24.09.2015
Cinema Moralia – Folge 116

Die DFFB vor der Entschei­dung?

»Béla Tarr« by Soppakanuuna - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons
Das wäre die aufsehenerregendste Wahl: Bela Tarr
(Foto: CC BY-SA 3.0 via Commons)

Morgen stellen sich fünf Direktorenkandidaten an Deutschlands renommiertester Filmschule vor – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 116. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Well my mama told me, there'll be days like this.«
Van Morrisson

Das Fazit zu Anfang: Es geht um Politik.

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In Bayern ist alles offenbar ganz einfach. Da wird entschieden, da gibt’s keine öffent­liche Kandi­da­ten­de­batten, pack ma’s o, und aus is: Per Pres­se­mit­tei­lung vom 18. September 2015 gab die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung auch offiziell bekannt, dass Kunst­mi­nister Dr. Ludwig Spaenle »Profes­sorin Bettina Reitz zur ersten haupt­be­ruf­li­chen Präsi­dentin der Hoch­schule für Fernsehen und Film München« bestellt.
»Kunst­mi­nister Dr. Ludwig Spaenle hat Bettina Reitz am Freitag in München für eine vier­jäh­rige Amtszeit in diese Funktion bestellt. Reitz tritt ihr Amt am 1. Oktober 2015 an. Sie war vom Hoch­schulrat der HFF am 18.6.2015 mit großer Mehrheit zur Präsi­dentin gewählt worden.
›Ich freue mich sehr, dass mit Bettina Reitz eine höchst profi­lierte und erfahrene Persön­lich­keit für die Präsi­dent­schaft gewonnen werden konnte, die sowohl die kreativen Prozesse des filmi­schen Schaffens als auch den Medi­en­markt bestens kennt und auch admi­nis­tra­tive Verant­wor­tung in der Medi­en­ar­beit getragen hat', so Spaenle. Aufgabe sei es, die Hoch­schule und die Ausbil­dung in einer sich ändernden Medi­en­um­ge­bung stra­te­gisch weiter­zu­ent­wi­ckeln, sagte der Minister mit Blick auf die Ergeb­nisse der jüngsten Begut­ach­tung der Hoch­schule durch eine externe Kommis­sion. Bettina Reitz habe hierfür hohe Kompetenz, sie verfüge über eine breit gefächerte beruf­liche Erfahrung, die sie hier einbringen werde. »Für die Erfüllung der verant­wor­tungs­vollen Aufgabe an der Spitze der Hoch­schule für Fernsehen und Film München wünsche ich Prof. Bettina Reitz viel Erfolg«, sagte der Minister. Zugleich dankte Spaenle Prof. Dr. Gerhard Fuchs, der die Hoch­schule seit 2003 in einer neben­be­ruf­li­chen Präsi­dent­schaft leitete und in dessen Amtszeit wichtige Weichen­stel­lungen für die Hoch­schule fallen.‹«

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'Meine Wahl durch den Hoch­schulrat war für mich eine besondere Aner­ken­nung, meine Bestel­lung durch Kunst­mi­nister Dr. Ludwig Spaenle unter­streicht nun offiziell den Weg der HFF München in eine neue Zukunft', sagt Bettina Reitz. 'Ich freue mich sehr darauf, ab Oktober gemeinsam mit den Kolle­ginnen und Kollegen sowie den Studie­renden die Zukunft der HFF zu gestalten. Aufbauend auf dem guten Ruf der HFF möchte ich ihren Wert für die kreative Ausbil­dung in Bayern weiter­ent­wi­ckeln und ihre inter­na­tio­nale Bedeutung steigern.'

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Bettina Reitz wird die erste haupt­be­ruf­liche Präsi­dentin der Hoch­schule. Der Einfüh­rung einer haupt­be­ruf­li­chen Präsi­dent­schaft war eine externe Begut­ach­tung im Auftrag von Kunst­mi­nister Dr. Spaenle voraus­ge­gangen. Die Gutach­ter­kom­mis­sion unter Vorsitz von Prof. Hans-Jürgen Drescher hatte Ende letzten Jahres eine Reihe von Maßnahmen empfohlen, unter anderem eine Weiter­ent­wick­lung der Leitungs­struktur und eine Stärkung der Hoch­schul­lei­tung.

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Die Sommer­pause ist vorbei, das sieht man auch daran, dass es endlich wieder Neues von der DFFB gibt. Zur Erin­ne­rung: Nach den auch von uns ausführ­lich berich­teten Querelen um die Nachfolge des als DFFB-Direktor zurück­ge­tre­tenen Jan Schütte, bei denen es den Studenten gelang zwei einseitig vom Senat durch­ge­drückte Nach­fol­ge­kan­di­daten zu verhin­dern, hatten sich Vertreter der Studenten und Dozenten mit dem Senats­kanz­lei­chef Björn Böhning darauf geeinigt, das Verfahren neu aufzu­rollen, und nach neu fest­ge­legten, trans­pa­ren­teren und hoffent­lich auch in der Praxis fairerer gehand­habten Kriterien einen Nach­folger für Schütte fest­zu­legen.
Im Ergebnis wurde nun eine Short-List aus fünf Kandi­daten präsen­tiert. Diese fünf Kandi­daten wurden wieder einmal von den Studenten bekannt­ge­geben, nicht vom Senat – warum eigent­lich nicht?
Es handelt sich um: Bela Tarr, Dagmar Jacobsen, Romuald Karmakar, Ben Gibson und Pavel Jech. Diese Fünf werden sich am morgigen Donnerstag in einer nich­töf­fent­li­chen Vorstel­lungs-Vorlesung präsen­tieren und ihre allemal sehr unter­schied­li­chen Quali­täten dabei gewiss unter Beweis stellen.

