68. Berlinale 2018
Bilderrauschen |
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Djamilia von Aminatou Echard | ||
(Foto: Aminatou Echard / Forum Berlinale) |
Von Dunja Bialas
Ins Forum einzutauchen, verbindet sich immer auch mit der Gefahr einzuschlafen. Linie des Festivals im Festival sind die leisen, langsamen, unnarrativen Filme, die auch mal gerne auseinanderfallen. Im besseren Fall kann man sich dann aber immer noch an den schönen Bildern festhalten, wie im Fall des leider allzu sehr ins Allegorisch abdriftende OUR MADNESS des Angolaners Joao Viana, über eine Frau, die einer Psychiatrie in Moçambique entkommt und sich mit einem Krankenhausbett, ihrem Sohn und Mann auf einen animistischen Trip in Schwarzweiß begibt – vor immerhin umwerfenden Schauplätzen.
Manche Filme will man mögen wollen, wie den Film vom afrikanischen Kontinent, aber auch wie THE RARE EVENT, dem neuen Film der »beiden Bens«, Ben Rivers und Ben Russell, beide im anthropologischen Kino zu verorten. Rivers & Russell haben einen sehr konzeptionellen, verkopften Film über eine Theorie-Talkrunde gemacht, an der Luc Nancy, XXX teilnehmen. Es wird über die Möglichkeiten von Widerstands gesprochen. Um die hochgradige Abstraktionsebene noch einmal zu steigern, lassen Rivers & Russell zusätzlich die Runde von einem in einen grünen Ganzkörperanzug gekleideten „Alien“ umkreisen, der wie im Greenroom der Fernsehstudios Fläche bietet für digitale Monturen – die wiederum einen animierten Raum der tanzenden geometrischen Formen eröffnen. Klar, hier wird gegen das Verstehen aller Widerstand aufgeboten, und es macht auch tatsächlich Spaß, dies langsam zu erkennen und das frustrierende Unterfangen, den Sinn des gesprochenen zusammenzuhalten, aufzugeben. Wie so oft aber bei Konzeptfilmen, bleibt dies letztlich ein rein intellektuelles Vergnügen und am Ende eine unsinnliche Kopfgeburt – da kann das Parkett noch so knarzen und die 16mm-Bilder noch so körnig sein. Rivers & Russell widmen sich in ihrer zweiten Zusammenarbeit klar immer noch der Anthropologie, und vielleicht gehört ja eine derartige Talkrunde auch zu einer von den der Zivilisation abgelegenen, utopischen Gesellschaften, die sie in ihren Filmen portraitieren. Dennoch bleibt Enttäuschung zurück, wir sehen reine Kunst, die am Ende einfach nur verpufft.
DJAMILIA der Französin kirgisischer Abstammung Aminatou Echard war immerhin ein erstes Highlight im Forum. Ganz in Super8 gedreht, sehr grobkörnig, zeigt der Film Impressionen aus dem Frauen-Alltag Krigisiens: Tee wird zeremoniell in Tassen gegossen und in die Kanne zurück, Teppiche und Mobiliar lassen die Räume schwer und unentrinnbar wirken. Die Landschaft zerfließt unter dem unscharfen Korn der Super-8-Aufnahmen, erinnert in vielem an Koberidzes in niedriger Auflösung gedrehten LASS DEN SOMMER NIE WIEDER KOMMEN, der letztes Jahr bei der Woche der Kritik, der Must-see-Parallelveranstaltung zur Berlinale, für große Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Über die stumm aufgenommenen Bilder legt sich Sound, der separat aufgenommen wurde: Atmosphärisches aus den Räumen, auf der Straße eingefangene Geräusche, das Rauschen der Natur, kurz: wunderbare Soundscapes. Und: Stimmen, Frauenstimmen, die erzählen. Ganz allmählich formiert sich eine sehr starke, sehr politische, sehr erschütternde Ebene über die jetzt wie Bilder eines Verlorenseins wirkenden Bilder: Zu vernehmen ist, wie die Frauen, die erzählen, zwangsverheiratet wurden, wie sie versuchten auszubrechen aus der Ehe, wie sie auch verstoßen wurden, wenn der Mann sich einfach eine andere Frau nahm. DJAMILIA ist ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür, dass politische Filme nicht mit Talking Heads oder schockierenden Bildern aufwarten müssen, sondern Kunst und Experiment dies genial in Szene setzen können.