Cinema Moralia – Folge 117
Angst vor Transparenz? |
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Björn Böhning – der Feind einer ganzen Generation zukünftiger Filmemacher? | ||
(Foto: Landesarchiv Berlin) |
Was ist jetzt eigentlich an der DFFB los? Drei Wochen ist es jetzt schon wieder her, dass sich fünf Kandidaten für den Direktorenposten den Dozenten, Studenten und der offiziellen Findungskommission der Berliner Filmschule vorgestellt hatten. Und jetzt? Was ist passiert? Öffentlich herrscht Schweigen im Walde, weder der zuständige Senat noch die DFFB-Offiziellen lassen von sich hören. Bisher war die Geschichte der Neubesetzung des Direktorenpostens eine peinliche
Aneinanderreihung von Fehlleistungen und Fehleinschätzungen, von Gemauschel und Gekungel. Nun scheint alles auch zu einem Lehrstück in Intransparenz zu werden.
Zudem kommen jetzt neue Informationen zu zwei Direktorenkandidaten ans Licht.
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Der Reihe nach. Fakt ist erstens: Proteste der Studenten verhinderten die vom Senat beabsichtigte Berufung des völlig unbekannten Julian Pösler im Dezember 2014.
Fakt ist zweitens: Ein – nicht vom Bewerber – vordatiertes, also manipuliertes Bewerbungspapier führte zum Rückzug der Bewerbung des vom Kuratorium wiederum gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit von Studenten und Dozenten der DFFB favorisierten Produzenten Ralph Schwingel.
Fakt ist drittens:
die von Teilen des Kuratoriums abgelehnte Bewerberin Sophie Maintigneux hat erfolgreich gegen Verfahrenfehler durch den Senat geklagt.
Fakt ist viertens: Die Unfähigkeit des Senats trotz zahlreicher Kompromissangebote dieses Verfahren zu verhindern führte zu der – erfreulichen – Tatsache, dass ein deutsches Gericht rechtsgültig festgestellt, dass das Grundgesetz auch für die DFFB gilt, dass diese wie jede andere Hochschule zu behandeln sei, auch wenn es
sich um eine privatrechtlich organisierte GmbH handelt, und das es geheime Verfahren mit aus dem Hut gezauberten Kandidaten nicht geben darf. Damit hat man den Senat auf Kriterien und Transparenz festgelegt, die er bisher betont nicht anlegen wollte.
Bisher war an der DFFB alles erlaubt, solange keiner klagte. Bisher war die Besetzung des Kuratoriums kein öffentliches Thema. Bisher waren im Gesellschaftsvertrag der DFFB keine Verfahren festgelegt.
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Fakt ist weiter: Das Besetzungsverfahren wurde im Sommer wieder aufgerollt, nachdem es zu einer Vereinbarung über das Verfahren zwischen Studenten, Dozenten und Senat kam,. Diese Vereinbarung ist nahezu komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden. Sie findet sich auf keiner offiziellen Website von Senat oder DFFB mehr, obwohl sie doch die – auch juristische Grundlage – ist. Obwohl sie auch den Mitgliedern der Findungskommission und dem Kuratorium vorliegt.
Das kann man nicht mehr wohlwollend interpretieren, sondern nur so, dass offenbar ein Interesse daran besteht, die Beschlüsse vergessen zu machen.
Aber längst sollte zumindest dem Netzpoltiker Böhning doch klar sein, dass das Netz nichts vergisst. Schon gar nichts von der DFFB.
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Es heißt zum Auswahlverfahren – nach Bildung einer Findungskommission, Erstellung einer Short-List von maximal fünf Bewerbern und deren persönliche Vorstellung vor der Akademieöffentlichkeit (Studierende, Dozenten und Beschäftigte der DFFB) sowie dem Kuratorium (Vorstellungsvorlesung). Danach führt die Findungskommission mit den Bewerbern Einzelgespräche.
4 Die Findungskommission erstellt mit der Mehrheit ihrer Stimmen für das Kuratorium einen
Entscheidungsvorschlag, der aus einer Person besteht.
Jedes Mitglied der Findungskommission hat 1 Stimme.
5 Das Kuratorium beschließt über die Berufung als Geschäftsführer/Direktor auf Basis des Entscheidungsvorschlages. Je ein Vertreter der Studierenden und der Dozenten sind (wie bisher) in der Sitzung anwesend (ohne Stimm-, aber mit Rederecht). Folgt das Kuratorium dem Entscheidungsvorschlag nicht, geht das Verfahren zurück an die Findungskommission.
