29.11.2018

Die ulti­ma­tive Academy-Award-Prognose 2019

Oscar 2019
Unser Oscar-Guru weiß, wer die Oscars 2019 bekommt. Wetten?

Der Oscar-Guru hat die Academy-Award-Kategorien einmal gründlich überdacht und wagt eine Prognose

Von Johannes Seidel

Die »Award-Saison«, der große Anlauf auf die Oscars, wurde soeben gestartet: Mit der Vergabe der Indie-Kritiker-Gotham-Awards an das Western-Drama The Rider von Chloé Zhao wurde der Wettlauf am 26. November offiziell eingeläutet. Die, wenn man so möchte, »Schlamm­schlacht« der Promoter im Rennen darum, den eigenen Film möglichst anspre­chend darzu­stellen, hat somit begonnen. Dabei ist das Herab­setzen der Konkur­renz natürlich verpönt, es geht eher darum, der eigenen Werbe­kam­pagne einen poli­ti­schen Hinter­grund zu verschaffen, welcher Gewis­sens­bisse verur­sacht und damit Stimmen einbringt. Politics sells!
Eine harmlose Variante (es ist nun mal früh und wildere Anwärter stehen noch aus) wäre hier Glenn Close. Diese soll nach sechs­ma­liger Nomi­nie­rung ohne Sieg (so werden die Academy-Member, die zur Oscar-Wahl aufge­rufen sind, stets erinnert) doch endlich den Award als beste Haupt­dar­stel­lerin für eine gute, doch sicher­lich nicht jahres­beste Schau­spiel­leis­tung in Die Frau des Nobel­preis­trä­gers erhalten.

Der Erfolg dieser gezielt insze­nierten Rolle des »Karrie­re­os­cars«, bevor es dafür zu spät wäre, hängt nun vom schwer einschätz­baren guten Willen der paar tausend aktiven Wähler ab. Eine Vielzahl externer Faktoren, die nicht mit der eigent­li­chen Qualität zusam­men­hängen, erschweren die Einschät­zungen der Film­lieb­haber enorm, sind jedoch leider nicht zu vernach­läs­sigen und natür­li­cher Teil des Prozesses. Hier kann wohl nur der Oscar-Guru weiter­helfen, dessen Einschät­zungen ein Gesamt­bild zeichnen können. Der weiß: Welche DVDs wann an die Mitglieder verschickt werden, ist ebenso relevant wie der Umfang des beim Business-Lunch mit dem Star versprühten Charmes, oder die Qualität des Buffets, welche sich die Produk­ti­ons­firma für eine gute Plat­zie­rung leisten möchte.

Lasst uns unter diesen abstrusen Rahmen­be­din­gungen ein Expe­ri­ment wagen, eine Einschät­zung darüber, welche Oscars vergeben werden. Wohl­ge­merkt, nicht der Nomi­nie­rung, sondern der tatsäch­li­chen Verlei­hung, die erst in vollen drei Monaten statt­findet. Eine Einschät­zung noch vor Vergabe der Industrie- und Kriti­ker­preise, vor all diesen ander­wei­tigen Faktoren, welche das Rennen maßgeb­lich beein­flussen werden: Natürlich ist das größen­wahn­sinnig. Doch viel­leicht einen Versuch wert. Auf Trai­ler­basis und vom Hören­sagen. Alles rein subjektiv-speku­lativ und ohne persön­li­ches Invest­ment. Im Zentrum steht die Frage, die immer alle am meisten inter­es­siert: Sind die Oscars wirklich so bere­chenbar? Oder ist doch der Guru einfach nur gut in dem, was er tut?

1. Kategorie: Fremde Zungen
Roma – Anti-Trump vs. Anti-Netflix

Bei Roma handelt es sich nicht nur um ein von Kritikern heiß­ge­liebtes Kunstwerk, der Film stellt gleich­zeitig die erste große Oscar­kam­pagne des Strea­ming­dienstes Netflix dar. Bis dato zeigte die Academy den »Ablösern« des Kinos in Haupt­ka­te­go­rien noch die kalte Schulter. Roma, insze­niert von Alfonso Cuarón, wird diesen Umstand nun aller Wahr­schein­lich­keit nach ändern. Cuarón wird hier nach Gravity seinen zweiten Oscar für die beste Regie erhalten. Ähnlich hohe Chancen besitzt der Film in der Kategorie »Beste Kamera«, welche sich durch die Gestal­tung in schwarz-weiß, mit ihren für den Regisseur typischen Plan­se­quenzen, vom Feld abheben sollte. Da der Film auf Spanisch gedreht ist, befindet er sich im Rennen um den besten fremd­spra­chigen Film, ein Oscar, welcher aufgrund des höchsten Profils von Roma in dieser Kategorie als einer der sichersten des Abends zu zählen ist.

