71. Locarno Filmfestival 2018
Tropfen auf heiße Stirnen |
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Wäre Locarno doch nur in Berlin... |
Nichts geht in Locarno. Die dummen Busse, die saudumme Fahrradregelung, das Wetter auf der Piazza, man kann hier wahnsinnig werden im Arbeitsalltag, wie bei keinem zweiten A-Festival.
Es ist heiß, zu heiß, auch zu feucht, nicht so wie in Berlin, sondern beklemmend schwül, die Hemden werden hier nach Minuten nass.
Das Internet der Stadt (FreeWifiLocarno) funktioniert sehr oft gar nicht, das des Festivals meistens nicht. In dem vom Hotel dell'Angelo, einem der ganz wenigen
verlässlichen Orte hier, wissen zwar noch nicht mal die meisten Kellner das Passwort, aber man bekommt es dann doch heraus und hat noch einen Grund mehr, hier immer wieder herzukommen.
Und so geht es weiter: Da die Kinos zu weit auseinanderliegen, als dass man schnell hin und herspringen könnte, braucht man Busse und Fahrräder. Weil Locarno im Gebirge liegt, sind die meisten Leihfahrräder Elektrobikes, die ohne Antriebshilfe sind meist private, die von irgendwelchen urig aussehenden, braun gebrannten und muskulös gestählten über 50-jährigen Schweizer Sportgranaten den Berg hochgetreten werden.
Die E-Bikes der privaten Verleiher und der Tourismusbehörde
muss man mindestens drei Monate im Voraus und für viele Franken reserviert haben, sonst gibt es keine mehr. Dafür aber gibt es die Räder des Festival-Vertragspartners. Die sind für Akkreditierte kostenlos, allerdings nur für drei Stunden am Tag ausleihbar. Denn, so ein sehr freimütiger Firmenangestellter: »Das ist ja eine Werbemaßnahme, in der es darum geht, E-Bikes bekannt zu machen. Darum sollen möglichst viele Leute mal ein E-Bike ausleihen.« Später bekommen wir dann zufällig
mit, dass für bestimmte (welche?) Akkreditierte doch Fahrräder länger ausleihbar sind, und zwar maximal zwischen 9 und 18 Uhr. Um 18 Uhr ist man hier aber im Kino, um 9 haben die Pressevorführungen bereits begonnen.
Der Festivalsponsor bietet also Räder an, die de facto unbenutzbar bzw. nur unter sehr unpraktischen Einschränkungen benutzbar sind. Selbst für Kranke und Gehbehinderte machen die Sponsoren keine Ausnahmen, und das Festival hat sich diesbezüglich auch nicht
gekümmert.
Wie andere Kollegen verzichten wir auf dieses Angebot.
Es gibt Busshuttle des Festivals. Die fahren aber nur von A nach Z und halten bei keiner der naheliegenden Zwischenstationen, zum Beispiel Festivalkinos, an. Sie fahren auch nur alle etwa 20 Minuten, so dass sehr viele Leute regelmäßig zu den Filmen zu spät kommen. Immerhin gilt hier nicht die Regel vieler anderer Festivals, nach der es nach Vorstellungsbeginn keinen Einlass gibt. Die Eingangskontrolleure, ihrem Aussehen nach meist sehr junge Volonteers, lassen einen jederzeit rein – so ist in den Vorstellungen ein Kommen und Gehen.
Die Kinos selbst sind mit Ausnahme des »ExRex«, das jetzt »GrandRex« heißt, und des ganz neu gebauten PalaCinema mit seinen drei Sälen ein Desaster: Man kann keinem Filmemacher empfehlen, seine Filme in Locarno zu zeigen – die Projektion ist zu hell, die Akustik nicht vorhanden, die Stühle unbequem, viele Kinosäle sind nicht klimatisiert.
Über die Tatsache, dass die meisten Lokale krass überteuert und die Angestellten oft extrem unfreundlich sind, und dass es hier vielen
nur darum geht, möglichst viel von ihrer Gummipizza für knapp 20 Franken (18 Euro) den Touristen anzudrehen, habe ich hier erst vor zwei Jahren geschrieben – das kann man nachlesen, denn es gilt heute wie damals.
Das »Hotel del Angelo« ist eine Oase in dieser Wüste, nicht nur wegen des besten Steinpilzrisottos der Stadt. Die Kellner sind freundlich, teilweise richtig liebenswert und verschmitzt. Die Qualität des Essens ist weit überm Durchschnitt und die Preise für Locarno fast
schon billig.
+ + +
Das Einzige, was gut ist, sind die Filme. Auch das war nicht immer so. Aber in diesem Jahr habe ich bisher keinen wirklich schlechten Film gesehen, und anderen ging es genauso.
(to be continued)