Cinema Moralia – Folge 118
The Man from London |
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Ben Gibson (links), Mike Leigh und Jan Schütte bei einem Empfang an der DFFB, 2012 | ||
(Foto: privat) |
»Rules will set you free«
Ben Gibson, in seiner Bewerbung
»Wow sind die doof!« – so die spontane Reaktion einer Studentin der DFFB, als sie die Pressemitteilung ihrer Hochschule vom vergangenen Freitag erreichte. Eine Mischung aus Glück über die Fehler des Gegners, und Entsetzen über den handwerklichen Dilettantismus derjenigen, die doch Lehrkräfte sein möchten, die behaupten, den Studenten etwas beibringen zu können.
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Wenn jemand am frühen Freitagnachmittag eine Pressemitteilung verschickt, ärgern sich Journalisten. Denn dann ist die Absicht sonnenklar: Da will jemand manipulieren und die Presse für seine Interessen instrumentalisieren. Denn dann will man noch gerade früh genug sein, um mit der eigenen Nachricht noch gedruckt zu werden, aber zu spät, als dass man nachfragen, und selber recherchieren, möglicherweise gar Gegenstimmen einfangen könnte. Man soll die Kröte einfach schlucken. Denn um 15 Uhr, spätestens 16 Uhr ist überall Redaktionsschluss. Und dann würde die eigene Mitteilung drei Tage lang unwidersprochen stehenbleiben.
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Das war offenbar die Kalkulation bei den Verantwortlichen für jenen Schrieb von elf DFFB-Dozenten, darunter die derzeitige Interimsleitung der Berliner Filmhochschule, als sie am Freitagnachmittag um 13.47 Uhr einen als »Mitteilung der DFFB zur Direktorensuche« betitelten Brief durch den Presseverteiler der DFFB schicken ließen.
Darin wird in Jubelperserton Ben Gibson willkommen geheißen, und behauptet, Gibson sei »gefunden« worden.
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Der ganze Brief ist höchst dubios: Er trägt keinen offiziellen Absender, ist also offensichtlich eine Privatinitiative, aber auf Hochschulbriefpapier und versandt von der im Auftrag von Senat bzw. DFFB arbeitenden Presseagentur. Bisher wurde von Seiten der Senatskanzlei die »Findung« oder gar »Berufung« Gibsons nicht bestätigt, und auch anderes aus der Arbeit der Findungskommission nicht kommuniziert. Björn Böhning, der als Senatskanzleichef formal für die als
privatrechtliche GmbH vom Berliner Senat getragene DFFB verantwortlich ist, war nach unseren Recherchen nicht über die Mitteilung informiert – eine irritierende Tatsache.
Ganz davon abgesehen, dass es überaus schlechter Stil ist, dass die anderen Kandidaten ihre Nichtberufung aus der Presse erfahren.
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Der wichtigste Haken aber ist: Es gibt bislang gar keine Berufung! Bisher hat das zuständige Kuratorium der DFFB noch gar keinen rechtsgültigen Beschluss gefasst. Für den Abschluss des Verfahrens wären nicht nur Vertragsverhandlungen und ein unterschriftsreifes Papier nötig, sondern auch eine Anhörung der Dozenten- und Studentenvertreter. Zu beidem ist es bisher nicht gekommen. Es gibt offenbar nur die Empfehlung einer Findungskommission.
Da niemand von seiner
Schweigepflicht entbunden wurde, handelt es sich entweder um eine Falschmeldung (das ist wenig wahrscheinlich) oder darum, dass einer oder eine aus der Findungskommission ihre Schweigepflicht gebrochen hat.
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Unterzeichnet ist dieser Brief von elf Dozenten-Namen, die wir hier in der dem Papier entsprechenden Reihenfolge nennen möchten: Michael Bertl; Jochen Brunow; Maria Teresa Camoglio; Edith Forster; Cornelia Hermann; Bodo Knapheide; Petra Lüschow; Peter Rommel; Andres Veiel; Gerhard von Halem; Connie Walther. Ein wildes Gemisch aus Stilen und Geschmäckern, Kompetenz und Inkompetenz, Bekannten und Unbekannten, langjährigen und eher neuen DFFB-Dozenten, die vor allem die eine Tatsache verbindet, dass die meisten von ihnen – mit den deutlich zu benennenden Ausnahme Hermann, Veiel und Walther – bei der Mehrheit der Studenten kein großes Vertrauen genießen. Edith Forster und Bodo Knappheide bilden die Interimsdirektion der DFFB. Zumindest Forster hätte als Juristin wissen sollen, dass sie mit einem solchen Schreiben die ihr anvertraute Institution einmal mehr in rechtlich gefährliches Fahrwasser manövriert.
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Wie dumm kann man eigentlich sein? So fragten sich seit Freitag viele Beobachter, die seit Jahren mit ansehen müssen, wie es mit der angesehenen und einmaligen Institution DFFB aufgrund schwacher Führung und innerer Grabenkämpfe immer weiter bergab geht. Egal welcher Ansicht man in der Direktorenfrage ist – viele eint das Entsetzen über den Dilettantismus und die handwerklichen Defizite. Das wahre Problemfeld der Berliner Filmschule liegt nun offen zutage – es ist die Spaltung innerhalb der DFFB. Wir müssen uns daher auch öffentlich bei Björn Böhning entschuldigen. Denn tatsächlich sind nicht er und der Senat bei all ihren Fehlern die Hauptverantwortlichen für die Misere der DFFB. Es ist die DFFB selbst. Zu viele Beteiligte können und wollen Regeln, in diesem Fall die mühsam ausgehandelten Spielregeln eines ohnehin belasteten, demokratischen Verfahrens, nicht akzeptieren. Das hat spätestens der vergangene Freitag belegt.