Die Frage nach dem besten Film steht jedoch noch aus. Letztlich wird sich Roma mit dem Sieg des fremd­spra­chigen Films selbst Stimmen klauen: »Roma gewinnt bereits, jetzt verhelfe ich lieber meiner zweiten Wahl ebenfalls zu einem Sieg!«

Sollte sich dieses absehbare »Sich-selbst-im-Weg-stehen« jedoch nicht bewahr­heiten, die Academy sich somit nicht davon abschre­cken lassen, einen bereits prämierten Film in der Haupt­ka­te­gorie ein zweites Mal auszu­zeichnen, muss dieser als best-insze­niertes Werk des Jahres auch für den besten Film angedacht werden. Zwar müsste die Academy ihre Netflix-Aversion über­winden und sich einem langsamen, anspruchs­vollen, spanisch­spra­chigen Kunstfilm öffnen. Doch ist es kaum vorstellbar, dass die Chance auf die erst­ma­lige Auszeich­nung eines fremd­spra­chigen Films in der Haupt­ka­te­gorie im aktuellen poli­ti­schen Klima vertan würde. Denn Roma ist nicht nur ein fremd­spra­chiger Film, er ist ein mexi­ka­ni­scher Film und gibt dem links­li­be­ralen Hollywood die einmalige Möglich­keit, ein Statement der Inklusion zu setzen.

2. Kategorie: Arthouse-Konsens­film
If Beale Street Could Talk – Wieder schlechtes Gewissen?

Erst zwei Jahre sind vergangen, seitdem Barry Jenkins mit Moonlight in Folge der #Oscars­sowhite-Kontro­verse den Haupt­preis des besten Films gewonnen hat. Nun ist er mit einer Adapt­a­tion des Romans von James Baldwin erneut im Gespräch. Es gibt mehrere Faktoren, die dafür sprechen, dass eine Wieder­ho­lung des Sieges möglich wäre.

Der beste Film wird als einzige Kategorie der Oscars über das »prefe­ren­tial ballot« entschieden, ein Ranking­system, bei welchem nicht nur die Erst­plat­zie­rungen zählen, sondern ein Konsens erreicht werden soll. Der Film, dem die meisten Wähler wohl­wol­lend gegen­ü­ber­stehen, gewinnt. Beale Street, der auf künst­le­ri­sche Weise eine roman­ti­sche Geschichte erzählt, wird nicht nur durch Schuld­ge­fühle nach dem Moonlight-Debakel gestärkt, auch ist dieser, meiner Erwartung nach, der einzige afro-ameri­ka­ni­sche Top-Kandidat und hebt sich dadurch vom Feld ab. Ein erwar­teter Sieg für das beste adap­tierte Drehbuch, für die beste Filmmusik, so wie die Möglich­keit, Regina Kings als beste Neben­dar­stel­lerin zu küren, stützen die Chancen in der Haupt­ka­te­gorie.

Des Weiteren könnte sich für Barry Jenkins ein Oscar ergeben. Auf Basis des Hinter­grunds, dass noch nie ein schwarzer Regisseur ausge­zeichnet wurde. Jedoch nur, sollte er als einziger nomi­nierter afro-ameri­ka­ni­scher Regisseur ins Rennen gehen.

3. Kategorie: Main­stream-Konsens­film
A Star Is Born – (Zu) offen­sicht­li­cher Oscar-Bait

Die erste Regie­ar­beit Bradley Coopers, der zusätz­lich produ­zierte, am Drehbuch mitschrieb und die männliche Haupt­rolle spielt, geht als einer der kommer­ziell erfolg­reichsten Filme ins Rennen. Doch ob Cooper, voraus­sicht­lich vierfach nominiert, tatsäch­lich der neue »Star« ist? Ich hege Zweifel. Denn als vierte Auflage der klas­si­schen Geschichte kommt einem der Film, trotz zahl­rei­cher Moder­ni­sie­rungen, doch reichlich bekannt vor, ist dabei aller­dings in jeder Hinsicht hoch­wertig umgesetzt. Ebenjene breit­ge­fächerte, hohe Qualität, in Verbin­dung mit einer geringen Origi­na­lität, dürfte zu zehn Nomi­nie­rungen, jedoch nur wenigen Siegen führen.

