Cinema Moralia – Folge 151
»Wir brauchen Solidarität!« |
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Emin Alper bekam nun von der Berliner Akademie der Künste den »Großen Kunstpreis Berlin« verliehen. Hier ein Szenenbild aus Tepenin ardi – Beyond the Hill | ||
(Foto: Emin Alper) |
»Und kenne ich recht meine lieben Deutschen, die vollen Säue. Die sollen sich jetzt wieder, wie sie es immer tun, ruhig hinsetzen und wohlgemut in aller Sicherheit zechen und wohlleben. Und sie ... denken: Ha! Der Türke ist nun weg und geflohen, was sollen wir viel sorgen und unnütze Kosten ausgeben? Er kommt vielleicht nimmer mehr wieder.«
»Eine Heerpredigt widder den Tuercken« – Martin Luther, 1529
»Es ist eine unfreundliche Zeit, für Künstler noch einmal ganz besonders. Wir müssen immer damit rechnen, dass unsere Werke zensiert werden. Tag für Tag verlieren wir mehr von unseren demokratischen Grundrechten.«
– Emin Alper im Sommer 2016»Für Europäer gibt es nur eine Form des Ja-Sagens, nämlich die Kritik.«
– Bazon Brock
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Der Film zur Stunde läuft an diesem Donnerstag im Filmmuseum. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Drinnen oder draußen? Zusammenleben in Europa« läuft in der »Open Scene« um 19:00 Uhr der Dokumentarfilm Haymatloz – Exil in der Türkei von Eren Önsöz. Er erzählt von einer Zeit, in der die Türkei ein weltoffenes kosmopolitisches Land war und Deutschland eine faschistische Diktatur.
Deutsche Emigranten fanden während der NS-Zeit in der Türkei Zuflucht – eine viel zu unbekannte Geschichte, die manche Borniertheiten der Gegenwart zurechtrückt. Auf der Leinwand ersteht jene moderne Türkei Atatürks wieder auf, die Erdogan gerade zu vernichten droht.
Anschließend sprechen Christiane Schlötzer (SZ) und Hasnain Kazim (Der Spiegel) über das schwierige Verhältnis von Heimat und Exil – damals wie heute.
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Gut möglich, dass wir bald die einstige Gastfreundschaft der Türkei erwidern müssen.
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Den »Großen Kunstpreis Berlin«, der jährlich von der Berliner Akademie der Künste vergeben wird, alle sechs Jahre von der dortigen Sektion »Film«, erhielt in diesem Jahr der türkische Regisseur Emin Alper. Der Jury gehörten die Regisseurin Jutta Brückner an, der Filmkritiker Georg Seeßlen und der Regisseur Andres Veiel. Veiel hielt die Laudatio (Seismograph – Visionär – Cineast), in der er Alpers bislang erst zwei Spielfilme Tepenin ardi – Beyond the Hill und Abluka (Frenzy) so zusammenfasst: »Das Ergebnis erscheint wie ein in langen Jahren der Vorarbeit gepresster Diamant, klug komponiert, formal bis ins letzte Detail gestaltet: Alper ist ein Meister der Andeutung, … Die Bilder leben aus der Geschichte der Figuren, sie sind überwältigend schön, ohne jemals kunstgewerblich zu sein.« Und weiter: »Emin Alper steht für ein Kino des insistierenden Hinschauens, für ein Kino der Unruhe, der Irritation, das mehr ist als nur ein psychologisches oder soziologisches Labor. … Alper riskiert etwas, mit seiner unbeugsamen Haltung, aber auch mit seinen Filmen.«
Veiel findet Worte, die sich auch auf die gegenwärtige Situation in der Türkei beziehen lassen: »Die Kultur der Verdächtigungen und des Misstrauens bilden einen Nährboden unberechenbarer Gewalt. Emin Alper findet dafür alptraumartige Bilder, die er zu einer klaustrophobischen Beschreibung türkischer Verhältnisse verdichtet. … Der Film erzählt damit auch, wie ein Staat autoritätshörige Menschen selbst zu Handlangern des Systems macht, indem er ihnen den Zugang zu Autorität und Bedeutung ermöglicht.«
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In seiner Dankesrede sprach Alper relativ offen über die »möglicherweise eine der dunkelsten Perioden in der Geschichte meines Landes«, den permanenten Ausnahmezustand, ohne Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit.
