Cinema Moralia – Folge 203
Schwarzbraun ist die Haselnuss... |
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Jörg Meuthen, »bürgerliches« Feigenblatt der AfD postet auf Instagram ein geselliges Beisammensein mit Hans Joachim Mendig, Chef der Hessischen Filmförderung. Und Prof. Dr. Moritz Hunzinger ist auch mit dabei | ||
(Foto: Instagram) |
»[Bildung] ist zu sozialisierter Halbbildung geworden, der Allgegenwart des entfremdeten Geistes. ... so ist der Anachronismus an der Zeit: an Bildung festzuhalten, nachdem die Gesellschaft ihr die Basis entzog.«
Theodor W. Adorno»Indem Medien Teil unserer Kultur und zugleich ihre Mittler sind, versteht sich Medienbildung immer auch als Querschnittsaufgabe kultureller Bildung. ... Einen Beitrag hierbei leistet die schulische Filmbildung. In der Begegnung mit dem Medium Film, seiner Sprache und seiner Wirkung wird die Sinneswahrnehmung geschult, die ästhetische Sensibilität gefördert, die Geschmacks- und Urteilsbildung unterstützt und die individuelle Ausdrucksfähigkeit erweitert.«
Kultusministerkonferenz, 2012
Quizfrage: In wie viel Rundfunkräten sitzt eigentlich die AfD?
In mindestens fünf: Eine Schnellrecherche ergab, dass die AfD Vertreter in WDR, NDR, BR, SR, MDR stellt. Auch bei den Landesmedienanstalten, die die Privatsender kontrollieren, ist die AfD in 6 von 14 Aufsichtsgremien vertreten.
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Professoren unter sich. Dass es mit den deutschen Universitäten bergab geht, ist schon länger bekannt. Kein Wunder, wenn man sich anschaut, wer sich so Professor nennen darf. Jörg Meuthen, »bürgerliches« Feigenblatt der AfD und ihr Bundesvorsitzender, sowie Professor für Volkswirtschaftslehre in Kehl, postet obenstehendes Foto: Darauf mit Meuthen in die Kamera lächelnd zu sehen: Hans Joachim Mendig, einst HR-Redakteur und verantwortlich für z.B. »Drei Damen vom Grill«,
Honorarprofessor für Film und Medien, seit drei Jahren aber Geschäftsführer der »HessenFilm und Medien GmbH«. Im Klartext: Mendig ist der Chef der Hessischen Filmförderung.
Meuthen scheibt dazu »Sehr angeregter und konstruktiver politischer Gedankenaustausch heute in Frankfurt mit Prof. Dr. Moritz Hunzinger und Prof. Dr. Hans Joachim Mendig.«
Muss man daran erinnern, dass Jörg Meuthen derselbe ist, der vor gut drei Jahren zum Beispiel Folgendes äußerte: »Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland und hin zu einem friedlichen, wehrhaften Nationalstaat«. Oder: »Was wir hier haben ist eine kulturfremde Einwanderung, die selbst da, wo es den Anschein hat, als würde Integration gelingen, erkennbar nicht gelingt.« Der fraglose, rechtsradikale Positionen einnimmt, und Rechtsextremisten und
Neonazi-Sympathisanten wie Björn Höcke in der eigenen Partei akzeptiert und verteidigt. Der der Vorsitzende einer Partei ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der ein klarer Feind einer freiheitlichen, diversen, vielstimmigen und internationalen Kultur ist.
