Cinema Moralia – Folge 174
Achternbusch in der Staatskanzlei |
![]() |
|
Filmförderung ist, was die Politik will. Achternbuschs Gespenst wurde einst in Bayern verboten, Gansels betulicher Jim Knopf ist durchgefördert. Gut, dass Achternbusch damals schon so schön die Zunge rausgestreckt hat. | ||
(Foto: Herbert Achternbusch) |
»In all my early films, from Jaws to Raiders to E.T., I was telling the story from a seat in the theater ― from the audience, for the audience ― and I haven’t done that in a long time, I haven’t really done that since Jurassic Park, and that was in the ‘90s.«
Steven Spielberg, im Gespräch mit der »New York Times«
»FilmFernsehFonds Bayern – Verleihförderung: 250.000 € (3/2018)
DFFF Deutscher Filmförderfonds: 4.000.000 €
German Motion Picture Fund – Produktionsförderung: 2.500.000 €
Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg – Produktionsförderung: 450.000 € (10/2016)
Filmförderungsanstalt – Produktionsförderung: 800.000 € (11/2016)
FilmFernsehFonds Bayern – Produktionsförderung: 1.024.087 € (10/2016)
Medienboard Berlin-Brandenburg – Produktionsförderung: 800.000 € (8/2016)«
Fördergelder für Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, »Ratpack« Filmproduktion, München
Der deutsche Film ist ein Scheinriese. Es gibt unglaublich viel Geld, daran liegt es nicht. Deutschland ist das europäische Land mit dem zweithöchsten Förderetat aller Länder. Und gerade daran gemessen kommt unglaublich wenig heraus. Bei Filmfestivals, vor allem den guten, ist es kaum vertreten, viel weniger als nominell »kleine« Filmländer wie zum Beispiel Dänemark, Österreich oder Rumänien. Ins Ausland verkaufen sich deutsche Filme schlecht. Es gibt kaum internationale
deutsche Stars – zwar ergötzen sich deutsche Filmfunktionäre und ihr Publikum an einer Romy Schneider für Arme in einem Biopic, das außer einem maßgeblichen ARTE-Redakteur keiner gebraucht hat – die Zeiten einer Romy Schneider oder eines Gerd Fröbe, einer Karin Dor und eines Curt Jürgens, eines Horst Buchholz oder einer Senta Berger (Im Kino, nicht im Fernsehen! In Hollywood, nicht »unter Verdacht«!!) sind lange vorbei. Aber das war ja auch »Opas Kino«, und das war ja angeblich
ganz, ganz schlecht – sagen die, die es meistens gar nicht kennen.
Reden wir jetzt mal noch nicht von Kunst, sondern vom Geschäft: Ungeachtet der immensen Etaterhöhungen der Fördertöpfe ist der Zuschaueranteil deutscher Kinofilme in Deutschland seit zwanzig Jahren in etwa gleichgeblieben. Er liegt bei knapp über zwanzig Prozent. Das heißt: Die immer höheren Fördersummen zahlen sich im Kino nicht aus, sie dienen nur dazu, dass die ganzen netten Menschen der Branche nicht
arbeitslos werden, und dass die viel zu vielen Gremien irgendetwas zu tun haben, das den Aufwand rechtfertigt.
Jede Kinokarte für einen deutschen Film wird mit mehreren Euro subventioniert. Auch hier ist es nur die Frage, was man dazu rechnet: Nur die Produktion der Filme oder auch die Verleihförderung, die Förderung für Kinos, für Filmausbildung und nicht zuletzt die Gebührengelder der Fernsehsender, die in kleinen Anteilen in die Produktion fließen. 93 bis 97 Prozent der
deutschen Fördergelder sind reine Subvention, das heißt, sie werden nicht zurückgezahlt.
+ + +
Diese Art der Filmförderung ist übrigens illegal. Nach europäischem Recht ist Wirtschaftssubvention nur in Ausnahmefällen und nur auf Zeit erlaubt. Um legal zu sein, müsste Filmförderung glasklare Kulturförderung sein. Das ist sie aber nicht, wie deutsche, auf »Wirtschaftseffekte« pochende Funktionäre und europäische Prüfer einvernehmlich feststellen.
Das habe ich auf Cinema Moralia bereits vor Jahren geschrieben – jetzt haben es weitaus kenntnisreicher
und kleinteiliger als ich damals Jascha Alleyne und Lars Henrik Gass in einem Vortrag in Frankfurt ausgeführt. Dazu nächste Woche beim Kongressbericht.
Warum geht es in Deutschland trotzdem so weiter? Es gibt keinen Kläger. Nicht, weil man sich nicht mit der Mafia anlegt, sondern weil solche Klagen teuer sind, und es keine echten Interessenten gibt.
Vielleicht liest das ja jemand, der gerade eine halbe Million übrig hat, um die Klage vorzubereiten. Im Erfolgsfall kostet das
dann nichts.
+ + +
Es geht mir nicht um Kritik dieser Förderung, sondern um Kritik der Ergebnisse. Natürlich könnte man einmal darüber nachdenken, warum es Filmförderung überhaupt geben muss, wo doch gerade die Lautesten unter den Filmproduzenten und Verbandsfunktionären und Förderern immer gerne betonen, es ginge ums Geschäft, um das Publikum (also um viele Kartenverkäufe), und könne nicht immer um Kunst gehen.
