21.02.2019
69. Berlinale 2019

Gefähr­liche Schatz­su­chen

Kopfüber wie Pippi Langstrumpf: Die Kolonie
Kopfüber wie Pippi Langstrumpf: Die Kolonie, Gewinnerfilm des Gläsernen Bären
(Foto: © Danny Taillon)

Die Sektion Generation Kplus findet weitgehend unbeachtet von der Berichterstattung nun schon zum 42. Mal statt. Ein Fehler, denn sie wartet mit tollen Filmen auf

Von Christel Strobel

»Es hilft sehr, dass wir als Sektion unser Publikum gut kennen«, sagt Maryanne Redpath, Gene­ra­tion-Leiterin seit 2008. Alle Filme des Wett­be­werbs von Kplus, 2007 aus dem 'Kinder­film­fest' hervor­ge­gangen, haben – nach oben offene – Alters­emp­feh­lungen, das heißt auch, dass diese Sektion nicht nur für Kinder bzw. zusammen mit Kindern immer wieder Entde­ckungen bietet.

Berlin­film I: Cleo (Erik Schmitt)

Schon der ab 9 Jahren empfoh­lene Film, der das Programm von Gene­ra­tion Kplus 2019 eröffnete, sprengt die Grenzen eines »Kinder­films«: Cleo, das Lang­film­debüt von Erik Schmitt, der bereits mit zwei Kurz­filmen (2013 und 2016) bei Gene­ra­tion zu Gast war, ist ein Feuerwerk visueller Effekte, stilis­ti­scher Einfälle und nicht zuletzt eine origi­nelle Liebes­er­klärung an Berlin – »Das Besondere an Berlin ist die Seele.« Im Galopp und mit Fakten im Staccato-Gebrüll werden wir durch 800 Jahre Geschichte geschickt, bis zum 9. November 1989. Weiter geht’s: Eine Frau stirbt bei der Geburt ihrer Tochter – Cleo wächst beim Vater auf, der ihr von der ersten Bombe auf Berlin erzählt, die den Zoo traf. Cleo findet eine magische Uhr: »Wir könnten die Zeit zurück­drehen«, während sich der Vater wundert: »Ich wollte die Zeit immer vordrehen.«

Eine gefähr­liche Schatz­suche durch die Vergan­gen­heit beginnt, visuell und akustisch wirkungs­voll ange­rei­chert, aber auch mit kurzen harten Einschnitten: Beim Ausgraben explo­diert die Bombe und der Vater kommt um. Cleo, inzwi­schen eine junge Frau, versucht sich als Stadt­füh­rerin, wird aber immer wieder von den Schick­sals­schlägen ihrer Kindheit heim­ge­sucht. Über­ra­schende Räume öffnen sich in schneller Folge, histo­ri­sche Personen – Albert Einstein, Max Planck, auch die Gebrüder Sass, Meis­ter­diebe in der Zeit der Weimarer Republik und Helden der Armen, eine Berliner Legende – tauchen als Geister auf. Schließ­lich wird die Unterwelt des Teufels­bergs, einst Flugü­ber­wa­chungs- und Abhör­sta­tion, erkundet. Drei skurrile wie gutmütige Begleiter unter­s­tützen sie auf ihrer rastlosen Suche nach der versteckten Beute der Gebrüder Sass. Endlich dreht Cleo die magische Uhr zurück und im Schnell­lauf erscheinen für einen kurzen Moment Vater und Mutter. »Ich habe die Zeit zurück­ge­dreht, alle meine Regeln gebrochen.« Es endet wie im Märchen. Cleo hat mit dem Mut, jemandem zu vertrauen, einen liebens­werten jungen Mann gefunden...

Für Erik Schmitt (geboren 1980 in Mainz), der als Lieb­lings­filme seiner Kindheit Die unend­liche Geschichte und Zurück in die Zukunft nennt, ist die Stadt Berlin, in der er seit 17 Jahren lebt, Inspi­ra­tion für seinen Film. »Und der sollte bunt, viel­fältig, aber auch tragisch und melan­cho­lisch sein.« Dazu wurde an 70 Drehorten gear­beitet. In seinem Film geht es aber auch um den Verlust der Kindheit und »wie man da viel­leicht wieder hinkommen kann, durch Aufmerk­sam­keit, durch den Blick auf Details.« Mit Cleo, dem ausge­spro­chen detail­rei­chen Film, hat Gene­ra­tion einen an- wie aufre­genden, auf jeden Fall außer­ge­wöhn­li­chen Auftakt program­miert.