Und weiter:
»In these days, I got so many mails from my relatives, from academics, filmmakers, producers and friends living abroad, who expressed their empathy with our situation and offered any kind of help they can provide. The solidarity of people all
around the world, but especially in Europe was moving. I want to thank all these people because of their support and just because they did not let us feel alone. We need solidarity. We really need it today maybe more than any other time. Because the recent developments all around the world showed us that our liberties and democratic rights are not still guaranteed safely enough and they can be under threat any moment in anywhere, even in the Western countries.«
And I also want to send my special thanks to the journalists of my country who are in jail now. I thank them because of their articles, the news they made, the effort to uncover the blanket over the truth. And of course, I thank them for their bravery that gives us hope.
I also want to thank the politicians in jail. Since they made democracy meaningful. They showed their people the peaceful ways of claiming their rights rather than resorting to violence. They made our political life
colourful.
I thank all the innocent people in jails, who pay the cost of being oppositional, believing in democracy and fighting for democracy. I thank them because they made my country a liveable place. As long as they are in jail, it is not so... But I do not loose my hope. We, the Turkish people, can make our country again a liveable place, a country progressing towards democracy and liberty. We should not loose our hope. We can imagine a new start in the referendum in April. And then we will start hoping again, we will start to hope to build our country again.
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In der Welt gab es bereits Anfang März (1.3.17) ein Interview mit Can Dündar, dem Ex-Chefredakteur der renommierten linksliberalen Tageszeitung Cumhuriyet: »Wir erleben die letzte Phase von Erdogans Regime« war es hoffnungsvoll überschrieben. Inschallah!
Dündar macht zugleich klar: »Ich hoffe, inzwischen hat jeder begriffen, wie schlecht es um die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei bestellt ist. Deniz Yücel ist einer der 150 Journalisten, die im
Gefängnis sitzen. ... Die Kollegen wissen, dass die türkische Regierung sie als Geiseln genommen hat. Recht und Gesetz sind ausgeschaltet. Jetzt richten sich alle Augen auf den Ausgang des Referendums. Wir müssen diesen politischen Kampf gewinnen. ... Viele haben den Eindruck, dass sich die Türkei auf dem Weg in eine Art Diktatur befindet. ... Durch den Flüchtlingsdeal hat sich Erdogan das Stillschweigen der europäischen Regierungen erkauft. Die Konsequenzen können wir jetzt
besichtigen. Es sollte uns eine Warnung sein: Dieser Deal hatte einen Preis. Der nächste Flüchtlingsstrom kommt nicht aus Syrien, sondern aus der Türkei selbst.«
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In unserer inoffiziellen Rubrik »Besseres Kino jenseits des Kinos möchten wir heute mal auf die ›Denkerei‹ von Bazon Brock hinweisen. Da findet man wöchentlich großartige, anregende, im besten Sinn ruhestörende Programme. Am kommenden Samstag zeigt Brock drei Filme von Werner Nekes, um den verstorbenen Filmemacher in die Unsterblichkeit zu begleiten. Es lohnen auch Brocks Texte zu Nekes die Lektüre, zum Beispiel dieser hier über ›Barocke Evidenzkritik der
Avantgarde‹ im Werk von Nekes. Zuvor ging es in der Denkerei um die berühmte Beuys-Behauptung ›Jeder ist ein Künstler‹ und deren gegenwärtige Auslegung. Für Bazon Brock war da der Begriff der ›Haltung‹ entscheident. Künstler ist jemand, der eine Haltung hat. Und ›Haltung hat jemand, der sich nicht verbiegen lässt von der Angst des Versagens.‹ (Brock).
Da spätestens fiel mir das Interview der letzten Woche mit Heike-Melba Fendel zur
Frauenfrage wieder ein, dass ja für allerhand, erwartbares und meist erwartbar unterkomplexes Rumoren gesorgt hat.
›'Jeder ist ein Künstler' heißt nämlich auch: Man ist das, was man beschließt zu sein. Frage also: Warum definieren sich Frauen in letzter Zeit so gern 'als Frau'. Anstatt als Filmemacherin. Oder einfach als Mensch. Das könnte grundsätzlich im Kampf für Gleichbehandlung helfen. Freilich muss, wer sich Filmemacherin nennt, dann irgendwann dann natürlich
auch welche machen, zu denen sie steht.
Mir scheint, sich 'als Frau' zu definieren, heißt schon, sich klein zu machen. Versteht man, was ich meine?‹«
(to be continued)