Dennoch besitzt Cooper durchaus Chancen, wenn auch wohl ausschließ­lich für sein Schau­spiel, während der sichere Sieg von Lady Gaga mit dem besten Song für »Shallow« ihre darstel­le­ri­sche Leistung über­schatten müsste.

Da Musicals in der Kategorie »Bester Ton« meist gut abschneiden und sich bis dato kein Kriegs­film im Gespräch befindet, welcher diesen Oscar streitig machen könnte, ist hier ein Sieg als Kompen­sa­tion für Nieder­lagen in größeren Kate­go­rien wahr­schein­lich.

Denn auch wenn es sich bei A Star Is Born um einen Film handelt, der das Publikum kaum spaltet und dieser somit die Möglich­keit auf Gewinn des Haupt­preises durchaus besitzt, wäre mehr als der Sieg für einen Ton- und Song-Oscar nötig, um eine Recht­fer­ti­gung für den besten Film zu kreieren. Sollte also Cooper in seinem Schau­spiel nicht leer ausgehen, wäre A Star Is Born durchaus ernst­zu­nehmen.

4. Kategorie: Alterität
The Favourite – Schön wär’s!

The Favourite könnte der meist­no­mi­nierte Film des Abends werden. Das vom irri­tie­rend trockenen, insze­na­to­ri­schen Witz des Regis­seurs getragene Kostüm­drama rund um die poli­ti­schen Machen­schaften während der Herr­schaft von Queen Anne ist nur in Sachen Setting typische Oscarkost. Im Mittel­punkt stehen sexuelle wie psycho­lo­gi­sche Span­nungen des auf Augenhöhe agie­renden Schau­spiel­trios aus Olivia Colman, Emma Stone und Rachel Weisz. Die hoch­karä­tige Besetzung ist pola­ri­sie­rend insze­niert durch den Griechen Yorgos Lanthimos, bereits 2016 für das Origi­nal­dreh­buch zu The Lobster nominiert. Da der Film als außer­ge­wöhn­lich und vers­tö­rend wahr­ge­nommen werden wird und somit keinen Konsens treffen könnte, ist ein für Kostüm­dramen üblicher Kompen­sa­ti­ons­sieg in den Kate­go­rien bestes Kostüm­de­sign, bestes Szenen­bild und eventuell bestes Make-up/Frisuren zu erwarten.

Nicht so sicher wie der Sieg in den Ausstat­tungs­ka­te­go­rien, gäbe es doch die Möglich­keit, das Schau­spiel­ge­spann auszu­zeichnen. Am wahr­schein­lichsten hier Olivia Colman in der noch sehr offenen Kategorie der besten Haupt­dar­stel­lerin, während Emma Stone und Rachel Weisz für die beste Neben­dar­stel­lerin, im Zusam­men­spiel mit dem außer­ge­wöhn­li­chen, besten Origi­nal­dreh­buch, durchaus Potenzial besitzen. Vor allem ist dies der Fall, sollte nur eine der Neben­dar­stel­le­rinnen nominiert werden oder ausschließ­lich Colman als Reprä­sen­ta­tion für das starke Schau­spiel des Films, da somit nicht die Wahl einer »Favoritin« die Stimmen teilen würde.

5. Kategorie: Verwand­lungs­fähig­keit
Vice – Der zweite Mann – Mit Polit-Satire zum Schau­spiel­sieg

Weltweit bisher ungesehen und trotzdem noch in der ersten Reihe zu finden, ist der neue Film des Writer/Directors Adam McKay, der erst vor drei Jahren mit seiner Börsen-Dramedy The Big Short einen Oscar für das beste adap­tierte Drehbuch gewann.