Berlin­film II: Kinder (Nina Wesemann)

In Berlin entstand auch der Doku­men­tar­film mit dem schlichten Titel Kinder als Abschluss­film von Nina Wesemann (Regie, Buch und Kamera) an der HFF München, wo sie Doku­men­tar­film studierte. Über ein Jahr hat sie vier Kinder – Emine, Marie, Christian und Arthur – immer wieder in ihrem fami­liären Umfeld, mit Geschwis­tern und Freunden, drinnen und draußen, mit der Kamera begleitet. Das Besondere dabei ist, dass sich die Filme­ma­cherin jeglicher Fragen, Gesprächen mit den Kindern sowie Kommen­taren enthält.

Es sind Alltags­szenen: das türkische Mädchen Emine kommt mit der Schwester aus der Schule und sie unter­halten sich über Freun­dinnen und Verliebt­heiten; Marie sitzt zu Hause am Tisch und spricht mit ihrem Bruder über die Entste­hung der Erde und über den Urknall; ein Junge liest am Abend im Bett »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl«, vermut­lich Schul­lek­türe, findet es »so lang­weilig«, dann kommt der große Bruder hinzu, beginnt das Buch zu lesen und bleibt dran. Wir sehen die Kinder unter­schied­li­chen Alters auf dem ehema­ligen Rollfeld Tempelhof, in der Schule, im Klas­sen­zimmer beim Kunst­un­ter­richt und bei der Zeug­nis­ver­gabe, bei einer orga­ni­sierten Graffiti-Sprühak­tion irgendwo an einer Wand, beim Zünden kleiner Raketen zu Silvester, die türkische Mädchen­clique im Einkaufs­zen­trum und mit einer kleinen Geburts­tags­torte mit zehn Kerzen, die sie gemeinsam versuchen anzu­zünden.

Immer wieder atmo­sphäri­sche Bilder und gut überlegte Kame­ra­fahrten, und wenn man die Ruhe hat und sich darauf einlässt, vermit­telt dieser Film nur durch Beob­ach­tung, lediglich von einer leicht wehmü­tigen Musik begleitet, ein positives Bild heutiger Kindheit unter »normalen« Fami­li­en­ver­hält­nissen. Nina Wesemanns Doku­men­tar­film löst durch seine nur auf die Kinder in ihrem unspek­ta­kulären Alltag konzen­trierte, auch karge Form durchaus kontro­verse Rezep­tionen beim Erwach­se­nen­pu­blikum aus, ist meiner Meinung nach aber sehens­wert und lässt Raum zum Nach­denken, zum Beispiel, ob Kinder (Alters­emp­feh­lung ab 8) ein geeig­neter Beitrag für Gene­ra­tion Kplus, die Kinder­film­reihe, ist.

Anima­ti­ons­filme: Lotte Ja Kadunud Lohed, Månelyst I Flåklypa

Zwei Anima­ti­ons­filme dagegen sind absolut richtig in diesem Programm: Lotte Ja Kadunud Lohed (Lotte und die verschwun­denen Drachen) von Heiki Emits und Janno Poldma, Estland/Lettland 2019, 78 Min., empfohlen ab 5 Jahren, ist der dritte Film mit dem umtrie­bigen Hunde­mäd­chen Lotte aus dem Dorf der Erfinder. Diesmal bekommt Lotte eine kleine Schwester namens Roosi. Kaum auf der Welt, nimmt Lotte den Nachwuchs mit auf ihre Aben­teu­er­touren, diesmal noch mit zwei Profes­soren, die sich für die ältesten Volks­lieder der Welt inter­es­sieren und dabei auch den feuer­spei­enden Drachen suchen. Die Geschichte spielt wieder in der liebevoll gestal­teten und ausge­schmückten Wimmel-Szenerie, bekannt aus den beiden vorhe­rigen Filmen, und ist sympa­thi­sche Unter­hal­tung für jüngere Kinder – auch wenn sie mit der Zeit an Charme verliert und die aktuelle Fort­set­zung dann doch etwas konstru­iert wirkt. Månelyst i flåklypa (Solan und Ludvig – Auf zum Mond) von Rasmus A. Sivertsen, Norwegen 2018, 80 Min., empfohlen ab 7 Jahren, hatte ebenfalls schon zwei Vorgänger mit den beiden Helden, dem gesel­ligen Vogel Solan und seinem ängst­li­chen Freund, Igel Ludvig. Im neuen Puppen­trick­film steht Norwegens ehrgei­ziger Plan im Mittel­punkt, nach 50 Jahren Mond­lan­dung in einem inter­na­tio­nalen Wett­streit den zweiten »großen ersten Schritt« zu setzen.