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Am heutigen Freitag dann wurde es offiziell: In einer an die »Liebe Kolleginnen und Kollegen« adressierten Pressemitteilung verkündete die DFFB – nicht der Senat, nicht das Kuratorium – per Presseagentur: »nach ausgiebigen Diskussionen mit allen Beteiligten der Akademie wurde zwischen Senatskanzlei und Studierenden der dffb ein transparentes Verfahren zur Findung einer neuen Direktion festgelegt. Mit Ben Gibson wurde in diesem Prozess eine herausragende Persönlichkeit des europäischen Filmschaffens gefunden, die der Bedeutung der dffb für Berlin und für das deutsche Filmschaffen angemessen ist. Wir erwarten, mit dem neuen Direktor die speziellen Möglichkeiten der dffb als Akademie weiter zu entfalten und ihr Profil zu schärfen. Herzlich willkommen in Berlin und an der dffb, Ben Gibson!«
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Na Servus! Ohne Vertrag und ohne Berufung durch das Kuratorium, ist diese Mitteilung schon deshalb ein gewagter Schritt, weil hier einem nötigen Beschluss des Kuratoriums vorgegriffen wird. Nochmal Punkt 5 des Verfahrens: »Das Kuratorium beschließt über die Berufung als Geschäftsführer/Direktor auf Basis des Entscheidungsvorschlages. Je ein Vertreter der Studierenden und der Dozenten sind (wie bisher) in der Sitzung anwesend (ohne Stimm-, aber mit Rederecht).«
Einen solchen
Beschluss gibt es noch nicht. Laut Verfahren müssen (!) die Studenten und Dozenten Rederecht haben, eine solche Sitzung gab es aber nicht. Da könnte also wieder geklagt werden.
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Denn Ben Gibson ist keineswegs unumstritten. Zumindest auf dem Papier ist der 57-jährige Gibson, der in den 80er und 90er Jahren als Produzent gearbeitet hatte, zwar eine gute Wahl. 14 Jahre lang stand der Kumpel des vorzeitig gegangenen früheren DFFB-Direktors Jan Schütte der prestigeträchtigen London Film School vor, bevor er sie 2014 überraschend verließ und an einer Filmschule in Australien anheuerte, die er nach nur sieben Monaten wieder verließ, bevor er sich im Sommer in
Berlin bewarb. Von Schwierigkeiten mit der Belegschaft und eingesessenen Dozenten ist in London die Rede. Anfang August wurde nun bekannt, dass sich der Haushalt der LFS seit einiger Zeit in einer schweren Schieflage befindet, so schwer, dass der seit vielen Jahren geplante Umzug ins »Barbican Arts Center« abgesagt werden musste. Manche in London werfen dem Ex-Direktor Misswirtschaft vor. Liegen hier die Gründe für Gibsons plötzlichen Rückzug? Dies wäre auch für die DFFB von
Belang.
Die vom Senat veröffentlichte Stellenausschreibung, die nach wie vor auf der Website des Senats nachzulesen ist, lohnt insofern ein genauerer Blick. Dort ist unter anderem davon die Rede, dass eine neue Direktorin/ ein neuer Direktor »Fähigkeiten zur unternehmerischen Leitung einer kulturellen Institution und/oder Erfahrungen im wirtschaftlichen Führen einer GmbH« nachweisen müsse. Diese seien »von besonderer Bedeutung«. Und weiter: »Die zu besetzende Position
verlangt neben Führungsqualitäten eine besondere Kommunikations-, Team- und Managementfähigkeit.«
Offenes Geheimnis ist auch, dass man sich vom neuen DFFB-Direktor erhofft, Sponsoren und Industriegelder anzuwerben.
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Zumindest die DFFB-Studenten lehnen Gibson auch aus künstlerischen Gründen ab, und verweisen auf die Unterschiede zwischen der LFS und der Tradition der DFFB als einer Kunstakademie, die sich von den anderen Filmhochschulen und Industrie-Schmieden in Deutschland in vielem unterscheide. Gibson hatte sich Mitte September mit vier anderen Kandidaten einer von der paritätisch besetzten Findungskommission zusammengestellten »Short-List« an der DFFB in einem Bewerbungsvortrag
und Einzelgesprächen vorgestellt. Nach der Veranstaltung hätte es laut Verfahren eigentlich einen gemeinsamen Vorschlag der Findungskommission geben sollen. Das zog sich aber in die Länge, offenbar, weil lange Zeit die drei DFFB-Vertreter gegen die Vertreter des Kuratoriums standen, unter denen keine aktiven Filmemacher sind. Dann wechselte die Dozentenvertreterin Katalin Gödrös die Seiten und ermöglichte damit, Gibson vorzuschlagen.