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Man darf gespannt sein, wie das ausgeht, und ob die Findungs­kom­mis­sion sich dann auf einen Vorschlag einigen kann, der dann auch die Mehrheit des Kura­to­riums findet. Allemal ist hoffent­lich allen Betei­ligten klar, worum es geht: Dass die DFFB eine unab­hän­gige Ausbil­dungs­stätte bleibt, deren einzig­ar­tiges Profil nicht verwäs­sert wird, die aber auch als Insti­tu­tion funk­ti­ons­fähig bleibt.
Diese Voraus­set­zungen erfüllen nicht alle Kandi­daten auf gleiche Weise. Eine aufse­hen­er­re­gende Wahl wäre die von Bela Tarr. Deren Folgen sind schwer zu kalku­lieren, da die Kompro­miss­lo­sig­keit dieses Regis­seurs Vorteil wie Nachteil zugleich ist. Aber seine Wahl würde der DFFB erstmal Aufmerk­sam­keit garan­tieren, und überaus deutlich machen, dass sie so ist, wie keine andere Filmaus­bil­dungs­stätte Deutsch­lands.
Letzteres, auf andere Weise, reprä­sen­tiert auch Dagmar Jacobsen. Sie könnte diejenige sein, die am ehesten in der Lage ist, einen Brücken­schlag zwischen den verhär­teten, zum Teil verfein­deten Fronten an der DFFB vorzu­nehmen. Jacobsen ist prag­ma­tisch und ohne den starken persön­li­chen Profi­lie­rungs­ehr­geiz, den man anderen Kandi­daten unter­stellen muss. Zugleich ist sie aber künst­le­risch offen für Stile und Vielfalt, ohne aber das Niveau zu verraten. Pavel Jech kenne ich persön­lich zwar nicht. Er hat immerhin Lehr­erfah­rung. Wenn man sich das Interview anschaut, dass er einer Website gegeben hat, dann spüre ich persön­lich aber »aus dem Bauch« Skepsis. Er wirkt wie ein Verkäufer, und wer sich über die von ihm geleitete FAMU infor­miert, der sieht schnell, dass Jech für eine klare Richtung Verschu­lung und Aufsplit­te­rung der Ausbil­dung steht, weg vom Akade­mie­ge­danken. Damit, wie mit der erkenn­baren Gehor­sams­hal­tung, rückt er sicher nahe an die kühnsten Träume des Senats und ihres Groß­we­sirs Böhning.

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In jedem Fall kann man hoffen, dass die Entschei­dung für einen Kandi­daten (oder eine Kandi­datin!) fällt, der sich dem Geist der DFFB verpflichtet fühlt, der offen ist, und der nicht nur filmäs­the­ti­sche, sondern auch pädago­gi­sche und soziale Fähig­keiten hat. Das war es, was den letzten zwei Direk­toren der DFFB auf sehr verschie­dene Weise gefehlt hat.
Einen neuen Fehlgriff wird man sich nicht leisten können. So wenig wie ein erneutes Scheitern des Verfah­rens.

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Auch um Politik geht es leider viel zu viel bei unseren Quali­täts­jour­na­listen. Und zwar um die Politik, die sie selber betreiben. Nicht infor­miert wird da, sondern es werden Lager bestätigt. Über Grie­chen­land schreiben leider auch links­li­be­rale Medien wie man seiner­zeit im Kalten Krieg über die Russen: Alles Übel kommt aus Athen. Wenn sich unsere Presse erst einmal auf einen einge­schossen hat, dann inter­es­siert man sich nicht für Nuancen. »Die Griechen wollen einen Blender« titelte die »Welt« nach Tsipras Wahlsieg vom Sonntag, und »Wort­brüchiger« (um das Wort Lügner zu vermeiden) nannte ihn der »Mann­heimer Morgen«. und auch der Rest der deutschen Medien bläst ins selbe Horn.
Mag ja sogar sein – aber hat das schon einmal irgend­je­mand über Obama getitelt? Hat man den US-Präsi­denten schon mal als Lügner und Popu­listen verächt­lich gemacht, und von »Propa­ganda« gespro­chen, als der in seiner aller­ersten Amts­han­dung als gewählter Präsident verkün­dete, das Inter­nie­rungs- und Folter­lager von Guan­ta­namo Bay werde geschlossen?
Dieselben Medien reden dann aber sehr gern von »Quali­täts­jour­na­lismus« und empören sich zu Recht gegen die Pegida-Propa­ganda von der »Lügen­presse«. Solche Empörten gingen auf weniger dünnem Eis, wenn sie ihre Leser nicht ideo­lo­gi­sieren würden, sondern nüchtern anwägend infor­mieren.

(To be continued)