Es ist anzu­nehmen, dass die jeweils dritten Folgen beider Filme ebenfalls wieder auf die Kino­lein­wand kommen.

Spiel­film­debüt: Sune vs. Sune (Jan Holmberg)

SUNE vs. SUNE von Jan Holmberg, Schweden 2018, 89 Min., empfohlen ab 9 Jahren, führt anfangs in eine Fanta­sie­welt: Der zehn­jäh­rige Sune, sein jüngerer Bruder und Sophie, seine beste Freundin, ziehen mit gezückten Schwer­tern und Laser­ka­nonen in einen imaginären Kampf. Doch die Sommer­fe­rien gehen zu Ende und Sune sieht sich im neuen Schuljahr einem Rivalen gleichen Namens gegenüber. Und dieser neue Sune punktet mit Leich­tig­keit in der Klasse und zum Verdruss auch bei seiner Freundin Sophie. Turbulent geht es zu, bis alles wieder ins Lot kommt. Jan Holmberg, der fürs Fernsehen haupt­säch­lich im Comedy-Bereich als Serien-Autor und Regisseur tätig war, widmet sich in seinem Spiel­film­debüt einem ernst­haften Anliegen – ein Zehn­jäh­riger gerät aus den Fugen seines über­schau­baren Lebens, wird zur Ausein­an­der­set­zung gezwungen und muss eine neue Haltung zu Freundin und Familie finden. Aller­dings wird das Thema durch zu viele aufge­setzte Action­szenen, konstru­ierte Vermi­schung von Realität und Fantasy und platte Gags verwäs­sert. Ärgerlich sind wieder die klischee­haften Rollen der Eltern, die nur tölpel­haft (Vater) oder überdreht (Mutter) agieren. So ist dieser Film, der natürlich die Lacher auf seiner Seite hat, weit entfernt von Filmen wie Mein Leben als Hund oder Lass die Eisbären tanzen, deren nach­hal­tige Qualität den Ruf des skan­di­na­vi­schen Kinder­films ausmachte.

Kleinod: Kok-du Yi-ya-ki (Kim Tae Yong)

Auf einem Markt beginnt ein filmi­sches Kleinod auch für jüngere Kinder: Kok-du Yi-ya-ki (Kokdu – Eine Geschichte von Schutz­en­geln) von Kim Tae Yong, Republik Korea 2018, 73 Min. empfohlen ab 7 Jahren. Die Geschwister Su-min und Dong-min sehen an einem Stand einen nied­li­chen weißen Hund, den sie gerne mitnehmen würden. Den gibt’s aber nicht umsonst, also bringen sie dem Händler ausge­dienten Hausrat und vor allem Groß­mut­ters blumen­ver­zierte Schuhe zum Tausch, um sich schließ­lich mit dem verspielten Hündchen auf den Heimweg zu machen. Als aber ihre Groß­mutter ster­bens­krank nach ihren Schuhen verlangt, wird ihnen der Verlust bewusst, doch auch die hektische Suche beim Altwa­ren­händler ist erfolglos. Unter­dessen wacht die Groß­mutter im Kran­ken­haus auf und geht traum­wand­le­risch über den Markt und durchs Feld nach Hause. In der Realität aber wird sie im Sarg aus dem Haus getragen. Ein farben­präch­tiger Trauerzug setzt sich in Bewegung und die filmische Erzählung gleitet in eine fantas­ti­sche Thea­ter­szene mit Musik und Tanz (unter Mitwir­kung des National Gukuk Center, Dance Theater, Court Musik Orchestra und Folk Music Group), die junge Menschen mit den Mythen und Tradi­tionen der korea­ni­schen Trau­er­kultur bekannt macht. Mit diesem Thema erinnert Kokdu an den im vorigen Jahr preis­ge­krönten Film Sekala Niskala (Sichtbar und unsichtbar) von Kamila Andini, Indo­ne­sien u.a. über ein Mädchen auf Bali, das sich in meta­pho­ri­schen Kostümen und Bema­lungen tanzend auf die Trennung von ihrem ster­benden Bruder vorbe­reitet (siehe artechock special vom 26.02.2018).

