nicht zustande kam ... Ralph Schwingel ... gab nach einigen Wochen des Gezerres um seine Person entnervt auf.« Warum, Frau Dockhorn? Kein Wort über gefälschte Bewerbungsschreiben, über die erfolgreiche einstweilige Verfügung einer Mitbewerberin, über Gerichtsurteile, über die Dozentenvertreter, die die Studenten unterstützten. Nur
Gezerre durch Studenten?
Über die schreibt die Autorin im Oberlehrerton, »Sie müssen sich langsam fragen lassen, warum sie sich überhaupt für ein Studium an der dffb entschieden haben und weiter machen, wenn ihnen die Ausbildung derart gegen die Strich geht.«
Man kann nur fassungslos den Kopf schütteln. Katharina Dockhorn sollte sich langsam fragen, warum sie sich für den Journalismus entschieden hat, wenn ihr das Handwerk offenbar derart gegen die Strich geht.
Ein haltloser Text,
den wir nur als Beispiel für die Oberflächlichkeit der meisten Berichterstattung über die DFFB zitieren, als Beispiel für Medien, die ihre Informationspflicht vernachlässigen und ihre Kontrollaufgabe nicht wahrnehmen.
+ + +
Ein bisschen besser ist der Blog von »Blickpunkt Film«, der bekannt branchenhörig ist, und hierbei wieder eher kein expliziter Freund der Filmförderung, dafür um so enger verbunden mit Produzenten und Fernsehsendern. Man ist also Partei und entsprechend wird hier auch kommentiert. Interessierte Kreise hätten es nicht besser zuflüstern können.
Nehmen wir die Meldung am Montag, den 19.10., in der es nach dem Brief der elf Dozenten um Schadensbegrenzung geht: »Man darf
sich durchaus fragen, was die Dozenten der dffb geritten haben mag, ihren designierten neuen Direktor Ben Gibson öffentlich an der Akademie willkommen zu heißen, bevor er tatsächlich vom Kuratorium bestätigt wurde.« Dem kann ich nur zustimmen. Dann folgt die wohlwollende Interpretation, die schon im Deutschaufsatz der 12. Klasse zu Punktabzug führen würde: »Zu vermuten wäre, dass hier schlicht großer Erleichterung Ausdruck verliehen wurde. Erleichterung über das absehbare Ende
eines schier endlosen Prozesses, in dessen Rahmen sich kaum eine Seite ausschließlich mit Ruhm bekleckert hatte« Ohhhh ja.
Dann wieder brennende Sorge: »Wohlüberlegt war der verfrühte Schritt jedenfalls kaum. Schließlich durfte man erwarten, dass selbst kleinste Unregelmäßigkeiten in diesem zweiten Auswahlverfahren wütende Reaktion jener auslösen würden, die sich nach der Abstimmung einmal mehr als Unterlegene fühlen.«
Und dann wird rhetorisch Beton gerührt: »Wie dem auch
sei: Die Bestätigung Ben Gibsons durch das Kuratorium wäre durch die vorschnelle Erklärung der Dozenten nicht wirklich mit einem Makel behaftet. Kaum jemand wird ernsthaft annehmen, dass die für kommenden Freitag vorgesehene Entscheidung – zumindest ursprünglich geradezu eine Formalie – hierdurch entscheidend beeinflusst worden wäre.«
Ach ja? Die Zeilen offenbaren mehr vom Demokratieverständnis eines Mediums, das eigentlich unparteiisch berichten oder Anwalt
der schwächeren Seite sein sollte, hier aber eher auf einer Ebene mit den rechtspopulistischen Herren Erdogan und Orban liegt. Demokratie heißt nämlich mehr als nur »Mehrheit hat recht«. Es bedeutet Schutz von Minderheiten und Achtung vor deren Positionen, vor allem aber »Legitimation durch Verfahren« (Niklas Luhmann). Gerade im Fall DFFB war auf Verfahrensfragen von allen Seiten viel Einsatz verwendet worden, und Verfahrensfehler und -manipulationen hatten eine Ernennung
scheitern lassen. Noch ein Grund mehr, also diesmal auf Einhaltung des Procedere größten Wert zu legen.
Es geht eben nicht (nur) darum, wer neuer Direktor wird, sondern auch wie. Darin, dass er dieses Verfahren tangiert, liegt jenseits aller inhaltlichen Differenzen, die Hauptproblematik des Briefs der Dozenten.
+ + +
Auch dies alles, eigentlich unnötig zu betonen, ist nur eine Zwischenbilanz. Einstweilen noch einmal ausdrücklich herzlichen Dank an alle Gesprächspartner für ihre Offenheit und ihr Vertrauen.
Nachtrag:
Wie gewohnt Freitag vor Redaktionsschluß, diesmal sogar um 15.47 Uhr (aber wir waren schon vorbereitet, liebe Kollegen von AIM-PR), flatterte die nächste DFFB-Mitteilung herein:
»Das Kuratorium der DFFB teilt mit:
Das Kuratorium der DFFB hat sich in seiner Sitzung am 23. Oktober 2015 einstimmig für den Vorschlag der Findungskommission ausgesprochen, Ben Gibson als neuen Direktor und Geschäftsführer der DFFB zu berufen. Der Vorsitzende, Björn Böhning, wurde
beauftragt, in Vertragsverhandlungen einzutreten.«
Und weiter: »Über die Bestellung von Herrn Gibson zum Direktor und Geschäftsführer der DFFB GmbH und den Abschluss eines Anstellungsvertrages wird das Kuratorium der DFFB in einer weiteren Sitzung beschließen. Wie das einvernehmlich verabredete Verfahren vorsieht, werden an dieser ›Berufungssitzung‹ erneut je ein Dozenten- und Studierendenvertreter (ohne Stimm- aber mit Rederecht) teilnehmen.«
(To be continued)