21.05.2016
69. Filmfestspiele Cannes 2016

Abenteuer und Selbst­er­zie­hung

The Boys and the Band
The Boys In The Band: Cultfilm von Wiliam Friedkin von 1969
(Foto: Netflix)

Protokoll einer Masterclass mit William Friedkin – Cannes-Notizen, 13. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Advice for young film­ma­kers: Just go out and shoot it, you don’t need permis­sion. I just always go for instinct. I trust my instinct.«– William Friedkin, Cannes 2016

+ + +

»I have no lesson to give«, meinte William Friedkin gleich zu Beginn. Trotzdem hieß es wie es immer heißt, wenn ein bedeu­tender Regisseur oder Schau­spieler in Cannes sein Leben und Werk Revue passieren lässt: »Leçon de cinéma« – diesmal mit Friedkin, dem Regisseur einiger der bedeu­tendsten Werke der Film­ge­schichte, und einiger der inter­es­san­testen Filme der 1970er und 1980er Jahre. Moderiert von Michel Ciment ging es im Parforce­ritt durch Friedkins Karriere – mäandernd und außer durch die löchrige Chro­no­logie völlig unstruk­tu­riert, vor allem begleitet von schlecht gewählten Film­aus­schnitten.
Und trotzdem war alles super. Denn Friedkin selbst ist super. Und war darum auch durch Ciments unge­schickte Bemerkung nicht zu irri­tieren, er hätte ja bis French Connec­tion nur kommer­zi­elle Miss­erfolge erlebt. Diese Vorlage formte Friedkin um in einen Running Gag.

+ + +

Friedkin erzählte von seiner Jugend in Chicago, einem »unter­schätzten Melting Pot«. Die hätte er mit Herum­laufen und Bücher­lesen verbracht. Kino sei ihm zunächst gar nicht wichtig gelesen, er habe Clubs mit Musik­kon­zerten besucht, zum Beispiel von Miles Davis und John Coltrane.
Dann begann er beim Fernsehen, als Regisseur von Live-TV-Shows: »You have to learn, how to commu­ni­cate your ideas. And I did.«
Wie so viele seiner Gene­ra­tion hat Friedkin nie eine Film­schule besucht: »My film­school was Citizen Kane, french new wave, Hitchcock.«

+ + +

Und so ging es weiter. Mal ging es um unser aller irra­tio­nale Ängste, mal um die Über­flüs­sig­keit von Geburts­tagen »Birthday – a stupid thing to celebrate.« Dies aus Anlass von Friedkins Verfil­mung von Harold Pinters The Birthday Party.
Dann um den Einfluß des Radios für sein Werk: »For me, sound­track is comple­tely inde­pen­dent and different from the visual.« Und darum, dass Marlon Brando über­schätzt sei: »He was just lazy. So he never learned his lines.« Daraufhin habe man am Set Zettel an alle Ecken, und auf jede verfüg­bare Schau­spie­ler­stirn geklebt. »That’s the dept, american cinema owes to Brando.«

+ + +

Widerlegt wurde die verbrei­tete Behaup­tung, die Idee zu Friedkins Durch­bruch mit French Connec­tion sei ursprüng­lich von Howard Hawks gekommen: »Complete lie, bullshit! ... Howard Hawks is used to tell big lies. As it is said: lies like truth. ... The truth is: In that period, I was dating the daughter of Howard Hawks, Kitty Hawks. One day, with her 19 years, after 16 years without seeing him, she got a phone call from her father. So they met, a came with her, and saw, that he had the skin of a baby. ... At one moment, Kitty told her father: 'Dad, Bill is a filmmaker as well.' 'What kind of stuff are you into?' he asked. And so I told him about my latest achie­ve­ment The Boys In The Band (Die Harten und die Zarten)«, which was a gay-comedy, very unusual in that time. He looked at me very long, probably thinking, I was gay myself, and then he said: »Kid, you don’t wanna make pictures like this.« And he continued: »You should do action movies, people wanna see action.«

+ + +

Friedkins Kame­ra­mann bei French Connec­tion (das von jedem Studio abgelehnt worden war) war Ricky Bravo, der zuvor Fidel Castro im Gueril­la­kampf im Wald begleitet, und die Kuba­ni­sche Revo­lu­tion gefilmt hatte. Das Material liege »somewhere in Cuba.«
Inspi­ra­tion sei der doku­men­ta­ri­sche Stil von Jules Dassin in Naked City und Costa-Gavras Z gewesen. »I knew the story and we made it up, while we got along.«
Seine Anweisung an den Kame­ra­mann: »Usually the first take. I believe in spon­ta­n­eity: Just do it! ... Das sehen wir dann. ... I just always go for instinct. I trust my instinct. ... footage is rawma­te­rial for the editing-room, to put it blunt. I love editing.«
Nur kurz ging es dann noch um den Exorzist, um The Sorcerer, Cruising wurde über­sprungen, um To Live and die in L.A.

+ + +

»I've never met an expert. Its one of the most inte­res­ting things in film­ma­king: its adventure and education.«

(to be continued)