68. Berlinale 2018
Höllenfahrt in den siebten Filmhimmel? |
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Wenn alle Filme so werden wie Wolfgang Fischers Styx, wird die Berlinale ein Himmelreich... | ||
(Foto: Zorro Film GmbH / 24 Bilder Film GmbH) |
Heute geht es los auf den Leinwänden der Berlinale. Und man kann sagen endlich. Endlich geht es um die Filme. Nicht mehr um Polemik und Politiker, Manifeste und Proteste, den alten Direktor, der an seinem Sessel klebt und die neue Direktorin, die noch gar nicht bestimmt ist.
Endlich geht es um die Filme. Um Regiehandschriften, um Stilformen und Filmästhetiken, Geschichten und Narrative und um all das, was sie repräsentieren, nämlich Erfahrungen und Wahrnehmungsweise anderer
Menschen, anderer Kulturen und Lebensweisen, Ideologien und Weltanschauungen.
Sage und schreibe 385 Filme, die historische Retrospektive und den Filmmarkt nicht mitgerechnet, laufen an den nächsten zehn Tagen auf dem größten deutschen Filmfestival. Das sind mehr als in Cannes und Venedig, bei den überlegenen Berlinale-Konkurrenten zusammen – und man versteht, warum hier viele von Masse statt Klasse reden, eine Reduktion fordern.
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Denn was ist der Sinn eines Filmfestivals? Sichtbarkeit. Wer unsichtbar bleibt, hat schon verloren, und bei rund 400 Filmen ist der einzelne Film halt nur ein Viertel dessen wert, was er in Cannes ist, wo es bei gut 100 bleibt.
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Aber was kann man nicht alles sehen! Und wie kann man sehen!
Die Berlinale ist, was immer sich sonst noch über sie sagen lässt, ein riesiger Kosmos, ein Bilder-Fest der Kulturen und der Vielfalt. Zugleich muss und wird sich die Berlinale schon jetzt neu erfinden. Unsere Welt ist in Bewegung, mehr als Vielen lieb ist.
Zehn Tage lang wird man der Welt hier sehr nahe kommen. Zehn Tage können das Bewusstsein erschüttern. Unter Umständen. Hoffentlich.
Geht man nach dem Eindruck auf Papierform, wird dies ein sehr spannendes Festival. In der vorletzten Berlinale unter seiner Leitung will es der Berlinale-Direktor offenbar noch einmal allen zeigen. Vier deutsche Filme sind allein schon im Wettbewerb zu sehen.
Aber Zahlen allein sind keine Qualität. Und Papier ist bekanntlich geduldig. Manche Filme liefen bereits bei anderen Festivals wie Sundance, wie der Wettbewerbsbeitrag von Gus van Sant. Er bekam immerhin gute Kritiken.
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Besonders aufmerksam wird man in diesem Jahr das Panorama verfolgen, die größte aller Sektionen. Nach fast 30 Jahren gab Wieland Speck die Leitung auf und ein neues junges Team rund um Leiterin Paz Lazaro versucht einen Neuanfang.
Von der Kraft des Widerstands sprachen sie in ihrem ersten öffentlichen Papier. Man darf gespannt sein, was das heißt.
Die 68. Berlinale möchte laut Pressemitteilung das Jubiläum der Revolte von 1968 begehen – aber nur eine Handvoll Filme im Programm haben mit ‘68 irgendetwas zu tun, und manchmal nur sehr mittelbar.
Und wie steht es sonst mit dem Politischen, das die Berlinale schon im Marketing für sich in Anspruch nimmt? Man wird in vielen Filmen Themen, Regionen und Menschen begegnen, die man auch schon aus den Nachrichten kennt.
Um die Flüchtlinge kommt die Berlinale nicht herum. In vielen Filmen spielen sie eine Rolle.
Die Rechtspopulisten und Rechtsextremen dagegen auffallend wenig.
Ohne »Me Too« geht es auch nicht – allerdings stellt die Berlinale hier die
interessantesten Fragen gerade nicht.
Denn die Verhältnisse im Produktionsstudio kann sie nicht beeinflussen. Aber wie sieht es in der Berlinale selber aus: Berlinale-Mitarbeiter klagen über die Arbeitsbedingungen. Im Vorfeld gab es Anschuldigungen wegen Sexismus und Rassismus – die aber verschwanden wieder schnell aus den öffentlichen Medien.
Die Berlinale könnte auch die Initiative von Anna Brüggemann unterstützen, die unter dem Namen »Nobodysdolls« die »Me Too«-Debatte auf die betroffenen Frauen zurückspiegelt, und auf Festivalebene führt. Unterstützen hieße: Sie könnte sie gutheißen. Sie könnte sie öffentlich promoten, auch gegenüber Sponsoren vertreten. Sie könnte den eigenen roten Teppich verändern. Nichts davon geschieht bisher.
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Die Berlinale versucht auch die Berichterstattung zu gängeln und praktiziert eine in der internationalen Festivalwelt einmalige Sperrfristregelung. Deswegen sollen wir hier nicht – was wir gern würden – über Filme wertend berichten dürfen, die auf der Berlinale ihre Weltpremiere haben.
Einer von Ihnen eröffnet am Freitagabend das Panorama-Special Styx von
Wolfgang Fischer. Die grandios erzählte poetische Geschichte des Abenteuers einer Ärztin, die als Alleinseglerin dem Grauen und ihren eigenen Abgründen begegnet. Eine Höllenfahrt.
Wenn alle Filme so werden, wird die Berlinale ein Himmelreich.
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Endlich geht es um die Filme. Oder auch nicht. Noch nicht.