Böhning wollte, wie von verschiedenen Seiten zu hören ist, offenbar selbst irgendwann eine Doppelspitze aus Gibson und Tarr. Das wollte aber zumindest Bela Tarr nicht – tatsächlich ist der Vorschlag dieser Doppelspitze selbst doppelgesichtig: Einerseits die ideale Verbindung zweier Extreme, andererseits ein Misstrauensvotum gegen beide Kandidaten mit echten Chancen. Man traut offenbar weder Gibson noch Tarr zu, die Schule allein leiten und befriedigen zu können.
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Das Vorpreschen der Dozenten bringt nämlich Böhning nun in neue Schwierigkeiten. Zum einen könnte das komplette Verfahren damit ein weiteres Mal hinfällig geworden sein, da offensichtlich mindestens ein Mitglied der Findungskommission seine Schweigepflicht verletzt hat. Zum Zweiten belastet die vorzeitige Bekanntgabe die anstehenden Vertragsverhandlungen.
Ü bergangene Kandidaten könnten gegen die Verfahrensfehler vorgehen – im Frühjahr hatte die Kamerafrau
Sophie Maintingneux bereits mit ähnlichen Argumenten erfolgreich vor dem Berliner Landgericht geklagt, und das Nachfolgeverfahren gekippt. Auch Vertreter der Studenten kündigen rechtliche Schritte an.
In ihrer ersten schriftlichen Stellungnahme zu den neuen Ereignissen fürchten sie vor allem um »die Integrität der DFFB«. Denn es geht an der DFFB längst nicht mehr allein um die vakante Direktorenstelle oder einen Richtungsstreit. Es geht um Niveaufragen. Die jedes
Vergleichs spottenden Vorgänge um deren Neubesetzung während des letzten Jahres werfen auch ein Licht auf das Ganze. Und gerade der genannte Brief macht die Öffentlichkeit unfreiwillig auch auf andere Dinge aufmerksam: Auf Spaltungen innerhalb der DFFB, zwischen Dozenten, Angestellten und Studenten, aber auch zwischen Kuratorium und Hochschule.
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Noch einmal muss man daran erinnern, dass das Kuratorium, eine Art DFFB-Aufsichtsrat mit entscheidender Funktion in Personalfragen, für dessen Besetzung allein die Senatskanzlei die Verantwortung trägt, auch nach Ansicht der allermeisten Dozenten (nach Ansicht der Studenten sowieso) einseitig wie falsch besetzt ist.
Zur Erinnerung: Dem Kuratorium gehört kein Regisseur an, kein Drehbuchautor, kein Kameramann, kein aktiver Produzent.
Einziger Filmemacher ist nur der
fast 80-jährige Eberhard Junkersdorff, der sich vor einigen Jahrzehnten große Verdienste um das deutsche Kino erworben hat, aber in den letzten 20 Jahren doch vor allem in Gremien saß. Überhaupt produziert hat er zuletzt vor acht Jahren, einen Nachwuchsfilm produziert hat er zuletzt vor 15 Jahren – es ist eine Schande, dass eine solche mit dem Nachwuchs und aktuellem Kino völlig unverbundene Figur über zentrale Fragen der Filmausbildung entscheiden darf. Damit, dass er die
Aufgabe annimmt, tut er sich selbst am wenigsten einen Gefallen.
Kein deutscher Verleiher, sondern in der Position eines Vertreters der deutsche Angestellte eines Hollywood-Studios, das noch nie einen DFFB-Abschlußfilm verliehen hat: Martin Bachmann von Sony Pictures Deutschland.
Zwei Fernsehvertreter, Dr. Claudia Nothelle (RBB) und Claudia Tronnier (ZDF), die als Leiterin des Kleinen Fernsehspiels im Kuratorium wahrscheinlich zusammen mit Kirsten Niehuus (Chefin des
Medienboard Berlin-Brandenburg) von den Kuratoriumsmitgliedern wahrscheinlich noch am nächsten am Nachwuchs und am aktuellen Kino dran ist.
Daneben Politiker und Beamte, die von Film und Filmausbildung – mit allem Respekt – keine Ahnung haben: Björn Böhning (Chef der Senatskanzlei), Iris Brockmann (Senatsverwaltung für Finanzen), als Vertreter: Dr. Dietrich Reupke (Senatskanzlei), Günter Schulz (Senatsverwaltung für Finanzen).
Weitere Vertreter sind:
Prof. Regina Ziegler (Ziegler Filmproduktion), Philipp Steffens (RTL).
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Auch diese Liste liest sich wie ein schlechter Witz. Allerdings darf man gespannt sein, ob sich das Kuratorium nun von den elf DFFB-Dozenten per Pressemitteilung vorschreiben lässt, wen sie zu ernennen haben.
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Keine Frage: Diese neueste Entwicklung beschädigt nicht zuletzt auch Ben Gibson. Und das hat der designierte neue Direktor nicht verdient. Hört man sich in London um, ist eigentlich durchweg nur Positives über Gibson zu erfahren. Dazu mehr, wie auch über die allerneuesten Entwicklungen, bereits an diesem Donnerstag.
(To be continued)