Dabei so gar nicht im Hinter­grund als »zweiter Mann« befindet sich, in der Oscar-taug­li­chen »eine reale Person darstel­lenden« Rolle des Dick Cheney, Christian Bale auf Kurs, den Oscar für den besten Haupt­dar­steller zu gewinnen. Sollte sich dies bewahr­heiten, ginge, aufgrund der Verwand­lung des Schau­spie­lers mit Hilfe von Prothesen, die Möglich­keit des Oscars für Make-up/Frisuren mit dem Sieg Bales einher. Vice – Der zweite Mann, welcher die Hinter­gründe der Bush-Regierung beleuchtet, müsste sich als Gesamt­werk auf dem erwar­teten Niveau bewegen und die schlag­fertig tempo­reiche Ästhetik des Vorgän­gers aufgreifen, um für einen Sieg des besten Schnitts wie für die Möglich­keit des besten Origi­nal­dreh­buchs ebenfalls im Gespräch zu sein.

In der Rolle der Lynne Cheney besitzt des Weiteren Amy Adams eine realis­ti­sche Chance auf die beste Neben­dar­stel­lerin, war sie doch bereits fünffach für ihr Schau­spiel nominiert. Bisher ohne zu gewinnen.

Medaillen für die Teilnahme – Im Gespräch für eine Nomi­nie­rung: Green Book – Unkom­pli­zierter Rassismus für weißes Publikum

Für den besten Film wohl chan­cenlos, aber immerhin mit dabei: Green Book, eine formel­hafte Feelgood-Freund­schafts­ge­schichte, spielend in den Sech­zi­gern und ange­rei­chert mit Rassismus-Proble­matik. Mahers­hala Ali ist nach seinem Sieg vor zwei Jahren in ebenjener Kategorie erneut der erwartete Gewinner des besten Neben­dar­stel­lers, hat er doch für diese Kategorie eine unver­hält­nis­mäßig tragende Rolle in Green Book, was ihm einen Vorsprung gegenüber seinen Mitstrei­tern verschaffen müsste. Mit dieser Auszeich­nung würde der gemochte, in anderen Kate­go­rien aber zu vernach­läs­si­gende Film zumindest nicht leer ausgehen. Eine Menta­lität der Vertei­lung zur Zufrie­den­stel­lung aller Betei­ligten, die hier bereits öfter als Vorher­sa­ge­hilfe Verwen­dung fand.

Mary Poppins Returns – Nomi­nie­rungs-Klassiker

Ist absehbar, obwohl Rob Marshalls Musical bisher noch ungesehen verbleibt. Jedoch haben wir es hier mit der Neuauf­lage eines Klas­si­kers unter Führung von Oscar­lieb­lingen zu tun. Sollte sich der quali­ta­tive wie kommer­zi­elle Erfolg einstellen, ist die Kategorie des besten Films, als einziges Musical unter den Nomi­nierten, durchaus möglich. Sieg­chancen werden ggf. im Ringen mit The Favourite um den Kostüm- und Szenen­bild-Oscar entstehen, wobei davon auszu­gehen ist, dass Mary P. hier den Kürzeren zieht. Auch für die Filmmusik wie den besten Song sind Nomi­nie­rungen ebenso sicher, wie die Tatsache, dass in diesen Kate­go­rien stärkere Filme die Oberhand behalten werden. Der viel­fäl­tige Cast besitzt ausschließ­lich Nomi­nie­rungs­chancen für Emily Blunt in der titel­ge­benden Rolle, doch auch diese wird keine Früchte tragen. Somit beginnt die Suche nach dem Kompen­sa­tions-Oscar, der beste Ton wäre eine Möglich­keit, doch dieser geht bereits im Sinne der Musik an A Star Is Born. Übrig bleiben zu diesem Zeitpunkt die visuellen Effekte, in denen sich Mary P. durch das höchste Profil und den Mix aus hand­ge­zeich­neten wie compu­ter­ge­nerierten Effekten vom Feld abheben könnte. Darauf wetten sollte man jedoch nicht, denn es könnte hier locker ein effekt­las­tiger Block­buster, etwa der ebenfalls noch unge­se­hene Mowgli, Erfolg finden.

