22.10.2015
Cinema Moralia – Folge 118

The Man from London

Empfang an der DFFB 2012
Ben Gibson (links), Mike Leigh und Jan Schütte bei einem Empfang an der DFFB, 2012
(Foto: privat)

Ben Gibson soll nun also angeblich der neue Direktor an der DFFB werden – aber einmal mehr steht die Berufung auf wackeligen Füßen. Das wahre Problemfeld der Berliner Filmschule liegt nun offen zutage – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 118. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Rules will set you free«
Ben Gibson, in seiner Bewerbung

»Wow sind die doof!« – so die spontane Reaktion einer Studentin der DFFB, als sie die Pres­se­mit­tei­lung ihrer Hoch­schule vom vergan­genen Freitag erreichte. Eine Mischung aus Glück über die Fehler des Gegners, und Entsetzen über den hand­werk­li­chen Dilet­tan­tismus derje­nigen, die doch Lehr­kräfte sein möchten, die behaupten, den Studenten etwas beibringen zu können.

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Wenn jemand am frühen Frei­tag­nach­mittag eine Pres­se­mit­tei­lung verschickt, ärgern sich Jour­na­listen. Denn dann ist die Absicht sonnen­klar: Da will jemand mani­pu­lieren und die Presse für seine Inter­essen instru­men­ta­li­sieren. Denn dann will man noch gerade früh genug sein, um mit der eigenen Nachricht noch gedruckt zu werden, aber zu spät, als dass man nach­fragen, und selber recher­chieren, mögli­cher­weise gar Gegen­stimmen einfangen könnte. Man soll die Kröte einfach schlucken. Denn um 15 Uhr, spätes­tens 16 Uhr ist überall Redak­ti­ons­schluss. Und dann würde die eigene Mittei­lung drei Tage lang unwi­der­spro­chen stehen­bleiben.

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Das war offenbar die Kalku­la­tion bei den Verant­wort­li­chen für jenen Schrieb von elf DFFB-Dozenten, darunter die derzei­tige Inte­rims­lei­tung der Berliner Film­hoch­schule, als sie am Frei­tag­nach­mittag um 13.47 Uhr einen als »Mittei­lung der DFFB zur Direk­to­ren­suche« beti­telten Brief durch den Pres­se­ver­teiler der DFFB schicken ließen.
Darin wird in Jubel­per­serton Ben Gibson will­kommen geheißen, und behauptet, Gibson sei »gefunden« worden.

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Der ganze Brief ist höchst dubios: Er trägt keinen offi­zi­ellen Absender, ist also offen­sicht­lich eine Privat­in­itia­tive, aber auf Hoch­schul­brief­pa­pier und versandt von der im Auftrag von Senat bzw. DFFB arbei­tenden Pres­se­agentur. Bisher wurde von Seiten der Senats­kanzlei die »Findung« oder gar »Berufung« Gibsons nicht bestätigt, und auch anderes aus der Arbeit der Findungs­kom­mis­sion nicht kommu­ni­ziert. Björn Böhning, der als Senats­kanz­lei­chef formal für die als privat­recht­liche GmbH vom Berliner Senat getragene DFFB verant­wort­lich ist, war nach unseren Recher­chen nicht über die Mittei­lung infor­miert – eine irri­tie­rende Tatsache.
Ganz davon abgesehen, dass es überaus schlechter Stil ist, dass die anderen Kandi­daten ihre Nicht­be­ru­fung aus der Presse erfahren.

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Der wich­tigste Haken aber ist: Es gibt bislang gar keine Berufung! Bisher hat das zustän­dige Kura­to­rium der DFFB noch gar keinen rechts­gül­tigen Beschluss gefasst. Für den Abschluss des Verfah­rens wären nicht nur Vertrags­ver­hand­lungen und ein unter­schrifts­reifes Papier nötig, sondern auch eine Anhörung der Dozenten- und Studen­ten­ver­treter. Zu beidem ist es bisher nicht gekommen. Es gibt offenbar nur die Empfeh­lung einer Findungs­kom­mis­sion.
Da niemand von seiner Schwei­ge­pflicht entbunden wurde, handelt es sich entweder um eine Falsch­mel­dung (das ist wenig wahr­schein­lich) oder darum, dass einer oder eine aus der Findungs­kom­mis­sion ihre Schwei­ge­pflicht gebrochen hat.