Die Preis­träger

Gläserner Bär der Kinder­jury:

Une colonie (Eine Kolonie) von Geneviève Dulude-De Celles, Kanada 2018, 102 Min., empfohlen ab 12 Jahren – Die kana­di­sche Filme­ma­cherin (Regie und Buch) erzählt in ihrem Spiel­film­debüt mit feinem Gespür für die Zwischen­töne von der zwölf­jäh­rigen Mylia, die sich im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester Camille nicht so unbeküm­mert in ihrer Welt bewegt. Schüch­tern und nach­denk­lich beob­achtet sie alles – das sich verän­dernde Verhältnis zwischen Mutter und Vater, die Mitschüler in der neuen Schule und den Umgang auf der Party, wo es locker, ober­fläch­lich und unver­bind­lich zugeht. Dennoch findet sie in der neuen Umgebung bald Anschluss. Da ist ihre Cousine Jacinthe, lebhaft, beliebt und gut vernetzt, die ihr das soziale Gefüge an der Schule erklärt. Und Jimmy, der Einzel­gänger aus dem nahe­ge­le­genen Reservat der Abanaki, der wegen seiner india­ni­schen Abstam­mung immer wieder in Ausein­an­der­set­zungen gerät; zu ihm fühlt Mylia sich mehr hinge­zogen. Es geht hier vor allem um die Selbst­fin­dung der jungen Prot­ago­nistin – und mit Jacinthe und Jimmy werden ihr zwei Wege eröffnet. Wo die Sympathie der Filme­ma­cherin liegt, vermit­telt sie so eindeutig wie unauf­dring­lich.

Die Kinder­jury (elf Kinder aus Berlin) begründet ihren Preis an Une Colonie so: »Im Gewin­ner­film wird das Teen­ager­leben realis­tisch darge­stellt. Toll fanden wir, wie die verschie­denen Arten der Liebe vers­tänd­lich rüber­ge­bracht wurden. Durch die beein­dru­ckende Kame­rafüh­rung und die Schau­spiel­leis­tung hatte man das Gefühl, ganz nah dabei zu sein und konnte in verschiednen Situa­tionen lachen und weinen und seinen Gefühlen freien Lauf lassen.«

Lobende Erwähnung der Kinder­jury:

Daniel fait face (Daniel) von Marine Atlan, Frank­reich 2018, 60 Min., empfohlen ab 10 Jahren – Schul­alltag in einem fran­zö­si­schen Ort, plötzlich Alarm und die Schüler werden mit Sicher­heits­vor­keh­rungen vertraut gemacht. Das scheint auch zum Schul­alltag zu gehören, die Schüler nehmen es jeden­falls nicht zu ernst, der Unter­richt geht weiter. Marthe, ein hübsches Mädchen, rezitiert fein­fühlig ein Gedicht für eine Thea­ter­auf­füh­rung. Daniel, zehn Jahre, verträumt und empfindsam, streift allein durch die Schul­haus­gänge, die Turnhalle und sieht durch einen Türspalt Marthe, die sich für eine Thea­ter­probe umzieht und ihn zunächst nicht bemerkt, ein Moment so zart wie verun­si­chernd, dem Marthe entflieht. Während der Proben für die Prüfung sucht Daniel das Gespräch mit dem Tanz­lehrer über Themen wie Lampen­fieber, Bezie­hungen – ein unbe­kanntes Gefühl bewegt ihn. In ihrem Spiel­film­debüt erzählt Marine Atlan (Regie, Buch und Co-Kamera) mit Respekt und Sensi­bi­lität von einem Jungen, bei dem »die Pubertät anklopft« und beein­druckt damit das junge Publikum, was die Kinder­jury so ausdrückt: »Dieser Film entführt uns in einen scheinbar normalen Schul­alltag, der dann uner­wartet eine nicht alltäg­liche Entwick­lung nimmt. Intime und berüh­rende Begeg­nungen, von emotio­naler Musik begleitet, lassen eine geheim­nis­volle und einzig­ar­tige Atmo­sphäre entstehen.«

Großer Preis der Inter­na­tio­nalen Jury, dotiert mit 7.500 Euro, gestiftet vom Deutschen Kinder­hilfs­werk

