Cinema Moralia – Folge 175
Kunstfreiheit statt Gremienfilme! |
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Die echte Romy Schneider in Quiberon. Ja, es waren drei Tage | ||
(Foto: Stern) |
Den Unterschied zwischen Romy Schneider und Schauspielerinnen, die Romy Schneider spielen, hatte ich vorvergangene Woche in »Cinema Moralia« eigentlich nicht mal beschrieben, sondern eher angedeutet; noch mehr den Unterschied zwischen den Zeiten, als Romy Schneider noch ein internationaler Star war und der Gegenwart, in der es kaum internationale deutsche Stars gibt, und das keineswegs zufällig. 3 Tage in Quiberon, das Romy-Biopic von Emily Atef ist da nur ein Anlass, diesen Niedergang zu bemerken Not amused war darüber Maria Köpf, ehemalige Filmproduzentin, jetzt als Förderchefin von Hamburg Schleswig-Holstein mitverantwortlich für den Film. Sie fühle sich als Filmfunktionärin angesprochen, »da die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein 3 Tage in Quiberon von Rohfilm Factory maßgeblich mit unterstützt hat« – meinte Köpf so weit ganz zutreffend in einer Facebook-Reaktion auf meinen Text. Dass »wir ziemlich stolz darauf sind« bleibt ihr ebenfalls unbenommen, auch wenn ich es noch viel toller fände, wenn mal eine Filmfunktionärin statt öffentlich stolz zu sein, und zu loben und sich selbst auf die Schulter zu klopfen, offen Fehler eingestehen könnte, und öffentlich erzählt, auf welche Filme sie denn nicht stolz ist, sich möglicherweise sogar schämt. Oder gibt es das gar nicht, weil solche Gedanken nicht zugelassen werden, auch innerlich nicht?
Es ist ja nicht das Lob als solches, das stört, sondern die fortwährend hinausposaunte unisono Super-Stimmung, die die öffentlichen Reden und Mitteilungen der Filmförderer so anstrengend macht, wie sonst nur Volksmusiksendungen im deutschen Fernsehen. Wenn nur übertrieben gelobt wird, und nie differenziert, geschweige denn mal kritisiert, dann ist alles eben unglaubwürdig und prinzipiell im Verdacht der Propaganda.
Der wird nicht weniger, wenn ich dann weiterlese:
»Über Geschmack kann und muss man streiten, aber die Art und Weise wie dieser großartige Film, in den ab heute hoffentlich viele Zuschauer gehen werden (oops, Ergötzung) hier diskreditiert wird und als 'unnötig' eingestuft wird, sieht schwer nach Geschmackspolizei aus.«
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Das wiederum sieht sehr nach Zensurgelüsten aus, und nach dem Drang, einzuschüchtern. Lassen wir mal dahingestellt, ob ich jetzt überhaupt irgendwen »diskreditiert« habe (außer namentlich ungenannten, jedermann bekannten »Arte«-Redakteuren); es würde mich ja eh mal interessieren, wie man denn »über Geschmack streiten« muss, um sich nicht den Geschmackspolizei-Vorwurf einzuhandeln.
Aber warum muss jemand, der nicht ohne Macht in der deutschen Filmbranche ist, gleich mit
derart deplatzierten, aggressiven Begriffen kommen? Ich will nichts verbieten und niemanden verhaften. Es ist viel einfacher: Ich interessiere mich null für diesen Film – gerade weil ich Romy Schneider toll finde, so toll, dass man über sie keine Filme machen muss, in denen sie von einer anderen gespielt wird. Diese andere, Marie Bäumer, fand das übrigens auch lange Zeit – aber nicht mehr bei diesem Film. Emily Atef ist auch eine gute Regisseurin – um all das geht es
nicht, sondern um die Frage, ob und warum eigentlich alles verfilmt werden muss. Muss es nicht! Lieber authentische, neue Geschichten erfinden, etwas riskieren, als auf Nummer sicher reiten, als jeden Bestseller verfilmen und eine schöne Leiche nach der anderen ausschlachten. Das ist Zynismus oder Gedankenarmut. Das ist nicht zuletzt die Risikoangst der deutschen Förderfunktionäre, die sich dann wieder wundern, warum sich international keiner für deutsche Filme interessiert.
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Mehr als 40.000 Zuschauer hatte 3 Tage in Quiberon bereits am ersten Wochenende. Das ist sehr schön für den Verleih Prokino und die Regisseurin, und wahrscheinlich auch schön für die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Ob es auch fürs deutsche Kino schön ist, auf lange Sicht, da bin ich mir weniger sicher.
Möchten wir uns denn ein deutsches Kino vorstellen, dass nur noch Geschichten
aus dritter, vierten Hand erzählt? Die in der Verganhgenheit spielen, die Mythen der Vergangenheit reproduzieren, aus Mangel an gegenwärtigen? Die Verfilmung eines Buches, in dem zwei Männer über eine Begegnung vor bald vierzig Jahren schreiben, die seinerzeit auch schon ihre Karriere hinter sich hatte?
Welches deutsche Schauspielerinnenschicksal wird man in vierzig Jahren verfilmen? Heike Makatsch? Veronika Ferres? Geh, bitte!
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Das Filmfestival von Cannes provoziert Diskussionen. Unerwartete, interessante. Diskussionen über das Kino, nicht über Festivalleiter, Zahl und Qualität der Filme oder die Frage, ob nur ein Publikumsfestival ein gutes Festival ist.
Zuletzt saßen wir in Istanbul zusammen, immer im Blick der Berlinale-Delegation, die eine Eiswand aus (zur Abwechslung mal ganz esoterisch) »schlechter Energie« zwischen sich und allen anderen errichtet hatte, die nicht nur mir auffiel. Wir,
das waren diejenigen türkischen Kollegen, die auch nach Cannes fahren, die fürs Istanbuler Festival arbeiten, die das türkische Autorenkino schätzen, und ein paar Gäste aus Europa, die zu Gast waren.
Ob der Netflix-Bann gut sei, war eine Frage. Ich bin da weniger sicher, als vor ein paar Wochen. So sympathisch es mir ist, auf dem Kino als Abspielort zu beharren, so sehr gibt mir ein anderes Argument zu denken. Es stammt von Christian Jungen, Kulturchef der NZZ. Cannes sei, sagte er mir
in einem Gespräch, das wir größtenteils öffentlich auf zwei Podien während des Frankfurter »Lichter«-Filmfests führten, seit jeher der privilegierte Ort des Autorenfilms. Man pflege und entdecke Filmemacher, und das kompromisslos. Jetzt plötzlich mache Cannes nicht den »Auteur« und sein Werk zum Kriterium, sondern Produktions- und Abspielverhältnisse. Entscheidend sei aber doch die Qualität des Films und nur sie, nicht, ob, wann und wie er ins Kino komme.
So mache sich Cannes
eher abhängig von einem US-Studio und von französischen Verleihern. Es gehe aber darum, zu entdecken und Loyalität zu erweisen. Warum Scorsese ablehnen, wenn er einen guten Film gemacht hat?
(to be continued)