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Unter­zeichnet ist dieser Brief von elf Dozenten-Namen, die wir hier in der dem Papier entspre­chenden Reihen­folge nennen möchten: Michael Bertl; Jochen Brunow; Maria Teresa Camoglio; Edith Forster; Cornelia Hermann; Bodo Knapheide; Petra Lüschow; Peter Rommel; Andres Veiel; Gerhard von Halem; Connie Walther. Ein wildes Gemisch aus Stilen und Geschmä­ckern, Kompetenz und Inkom­pe­tenz, Bekannten und Unbe­kannten, lang­jäh­rigen und eher neuen DFFB-Dozenten, die vor allem die eine Tatsache verbindet, dass die meisten von ihnen – mit den deutlich zu benen­nenden Ausnahme Hermann, Veiel und Walther – bei der Mehrheit der Studenten kein großes Vertrauen genießen. Edith Forster und Bodo Knapp­heide bilden die Inte­rims­di­rek­tion der DFFB. Zumindest Forster hätte als Juristin wissen sollen, dass sie mit einem solchen Schreiben die ihr anver­traute Insti­tu­tion einmal mehr in rechtlich gefähr­li­ches Fahr­wasser manö­vriert.

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Wie dumm kann man eigent­lich sein? So fragten sich seit Freitag viele Beob­achter, die seit Jahren mit ansehen müssen, wie es mit der ange­se­henen und einma­ligen Insti­tu­tion DFFB aufgrund schwacher Führung und innerer Graben­kämpfe immer weiter bergab geht. Egal welcher Ansicht man in der Direk­to­ren­frage ist – viele eint das Entsetzen über den Dilet­tan­tismus und die hand­werk­li­chen Defizite. Das wahre Problem­feld der Berliner Film­schule liegt nun offen zutage – es ist die Spaltung innerhalb der DFFB. Wir müssen uns daher auch öffent­lich bei Björn Böhning entschul­digen. Denn tatsäch­lich sind nicht er und der Senat bei all ihren Fehlern die Haupt­ver­ant­wort­li­chen für die Misere der DFFB. Es ist die DFFB selbst. Zu viele Betei­ligte können und wollen Regeln, in diesem Fall die mühsam ausge­han­delten Spiel­re­geln eines ohnehin belas­teten, demo­kra­ti­schen Verfah­rens, nicht akzep­tieren. Das hat spätes­tens der vergan­gene Freitag belegt.

Böhning wollte, wie von verschie­denen Seiten zu hören ist, offenbar selbst irgend­wann eine Doppel­spitze aus Gibson und Tarr. Das wollte aber zumindest Bela Tarr nicht – tatsäch­lich ist der Vorschlag dieser Doppel­spitze selbst doppel­ge­sichtig: Einer­seits die ideale Verbin­dung zweier Extreme, ande­rer­seits ein Miss­trau­ens­votum gegen beide Kandi­daten mit echten Chancen. Man traut offenbar weder Gibson noch Tarr zu, die Schule allein leiten und befrie­digen zu können.

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Das Vorpre­schen der Dozenten bringt nämlich Böhning nun in neue Schwie­rig­keiten. Zum einen könnte das komplette Verfahren damit ein weiteres Mal hinfällig geworden sein, da offen­sicht­lich mindes­tens ein Mitglied der Findungs­kom­mis­sion seine Schwei­ge­pflicht verletzt hat. Zum Zweiten belastet die vorzei­tige Bekannt­gabe die anste­henden Vertrags­ver­hand­lungen.
Ü bergan­gene Kandi­daten könnten gegen die Verfah­rens­fehler vorgehen – im Frühjahr hatte die Kame­ra­frau Sophie Main­tingneux bereits mit ähnlichen Argu­menten erfolg­reich vor dem Berliner Land­ge­richt geklagt, und das Nach­fol­ge­ver­fahren gekippt. Auch Vertreter der Studenten kündigen recht­liche Schritte an.
In ihrer ersten schrift­li­chen Stel­lung­nahme zu den neuen Ereig­nissen fürchten sie vor allem um »die Inte­grität der DFFB«. Denn es geht an der DFFB längst nicht mehr allein um die vakante Direk­to­ren­stelle oder einen Rich­tungs­streit. Es geht um Niveauf­ragen. Die jedes Vergleichs spot­tenden Vorgänge um deren Neube­set­zung während des letzten Jahres werfen auch ein Licht auf das Ganze. Und gerade der genannte Brief macht die Öffent­lich­keit unfrei­willig auch auf andere Dinge aufmerksam: Auf Spal­tungen innerhalb der DFFB, zwischen Dozenten, Ange­stellten und Studenten, aber auch zwischen Kura­to­rium und Hoch­schule.