Di yi ci de li bie (Ein erster Abschied) von Wang Lina, VR China 2018, 86 Min., empfohlen ab 7 Jahren – Im Nord­westen Chinas, in einer atem­be­rau­benden Land­schaft zwischen Baum­woll­fel­dern und Wüste, wächst Isa in einer Uigu­ri­schen Dorf­ge­mein­schaft auf. Dort geht der Junge zur Schule, kümmert sich fürsorg­lich um die kleinen Lämmchen in der Schaf­herde seines Vaters und liebevoll um seine unheilbar erkrankte Mutter. Eigent­lich ist er zufrieden, doch schmerz­liche Verän­de­rungen kündigen sich an, als die Mutter erst ins Kran­ken­haus kommt und schließ­lich vom Vater in ein Heim gebracht wird, ohne es der Familie zu sagen. Schwer fällt Isa auch der Abschied von seiner Freundin Kalbinur, die wegen schlechter Noten in der Dorf­schule zur weit entfernten chine­si­schen Schule wechseln soll, auch um Mandarin zu lernen, die Sprache, die größere Chancen eröffnet – ein immer wieder­keh­rendes Thema in diesem Film. Die in der uigu­ri­schen Region Xinjiang geborene Wang Lina erhielt für ihr Spiel­film­debüt den »Best Asian Future Award« beim Inter­na­tio­nalen Film­fes­tival in Tokio. Sie vermit­telt mit großer Empathie und atmo­sphäri­schen Land­schafts­auf­nahmen ein diffe­ren­ziertes Bild der Lebens­um­stände einer Minder­heit, die auch hier­zu­lande durch eine skan­dalöse Abschie­bung kurz­zeitig in den Fokus öffent­li­chen Inter­esses rückte, zeigt den Druck, dem Eltern und Kinder im chine­si­schen Schul­system ausge­setzt sind, bleibt aber in der filmi­schen Perspek­tive immer bei den Kindern.

Aus der Begrün­dung der Inter­na­tio­nalen Jury Gene­ra­tion Kplus: »Der Große Preis … geht an eine aufrich­tige filmische Erkundung dessen, was es bedeutet, in der Uigu­ri­schen Minder­heit Chinas aufzu­wachsen. Dieser poetische und intime Film vermit­telt Einblicke in die sich wandelnden Bezie­hungen innerhalb zweier Familien, die in einer Kultur zwischen Tradition und Moderne leben.«

Lobende Erwähnung der Inter­na­tio­nalen Jury

Mijn bijzonder rare week met tess (Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess) von Steven Wouter­lood, Nieder­lande / Deutsch­land 2019, 82 Min., empfohlen ab 9 Jahren

Ein leicht­füßiger wie stim­mungs­voller Sommer­film, der sich Zeit lässt für das Strand­leben auf der Feri­en­insel Terschel­ling und für eine besondere Freund­schaft. Als Sams älterer Bruder sich beim Ballspiel am Strand verletzt, der Vater ihn ins Kran­ken­haus fährt, die Mutter mit Kopf­schmerzen im Feri­en­haus liegt, muss Sam alleine am Strand zurück­bleiben. Und weil Sam als Jüngster der Familie meint, eines Tages die anderen zu überleben, stellt er einen Plan fürs »Allein­sein-Training« auf. Doch dann lernt er Tess kennen, drei Jahre älter als er, spontan, chaotisch und eigen­sinnig, die ihn gleich als ihren Tanz­partner für Salsa engagiert, den sie gerade im Hof ihres Häuschens übt. Tess sprüht nur so und Sam, ungleich langsamer, gefällt das und sein Allein­sein-Training ist bald vergessen. Aber Tess treibt die Suche nach ihrem Vater um, über den ihre allein­er­zie­hende Mutter schweigt, und in diesem Sommer will sie das Rätsel lösen. »Eine origi­nelle Erzählung, die in einer heiteren Coming-of-Age-Geschichte voller anste­ckender Freude und mit großem Takt­ge­fühl schwie­rigen Fragen über Sterb­lich­keit, Verlust und den Versuch, den eigenen Platz in der Welt zu finden, nachgeht. … Er ist über­ra­schend, humorvoll und für alle Gene­ra­tionen geeignet«, begründet die Inter­na­tio­nale Jury ihre Lobende Erwähnung. Mit seinem Lang­film­debüt setzt Steven Wouter­lood zudem die Tradition starker nieder­län­di­scher Kinder­filme fort. Erfreu­lich, dass Farbfilm diesen Film bereits in sein Verleih­pro­gramm genommen hat.

Das muss sich ändern!

Nach Sichtung des Jahrgangs 2019 bleibt zu wünschen, dass auch andere Verleiher eine Gepflo­gen­heit früherer Jahre wieder aufnehmen und den einen oder anderen Kinder­film von Gene­ra­tion verfügbar machen und damit Akzente für junges Publikum setzen im üblichen Main­stream-Angebot der Kinos – allein die dies­jäh­rigen Kplus-Preis­träger sind dafür eine gute Wahl.

Auch was die öffent­liche Wahr­neh­mung dieser Sektion mit immerhin 42-jähriger Geschichte betrifft, ist die Ignoranz der diversen TV-Sender befremd­lich, in deren Berlinale-Bericht­erstat­tung die Filme von Gene­ra­tion Kplus und 14plus so gut wie nicht vorkommen. Das muss sich ändern!