Aufbruch zum Mond – Der Solide

Als »gut gemachter« Film geht das Neil-Armstrong-Biopic von Oscar­ge­winner Damien Chazelle La La Land in die Verlei­hung. Einige tech­ni­sche Kate­go­rien, aber auch das Schau­spiel Claire Foys sind für eine Nomi­nie­rung im Gespräch, ein Oscarsieg steht jedoch nur für den besten Tonschnitt an. Die deutsche Bezeich­nung ist dabei mindes­tens irre­füh­rend, geht es doch deutlich weniger um den Schnitt als um die Bear­bei­tung, das »Editing« von Tönen. Dort besitzt auch ein solider Film mit Thema Weltraum­fahrt, aus offen­sicht­li­chen Gründen, recht wenig Konkur­renz, während dieser spezi­fi­sche Vorteil für weitere Kate­go­rien als nicht relevant anzusehen ist.

Can You Ever Forgive Me? – Der Indie

Als einziger Film einer Regis­seurin, nament­lich Marielle Heller, geht dieser Indie in die Oscar­vor­be­rei­tung, getragen ausschließ­lich von hohen Wertungen der Kritiker. Eine Nomi­nie­rung für den besten Film ist insofern möglich, da sich sowohl das adap­tierte Drehbuch zur Thematik des Schrift­stel­ler­tums als auch Richard E. Grant als bester Neben­dar­steller in den Top-Posi­tionen ihrer jewei­ligen Kate­go­rien befinden und Anreiz bieten, den Film zu sichten. Eine Nomi­nie­rung für Melissa McCarthy, bekannt für ihre komö­di­an­ti­schen Rollen und hier drama­tisch aufspie­lend, ist eine weitere Möglich­keit, welche dem Film helfen könnte, sein größtes Problem, eine geringe Visi­bi­lität, zu über­kommen. Dennoch ist große Liebe der Kriti­ker­preise gefragt, um es bis zu einer Nomi­nie­rung als bestem Film zu schaffen, welche dann auch schon den Sieg des Indie darstellen würde.

BlacKkKlansman – Der Relevante

Im Sommer und damit deutlich früher als die anderen Kandi­daten gestartet, läuft der »Joint« des ikoni­schen Regis­seurs Spike Lee Gefahr, bereits aus dem Bewusst­sein gerutscht zu sein. Als humo­ris­ti­sche Aufar­bei­tung einer abstrusen wahren Geschichte sind die Chancen des Films in der Kategorie des besten adap­tierten Drehbuchs zu suchen. Während der erin­ne­rungs­wür­dige Siebziger-Jahre-Sound zu einer Nomi­nie­rung für die Filmmusik führen könnte, wird es der Film in der Haupt­ka­te­gorie schwer haben. Das, obwohl Lee den Film, durch über­deut­li­ches Aufzeigen von Paral­lelen des Ku-Klux-Klans zu aktuellen Poli­ti­kern, direkt im Wohl­wollen der Academy posi­tio­niert. Doch ebenjenes über­deut­liche Anbiedern könnte BlacKkKlansman, dem es sowieso schon schwer­fällt, zwischen Blax­ploita­tion, Komödie und Thriller-Drama seinen Ton zu halten, zum Verhängnis werden.

Die Genrehürde: Widows – Frauen ohne Männer

Als Heist-Thriller, bzw. generell als Genrefilm, hat man es schwer, in der Academy ernst­ge­nommen zu werden. Dennoch haben es in den letzten Jahren tech­ni­sche Meis­ter­werke wie Mad Max – Fury Road oder der sozial-erin­ne­rungs­wür­dige Horror Get Out geschafft, über ebenjene Genrehürde zu springen.

Der erste Ausflug in das Genrekino des Regis­seurs SteveMcQueen, der zuletzt mit 12 Years a Slave für den besten Film gewonnen hat, könnte mit Hilfe der pres­ti­ge­träch­tigen Namen vor wie hinter der Kamera ebenjenen Sprung schaffen. Denn natürlich stehen die Namen für einen gewissen Anspruch. Konkret umgesetzt in der Umkehrung von Genre­tra­di­tionen wie einer Anrei­che­rung des Plots mit sozio­po­li­ti­schen Themen. Im Endeffekt ein thema­tisch reich­hal­ti­gerer Ocean’s 8.