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Noch einmal muss man daran erinnern, dass das Kura­to­rium, eine Art DFFB-Aufsichtsrat mit entschei­dender Funktion in Perso­nal­fragen, für dessen Besetzung allein die Senats­kanzlei die Verant­wor­tung trägt, auch nach Ansicht der aller­meisten Dozenten (nach Ansicht der Studenten sowieso) einseitig wie falsch besetzt ist.
Zur Erin­ne­rung: Dem Kura­to­rium gehört kein Regisseur an, kein Dreh­buch­autor, kein Kame­ra­mann, kein aktiver Produzent.
Einziger Filme­ma­cher ist nur der fast 80-jährige Eberhard Junkers­dorff, der sich vor einigen Jahr­zehnten große Verdienste um das deutsche Kino erworben hat, aber in den letzten 20 Jahren doch vor allem in Gremien saß. Überhaupt produ­ziert hat er zuletzt vor acht Jahren, einen Nach­wuchs­film produ­ziert hat er zuletzt vor 15 Jahren – es ist eine Schande, dass eine solche mit dem Nachwuchs und aktuellem Kino völlig unver­bun­dene Figur über zentrale Fragen der Filmaus­bil­dung entscheiden darf. Damit, dass er die Aufgabe annimmt, tut er sich selbst am wenigsten einen Gefallen.
Kein deutscher Verleiher, sondern in der Position eines Vertre­ters der deutsche Ange­stellte eines Hollywood-Studios, das noch nie einen DFFB-Abschluß­film verliehen hat: Martin Bachmann von Sony Pictures Deutsch­land.
Zwei Fern­seh­ver­treter, Dr. Claudia Nothelle (RBB) und Claudia Tronnier (ZDF), die als Leiterin des Kleinen Fern­seh­spiels im Kura­to­rium wahr­schein­lich zusammen mit Kirsten Niehuus (Chefin des Medi­en­board Berlin-Bran­den­burg) von den Kura­to­ri­ums­mit­glie­dern wahr­schein­lich noch am nächsten am Nachwuchs und am aktuellen Kino dran ist.
Daneben Politiker und Beamte, die von Film und Filmaus­bil­dung – mit allem Respekt – keine Ahnung haben: Björn Böhning (Chef der Senats­kanzlei), Iris Brockmann (Senats­ver­wal­tung für Finanzen), als Vertreter: Dr. Dietrich Reupke (Senats­kanzlei), Günter Schulz (Senats­ver­wal­tung für Finanzen).
Weitere Vertreter sind: Prof. Regina Ziegler (Ziegler Film­pro­duk­tion), Philipp Steffens (RTL).

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Auch diese Liste liest sich wie ein schlechter Witz. Aller­dings darf man gespannt sein, ob sich das Kura­to­rium nun von den elf DFFB-Dozenten per Pres­se­mit­tei­lung vorschreiben lässt, wen sie zu ernennen haben.

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Keine Frage: Diese neueste Entwick­lung beschä­digt nicht zuletzt auch Ben Gibson. Und das hat der desi­gnierte neue Direktor nicht verdient. Hört man sich in London um, ist eigent­lich durchweg nur Positives über Gibson zu erfahren. Dazu mehr, wie auch über die aller­neu­esten Entwick­lungen, bereits an diesem Donnerstag.

(To be continued)