Gerade die, die das sagen, sind an ihren Maßstäben gemessen, meistens
Versager.
Alles das wäre trotzdem in Ordnung, wenn dabei gute Filme herauskämen. Das ist viel zu wenig der Fall.
Höchste Zeit daher, mal über die Zukunft des deutschen Films zu debattieren. Genau das hat jetzt ein zweitägiger Kongress in Frankfurt getan, der im Rahmen des »Lichter«-Filmfest stattfand. Eine fulminante, sehr lohnenswerte Veranstaltung, eigentlich zu dicht und voll für nur zwei Tage.
Bevor wir über die Zukunft des deutschen Films reden können, muss es aber um
seine Gegenwart gehen.
+ + +
Quizfrage bei »Wer wird Millionär?«: Was ist der teuerste deutsche Film? Antwort: »Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer« – nicht von der Augsburger Puppenkiste, sondern vom Münchner Rattennest »Ratpack«.
Das Gesamtbudget beträgt ca. 27 Millionen Euro, hinein gingen über 9,8 Millionen Fördergeld.
+ + +
Es klingt wie der Ausschnitt aus einer absurden Komödie, Achternbusch in der Staatskanzlei: Am 1. Februar wurde Carolin Kerschbaumer die Geschäftsführerin des FFF-Bayern, und damit Nachfolgerin von Klaus Schaefer. Jetzt, knapp zehn Wochen nach Amtsantritt und einen FFF-Berlinale-Empfang später geht sie schon wieder.
An diesem Mittwoch ließ der ebenfalls neue FFF-Aufsichtsratsvorsitzende und »Medienminister« Georg Eisenreich mitteilen, dass Kerschbaumer bereits zum 15.
April 2018 in der Bayerischen Staatskanzlei die Leitung der neuen Abteilung Digitales und Medien übernehmen soll.
Eisenreich ließ sich wie folgt zitieren: »Ich danke Frau Dr. Kerschbaumer für die beim FFF Bayern geleistete hervorragende Arbeit und ihre Bereitschaft, sehr kurzfristig eine wichtige Aufgabe in der Staatskanzlei zu übernehmen. Sie wird auch in ihrer neuen Position einen wichtigen Beitrag dafür leisten, Film und Medien in Bayern voranzubringen. Den neu in der
Staatskanzlei angesiedelten Bereich Digitales wird sie in verantwortlicher Funktion mit aufbauen.«
Wir wüssten wirklich gern ein paar Details über die beim FFF in zehn Wochen geleistete »hervorragende Arbeit« – die Formulierung klingt ja eher nach zehn Jahren.
Immerhin sind wir mit dem Minister einer Meinung, dass Film und Medien in Bayern vorangebracht werden müssen.
+ + +
Wir lernen nun nichts Neues: Der Posten der FFF-Geschäftsführung ist überaus CSU-nahe. Wir lernen weiterhin: Einer der einflussreichsten deutschen Filmförderposten ist Verfügungs- und Verschiebemasse der Politik.
Aber es gibt auch offene Fragen: War die FFF-Position nun von Anfang an nur ein Parkplatz für Frau K.? Oder hatte man keinen Ersatz für Klaus Schaefer? Ist ein Abteilungsleitungsposten mächtiger, oder attraktiver als die FFF-Geschäftsführung? War die Berlinale so
schlimm?
Und was passiert mit Frau K. wenn die CSU die Wahl verliert?
+ + +
Jetzt kurz mal frische Luft und ein Blick nach draußen.
Seit den 70er Jahren pendelt Steven Spielberg immer konsequent zwischen Romantik und Spektakel, Unterhaltungsblockbustern und prestigeträchtigen Filmen mit hohem Anspruch. Auf den ersten Indiana Jones folgte direkt Die Farbe Lila,
1993 drehte er im gleichen Jahr Jurassic Park und Schindlers Liste – Erfolg hatte er auf beiden Feldern, und Spielbergs allerbesten Filmen gelang es mal mehr, mal weniger erfolgreich, Spektakel mit Anspruch zu verbinden: Der weiße Hai (1975), E.T. (1982), Der Soldat James Ryan (1998) und Catch Me If You Can (2002). Seit Krieg der Welten 2005 war
Spielbergs Name aber in den letzten Jahren kein Garant mehr für Box-Office-Erfolge. Und nachdem er mit dem Historiendrama Lincoln 2012 noch diverse Oscar-Nominierungen einheimste, gelang ihm das zuletzt auch nicht mehr: Die Verlegerin war nur zweimal nominiert, und ging leer aus.
Also hat es
seine guten Gründe, dass die »New York Times« in einem überhaupt sehr interessanten Artikel schon im Titel fragt: »Can Steven Spielberg remember, how to have fun?«.
Darin findet sich dann ein interessantes Zitat: »In all my early films, from Jaws to Raiders to E.T., I was telling the story from a seat in the theater ― from the audience, for the audience ― and I haven’t done that in a long time, I haven’t really done that since Jurassic Park, and that was in the ‘90s.«
Warum auch nicht?
Der Zuschauersitz ist ja nur eine unter vielen möglichen Perspektiven.
+ + +
Der Scheinriese namens deutscher Film sitzt nicht mal in diesem Sessel. Die Zukunft des deutschen Films müssen wir daher vertagen. Wiedervorlage frühestens nächste Woche.
(to be continued)