Cinema Moralia – Folge 116
Die DFFB vor der Entscheidung? |
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Das wäre die aufsehenerregendste Wahl: Bela Tarr | ||
(Foto: CC BY-SA 3.0 via Commons) |
»Well my mama told me, there'll be days like this.«
Van Morrisson
Das Fazit zu Anfang: Es geht um Politik.
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In Bayern ist alles offenbar ganz einfach. Da wird entschieden, da gibt’s keine öffentliche Kandidatendebatten, pack ma’s o, und aus is: Per Pressemitteilung vom 18. September 2015 gab die bayerische Staatsregierung auch offiziell bekannt, dass Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle »Professorin Bettina Reitz zur ersten hauptberuflichen Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München« bestellt.
»Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle hat Bettina Reitz am
Freitag in München für eine vierjährige Amtszeit in diese Funktion bestellt. Reitz tritt ihr Amt am 1. Oktober 2015 an. Sie war vom Hochschulrat der HFF am 18.6.2015 mit großer Mehrheit zur Präsidentin gewählt worden.
›Ich freue mich sehr, dass mit Bettina Reitz eine höchst profilierte und erfahrene Persönlichkeit für die Präsidentschaft gewonnen werden konnte, die sowohl die kreativen Prozesse des filmischen Schaffens als auch den Medienmarkt bestens kennt und auch
administrative Verantwortung in der Medienarbeit getragen hat', so Spaenle. Aufgabe sei es, die Hochschule und die Ausbildung in einer sich ändernden Medienumgebung strategisch weiterzuentwickeln, sagte der Minister mit Blick auf die Ergebnisse der jüngsten Begutachtung der Hochschule durch eine externe Kommission. Bettina Reitz habe hierfür hohe Kompetenz, sie verfüge über eine breit gefächerte berufliche Erfahrung, die sie hier einbringen werde. »Für die Erfüllung
der verantwortungsvollen Aufgabe an der Spitze der Hochschule für Fernsehen und Film München wünsche ich Prof. Bettina Reitz viel Erfolg«, sagte der Minister. Zugleich dankte Spaenle Prof. Dr. Gerhard Fuchs, der die Hochschule seit 2003 in einer nebenberuflichen Präsidentschaft leitete und in dessen Amtszeit wichtige Weichenstellungen für die Hochschule fallen.‹«
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'Meine Wahl durch den Hochschulrat war für mich eine besondere Anerkennung, meine Bestellung durch Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle unterstreicht nun offiziell den Weg der HFF München in eine neue Zukunft', sagt Bettina Reitz. 'Ich freue mich sehr darauf, ab Oktober gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen sowie den Studierenden die Zukunft der HFF zu gestalten. Aufbauend auf dem guten Ruf der HFF möchte ich ihren Wert für die kreative Ausbildung in Bayern weiterentwickeln und ihre internationale Bedeutung steigern.'
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Bettina Reitz wird die erste hauptberufliche Präsidentin der Hochschule. Der Einführung einer hauptberuflichen Präsidentschaft war eine externe Begutachtung im Auftrag von Kunstminister Dr. Spaenle vorausgegangen. Die Gutachterkommission unter Vorsitz von Prof. Hans-Jürgen Drescher hatte Ende letzten Jahres eine Reihe von Maßnahmen empfohlen, unter anderem eine Weiterentwicklung der Leitungsstruktur und eine Stärkung der Hochschulleitung.
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Die Sommerpause ist vorbei, das sieht man auch daran, dass es endlich wieder Neues von der DFFB gibt. Zur Erinnerung: Nach den auch von uns ausführlich berichteten Querelen um die Nachfolge des als DFFB-Direktor zurückgetretenen Jan Schütte, bei denen es den Studenten gelang zwei einseitig vom Senat durchgedrückte Nachfolgekandidaten zu verhindern, hatten sich Vertreter der Studenten und Dozenten mit dem Senatskanzleichef Björn Böhning darauf geeinigt, das Verfahren neu
aufzurollen, und nach neu festgelegten, transparenteren und hoffentlich auch in der Praxis fairerer gehandhabten Kriterien einen Nachfolger für Schütte festzulegen.
Im Ergebnis wurde nun eine Short-List aus fünf Kandidaten präsentiert. Diese fünf Kandidaten wurden wieder einmal von den Studenten bekanntgegeben, nicht vom Senat – warum eigentlich nicht?