Sollte der Film die Genrehürde über­winden können, fände sich die Begrün­dung nicht nur in der hoch­wer­tigen Insze­nie­rung, sondern sicher­lich auch im farbigen, den Femi­nismus beju­belnden Cast. Eine Nomi­nie­rung für den besten Film ist also keines­wegs ausge­schlossen. Auch die Regie, Kamera und das Origi­nal­dreh­buch sind nur knapp außerhalb der Top 5 ihrer jewei­ligen Kate­go­rien einzu­schätzen und könnten locker ein paar Plätze aufrut­schen. Realis­ti­sche Sieg­chancen bestehen, im Sinne des Action-Genres, jedoch nur in der Kategorie des besten Schnitts, sollte Vice dort nicht beein­dru­cken. Zusätz­lich wären Nomi­nie­rungen für den besten Ton und Tonschnitt wie auch für Viola Davis als beste Darstel­lerin nicht auszu­schließen.

Black Panther – Für die Einschalt­quoten

Hier haben wir es mit einem Sonder­fall zu tun, insofern als es sich um einen Marvel-Film mit sozio­po­li­ti­schem, zur Beschrei­bung der Academy Awards das sicher­lich rele­van­teste Wort, Hinter­grund handelt. Marvel und Oscar, wie passt das zusammen, fragt man sich. Zum einen ist Black Panther der erste in Afrika spielende Super­hel­den­film, zum anderen waren die Kritiken bei Veröf­fent­li­chung derart gut, dass es die »Academy of Motion Picture Arts and Sciences« dazu veran­lasste, etwas voreilig die neue Kategorie »bester populärer Film« zu verkünden. Diese wurde zwar für dieses Jahr wieder zurück­ge­nommen, jedoch sorgte die Kontro­verse dafür, dass Black Panther von manch einem plötzlich ernst­ge­nommen wurde. Persön­lich glaube ich an die Nomi­nie­rung des 18. Films im »Marvel Cinematic Universe« in Top-Kate­go­rien, erst wenn ich sie sehe; igno­rieren sollte man diesen Block­buster aus genannten »Hinter­gründen« jedoch nur mit Vorsicht.

Gewinn­chancen bestehen dabei zum Glück nicht. Eher ist zu erwarten, dass die Fans mit Nomi­nie­rungen in den Kate­go­rien des besten Songs, beste Kostüme, beste visuelle Effekte, zufrie­den­ge­stellt werden. Sollte Disney einen gran­diosen Tag haben, könnten sich der beste Ton und Tonschnitt zu den anderen tech­ni­schen Kate­go­rien gesellen.

Für die Nomi­nie­rung in der rele­van­teren Kategorie des besten Neben­dar­stel­lers wird Michael B. Jordan eine Außen­sei­ter­chance besitzen, deren Nomi­nie­rungs­er­folg jedoch mit der Hoffnung auf die Haupt­ka­te­gorie zusam­men­hängt.

Zusam­men­fas­send wären hier mehr als zwei oder drei Nomi­nie­rungen bereits ein Sieg, wobei auch der abzu­se­hende Aufschrei der politisch »enga­gierten« Twit­ter­ge­meinde, in Sachen Oscar eigent­lich komplett ahnungslos, ebenfalls als Amüsement berei­tender Sieg für uns, die wissenden Rezi­pi­enten, zu werten wäre.

Bester Anima­ti­ons­film:

Die Unglaub­li­chen 2 als lange erwar­teter, belieb­tester und erfolg­reichster Film der Kategorie. Seien wir ganz offen, hat er überhaupt Konkur­renz? Ein entfernter zweiter Platz wäre Isle of Dogs – Ataris Reise des Oscar­lieb­lings Wes Anderson, der im Vorfeld der Verlei­hung einige Kriti­ker­preise einheimsen dürfte.

Bester Doku­men­tar­film:

Won’t You Be My Neighbor müsste, ähnlich der Anima­ti­ons­ka­te­gorie, als erfolg­reichster Doku­men­tar­film des Jahres der Konkur­renz kaum Möglich­keiten einge­stehen.

Alles in allem ist natürlich das Feld für Nomi­nie­rungen wie Gewinner noch offen und wird in den kommenden drei Monaten durch diverse Kritiker- wie Indus­trie­preise erst wirklich abge­steckt. Dabei werden sich aus den genannten Top-Kandi­daten zwei bis drei mögliche Gewinner des besten Films etablieren. Welche das sein werden, wird sich vers­tänd­li­cher­weise erst in den Wochen vor der Verlei­hung, nach Sichtung der betei­ligten Filme, wahrhaft einschätzen lassen.

Bis dahin empfehle ich, immer schön ins Kino zu gehen und sich dort die eigene Meinung zu formen.

Euer Oscar-Guru Johannes Seidel