66. Berlinale 2016
Wer ist der »Fixer« der Berlinale? |
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George Clooney in Hail, Caesar! | ||
(Foto: Universal Pictures International Germany GmbH) |
»Ich habe mal gesagt: Es sind nicht Opening Nights, sondern Opening Nightmares. Den richtigen Eröffnungsfilm zu finden, ist sehr, sehr schwierig, weil wir ein spezielles Publikum haben. Man darf nicht vergessen, dass den Film 4.500 Leute in drei Kinos parallel schauen. Hail, Caesar! ist ein Film, bei dem ich wirklich sagen würde, dass ich das Eintrittsgeld persönlich zurückzahle, wenn der jemandem nicht gefallen hat. Es ist ein Film, der das Filmgeschäft reflektiert, er wirft große philosophische Fragen auf und ist gleichzeitig noch extrem witzig und mit großen Stars. Das ist neben Meryl Streep als Jury-Präsidentin mindestens nochmal ein Sechser im Film-Lotto.
Frage: Gibt’s zum Eröffnungsempfang Caesar Salad?
Ja, das könnte es geben, solange keine Schinkenstreifen drin sind. Denn die Berlinale ist bis auf Fischgerichte, die aus der Region kommen, vegetarisch.«
Dieter Kosslick im Gespräch mit Rainer Veit im RBB-Kulturradio»Die Kunst ist Teil des Bestehenden; sie spricht, als Teil des Bestehenden, gegen das Bestehende – widerspricht ihm. Dieser Widerspruch ist der Kunst inhärent; er ist aufgehoben im Kunstwerk, in seiner ästhetischen Form, die noch den ›neutralen‹ Inhalt von dem Bestehenden dissoziiert, ihm entgegenstellt. So reflektiert sich im Kunstwerk die Not und Notwendigkeit der Veränderung – reflektiert sich in der ganzen Vielheit der Formen, Stile und Sprachen.«
Herbert Marcuse, »Der eindimensionale Mensch«
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»Dr. Marcuse aus Stanford« ist eine der wichtigen Figuren in dieser gut gelaunten Nummernrevue von Film. Das Unterfangen der Coen-Bruder erinnert mich vor allem an Billy Wilder: Abgrund und Gelächter, Paradies und Hölle zusammen in einer gedämpften hysterischen Achterbahnfahrt durch das Hollywood der 50er Jahre. Eine Art Prequel zu »Mad Men«, aber auf Speed.
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Wilder drehte in Hollywood bekanntlich Komödien mit mehr oder weniger Slapstick, mit an Lubitsch orientierten Dialogen und er drehte Film Noirs. Auch die Coens sind Film-Noir-Regisseure, ihre Filme sind Neo Noirs genauer gesagt, und immer wieder geht es in ihren Filmen auch um den Ernst und die Abgründe. Jene Kritikerkollegen, die sich hier einfach nur amüsieren, haben nichts verstanden. Bei den Coens ist das Amüsement ein Sein zum Tode.
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Marcuse begann als Heidegger-Schüler, er wurde dann Marxist und Materialist, aber auch als Player im Zentrum der Offense der Kritischen Theorie blieb er immer Heidegger Schüler: Interessiert am Ontologischen, an der Kunst vor allem im Hinblick auf die Funktion, von »dem Menschen« redend, nicht vom Einzelnen, und eher ihre und wie sein Lehrer vom Todtnauberg den verborgen Lustgärten des Terrors nicht vollkommen abgeneigt. Aber wie dieser auch scharf und mitunter erleichternd undialektisch im Blick auf die Konsumgesellschaft. Ein unverhohlen Kulturpessimist. Ein rechter Linker.
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Man würde übrigens gern mal ein Treffen zwischen Marcuse und Don Draper organisieren, in welchem Universum auch immer. Sie hätten sich etwas zu sagen.
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»Vater ich habe gesündigt.« Mit einer Beichte geht es los. Blitze, Regen, Nacht in den 50er Jahren in Kalifornien. Ein Off-Erzähler imitiert den Gestus der Hard-Boiled-Novellen. Die Hauptfigur, von Josh Brolin gespielt, heißt Eddie Mannix und ist die Nummer zwei eines großen Studios, ein »Fixer« für alle Probleme. Ständig unter Stress. Der Film zeigt uns andere Filme, die nicht existieren, in Ausschnitten: Zwei Western, ein Musical, ein Melodrama, ein Esther-Williams-artiges
Wasserballett – bezaubernde Verweise, die im Betrachter den Wunsch wecken, diese Filme zu sehen, wieder mehr zu sehen im Stil des alten Hollywood.
Und es gibt einen Sandalen-Film. Der steht im Zentrum und heißt ebenfalls »Hail Caesar« – der Titel bezeichnet also den Film und den Film im Film. George Clooney spielt – so alt aussehend, wie noch nie – dessen Hauptdarsteller: Versoffen und dumm, aber gut und entsprechend eitel. Dieser Hauptdarsteller wird eines
Tages entführt, von einer kommunistischen Untergrundgruppe – von Drehbuchautoren, die von Hollywood erniedrigt und beleidigt wurden. Angeleitet werden diese Drehbuchautoren von »Dr.Marcuse aus Stanford«.
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Dr. Marcuse wirkt hier eher wie Doktor Mabuse. Aber er leitet die Clooney-Figur an, gibt ihr eine Art Schnellkurs im Kommunismus und der Schaffung des »Neuen Menschen«. Danach redet die Clooney-Figur ziemlich viel Unsinn.
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Es geht in diesem Film um das alte Hollywood, in all seiner Brutalität. Es geht um das Starsystem, um Hackordnungen, darum, das Hollywood ein einziger Betrug ist – selbstverständlich! Was denn sonst?
Es geht aber auch um Medien, um den Showbetrieb, darum, dass auch ein System wie die Berlinale ein einziger Betrug ist. Vielleicht hat auch die Berlinale ihren »Fixer«. Müssen wir uns Thomas Hailer vielleicht als den Eddie Mannix von Berlin vorstellen?
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Ein Film, der die Architektur, die Moden, den Lebensstil, das Tempo und – ja – auch das Kino einer vergangenen Zeit feiert. Recht hat er. Früher war nicht alles, aber vieles besser.
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Mein Freund Ugo Brusaporco aus Italien sagt: Dies ist ein faschistischer Film. Denn er macht sich über alles lustig: Frauen sind unwichtig; Kino ist unwichtig; Philosophie ist unwichtig.
Darüber werden wir noch reden. An Ugos These ist was dran, ich finde sie trotzdem Quatsch.
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Ich finde: Ein hervorragender Eröffnungsfilm, der gute Stimmung macht, auch unter denen, die keine Ahnung haben, der Stars auf den Roten Teppich bringt, und filmisch anständig ist. Und der das Festival selbst zum Thema macht.
Vor allem aber: Die Coens machen sich über alles lustig, aber sie lieben vieles. Ihr Film ist durchzogen von Hochachtung vor der Traumfabrik, die Hollywood eher war als ist, die aber das Kino noch immer sein kann.
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»Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.«
Walter Benjamin