Es handelt sich um: Bela Tarr, Dagmar Jacobsen, Romuald Karmakar, Ben Gibson und Pavel Jech. Diese Fünf werden sich
am morgigen Donnerstag in einer nichtöffentlichen Vorstellungs-Vorlesung präsentieren und ihre allemal sehr unterschiedlichen Qualitäten dabei gewiss unter Beweis stellen.
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Man darf gespannt sein, wie das ausgeht, und ob die Findungskommission sich dann auf einen Vorschlag einigen kann, der dann auch die Mehrheit des Kuratoriums findet. Allemal ist hoffentlich allen Beteiligten klar, worum es geht: Dass die DFFB eine unabhängige Ausbildungsstätte bleibt, deren einzigartiges Profil nicht verwässert wird, die aber auch als Institution funktionsfähig bleibt.
Diese Voraussetzungen erfüllen nicht alle Kandidaten auf gleiche Weise. Eine
aufsehenerregende Wahl wäre die von Bela Tarr. Deren Folgen sind schwer zu kalkulieren, da die Kompromisslosigkeit dieses Regisseurs Vorteil wie Nachteil zugleich ist. Aber seine Wahl würde der DFFB erstmal Aufmerksamkeit garantieren, und überaus deutlich machen, dass sie so ist, wie keine andere Filmausbildungsstätte Deutschlands.
Letzteres, auf andere Weise, repräsentiert auch Dagmar Jacobsen. Sie könnte diejenige sein, die am ehesten in der Lage ist, einen
Brückenschlag zwischen den verhärteten, zum Teil verfeindeten Fronten an der DFFB vorzunehmen. Jacobsen ist pragmatisch und ohne den starken persönlichen Profilierungsehrgeiz, den man anderen Kandidaten unterstellen muss. Zugleich ist sie aber künstlerisch offen für Stile und Vielfalt, ohne aber das Niveau zu verraten. Pavel Jech kenne ich persönlich zwar nicht. Er hat immerhin Lehrerfahrung. Wenn man sich das Interview anschaut, dass er einer Website gegeben hat, dann spüre ich persönlich aber »aus dem Bauch« Skepsis. Er wirkt wie ein Verkäufer, und wer sich über die von ihm geleitete FAMU informiert, der sieht schnell, dass Jech für eine klare Richtung Verschulung und Aufsplitterung der Ausbildung steht, weg vom Akademiegedanken. Damit, wie mit der erkennbaren Gehorsamshaltung, rückt er sicher nahe an die
kühnsten Träume des Senats und ihres Großwesirs Böhning.
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In jedem Fall kann man hoffen, dass die Entscheidung für einen Kandidaten (oder eine Kandidatin!) fällt, der sich dem Geist der DFFB verpflichtet fühlt, der offen ist, und der nicht nur filmästhetische, sondern auch pädagogische und soziale Fähigkeiten hat. Das war es, was den letzten zwei Direktoren der DFFB auf sehr verschiedene Weise gefehlt hat.
Einen neuen Fehlgriff wird man sich nicht leisten können. So wenig wie ein erneutes Scheitern des Verfahrens.
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Auch um Politik geht es leider viel zu viel bei unseren Qualitätsjournalisten. Und zwar um die Politik, die sie selber betreiben. Nicht informiert wird da, sondern es werden Lager bestätigt. Über Griechenland schreiben leider auch linksliberale Medien wie man seinerzeit im Kalten Krieg über die Russen: Alles Übel kommt aus Athen. Wenn sich unsere Presse erst einmal auf einen eingeschossen hat, dann interessiert man sich nicht für Nuancen. »Die Griechen wollen einen Blender«
titelte die »Welt« nach Tsipras Wahlsieg vom Sonntag, und »Wortbrüchiger« (um das Wort Lügner zu vermeiden) nannte ihn der »Mannheimer Morgen«. und auch der Rest der deutschen Medien bläst ins selbe Horn.
Mag ja sogar sein – aber hat das schon einmal irgendjemand über Obama getitelt? Hat man den US-Präsidenten schon mal als Lügner und Populisten verächtlich gemacht, und von »Propaganda« gesprochen, als der in seiner allerersten Amtshandung als gewählter Präsident
verkündete, das Internierungs- und Folterlager von Guantanamo Bay werde geschlossen?
Dieselben Medien reden dann aber sehr gern von »Qualitätsjournalismus« und empören sich zu Recht gegen die Pegida-Propaganda von der »Lügenpresse«. Solche Empörten gingen auf weniger dünnem Eis, wenn sie ihre Leser nicht ideologisieren würden, sondern nüchtern anwägend informieren.
(To be continued)