Die Studentenschaft favorisiert
weiterhin den ungarischen Regisseur Bela Tarr (Das Turiner Pferd), der auch Vorsitzender der ungarischen Filmemacher-Vereinigung ist und sich in den letzten Jahren in seiner Heimat gegen die rechtspopulistische Orban-Regierung für Menschenrechte und Pressefreiheit engagiert hatte. Tarr war jahrelang Regiedozent an der DFFB, bevor Ex-Direktor Jan Schütte den ungeliebten
Konkurrenten von der Schule entfernte.
Was spricht eigentlich gegen Tarrs Berufung? Der in der Filmszene unabhängig von Geschmacksfragen ungemein angesehene Ungar wäre eine aufsehenerregende Wahl, die sofort der DFFB viel internationale Aufmerksamkeit garantieren, sie für Dozenten wie Studenten enorm attraktiv machen würde.
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Woran liegt es, dass sich die Suche nach einem neuen Direktor für die DFFB auch ein Jahr nach dem nicht weiter beklagten Abgang von Jan Schütte als weiterhin sehr schwierig gestaltet. Das liegt nicht an den Studenten, sondern am verantwortlichen Senat, dem Regierenden Bürgermeister Müller und namentlich dem noch von Müllers Vorgänger Wowereit installierten Leiter der Senatskanzlei Björn Böhning. Der versucht seit Monaten, einen Teil der satzungsgemäßen Gremien auszuschalten. Man muss die Absicht dahinter so interpretieren, als gehe es darum, die DFFB über einen der Politik und der Stadtregierung gefälligen Direktor zu installieren, und aus der DFFB eine stromlinienförmige 08/15-Hochschule zu machen. Hätte sich die Politik in den letzten Jahren nämlich aus der DFFB herausgehalten, wäre dort schon lange Ruhe. Dozenten und Studenten wären in der Pflicht, gute Arbeit zu machen.
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Es sind nicht primär sinistre Pläne, sondern die schiere Inkompetenz des Senats, namentlich Böhnings, in filmischen Fragen, die auch von manchen Beteiligten im Gespräch offen beklagt wird. Zudem ist die Zusammensetzung des Podiums problematisch bzw. zu überprüfen. Der 77-jährige Eberhard Junkersdorff, einst verdienter Schlöndorff-Produzent, der auch in der Findungskommission war, hat seit zwei Jahrzehnten mit jungen Filmemachern nichts mehr zu tun. Und die Übrigen sind meist Fernsehvertreter oder -Produzenten, die selten mit dem Nachwuchs arbeiten.
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Steht die DFFB vor der Entscheidung in der Direktorenfrage? Die entscheidende Frage ist, was man will. Soll zum dritten Mal ein Direktor gegen den Konsens der Institution berufen werden, die er doch eigentlich leiten soll? Warum probieren es Senat und Kuratorium nicht einmal mit einer Kompromisslösung und nehmen dadurch Dozenten und Studenten mit in die Verantwortung? Die Erfahrung lehrt, dass Böhning und der Senat die Widerstandskraft und den Zorn der Studenten regelmäßig unterschätzen. Auf einer Vollversammlung haben die Studenten am Donnerstag erste Schritte beraten. Sie lehrt auch, dass die DFFB ein Jahr lang ganz gut ohne Direktor ausgekommen ist. Das könnte noch ein wenig so weitergehen.
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Letzte Frage für heute: Warum so viel Intransparenz? Der Senat, namentlich Björn Böhning wollen offenbar: Alles soll vergessen werden, dann kann man machen, was man will. Aber es wird nicht vergessen werden. Die Frage der DFFB-Direktorenbesetzung wird an Böhnings Namen kleben bleiben. er ist nicht der, der »die Kuh vom Eis« geschafft hat, sondern der der DFFB die schlechteste Presse seit ihrer Entstehung verschafft hat. Durch schieren Dilettantismus und Managementfehler. Zur Zeit macht sich Böhning, der noch einmal eine medienpolitische Karriere machen will, eine ganze Generation von Filmemachern zum Feind. Das mag in der SPD keine Rolle spielen, denn diese Partei hat sich als kulturpolitische Kraft schon lange abgeschafft.
(To be continued)