Mit so einem Feind der Kultur hält der Chef der Hessischen Filmförderung unwidersprochen »konstruktiven politischen Gedankenaustausch«, einer Institution, die überparteiliche, in
demokratischem Geist gehaltene Entscheidungen treffen soll, die etwa 10 Millionen Euro öffentlicher Gelder verwaltet, die entsprechend ihren Förderrichtlinien »kulturelle Vielfalt in Hessen« achten und »nur solche Projekte und Produktionen« fördern soll, »die die Würde des Menschen achten, die Grundrechte respektieren und die Achtung vor dem Leben fördern.« Und weiter: »Die Förderung soll zur Steigerung der künstlerischen und kulturellen Qualität der Film-, Fernseh-, Medien-
und Kinokultur beitragen und eine vielfältige Kulturlandschaft gewährleisten. Wichtigstes Ziel der Förderung ist die Entwicklung, Pflege und Stärkung der Film-und Medienkultur sowie die ... Präsentation des kulturwirtschaftlichen Filmstandortes Hessen im In-und Ausland.« Auch im Ausland wird der »konstruktive politische Gedankenaustausch« bestimmt gut ankommen.
Man hätte gern zugehört. Oder besser auch nicht.
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Über Mendig wird in Hessen viel erzählt, wenig Erfreuliches ist dabei, aber mit Rechtsradikalen wurde er bislang nicht in Verbindung gebracht. Die Rede ist nur von hohen Ausgaben für Büros, von »einem schlecht geführten Laden«. Der Verdruss unter den Mitarbeitern ist allgemein mit Händen zu greifen. Einer meinte: »Der und die nach ihm kommt, in dessen Haut möchte ich nicht stecken.«
Aber um so etwas geht es nicht, das ließe sich auch über andere Filmförderer sagen.
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Im besten Fall ist es so: Mendig ist einfach naiv. Naiv genug, um sich mit einem politischen Rechtsaußen fotografieren und missbrauchen zu lassen; missbrauchen für das in rechtsextremen Kreisen gern gehegte Bild einer »normalen«, »bürgerlichen« Partei, die von den bösen linken Medien nur schlecht gemacht wird.
Im schlimmsten Fall, sind sich Mendig und Meuthen einig in ihrer Sicht auf das »links-rot-grün-versiffte 68er-Deutschland«.
So oder so, Dummheit oder
Rechtsradikalismus, beschädigt Mendigs Auftritt den Ruf der Hessischen Filmförderung.
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Wann reagieren die Filmemacher? Wo ist die Initiative und der Aufruf, um Mendig zum Rücktritt zu zwingen? Wir warten. Wir verbreiten entsprechende Initiativen gern.
Gegen Faschos helfen nur Tabus. Man muss sie errichten.
Aber manche haben Angst. In Gesprächen erwähnen Filmemacher auf Anfrage, ihre Furcht, sich bei der Förderung unbeliebt zu machen. Mit Folgen.
Da kann ich ihnen nicht widersprechen. Freie Meinungsäußerung und kritischer Geist werden in der deutschen Filmlandschaft der Gegenwart nicht gefördert, sondern geknebelt. Der deutsche Film ist von einer grundsätzlichen Angstkultur geprägt.
Zu hören ist, dass es interne Nachfragen und Bitten um Stellungnahme geben soll. Was bitte, gibt es da aber noch zu fragen? Welche Stellungnahme könnte das Foto und sein Signal aus der Welt schaffen? Wozu die höflichen Nachfragen? Zu so einem Foto braucht man keine Erklärungen und Stellungnahmen mehr, der Mann ist unmöglich und sollte weg.
Ob Höflichkeit hier ein Zivilisationsgewinn ist, bezweifle ich. Diplomatie ist hier nur die Maske der Feigheit.
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Kein überregionales Medium, keiner von denen, die sich gern zu Wächtern der Freiheit und Sturmgeschützen der Demokratie stilisieren, hat den Fall, der immerhin sechs Wochen zurückliegt, bisher aufgegriffen. Egal, egal, scheißegal. Ein Skandal für sich.
Wir wissen von alldem durch einen Artikel der unbekannterweise sehr geschätzten Kollegin Ronja Merkel im »Journal Frankfurt«, deren Chefredakteurin sie ist. Der Text ist eigentlich fast ein bisschen brav gehalten, aber immerhin schreibt sie es, als Einzige (!!), und man versteht, dass man sich vor Ort in Frankfurt auch nicht allzu sehr kompromittieren möchte.
Merkel stellt die entscheidenden Fragen: »Doch was bedeutet
dieses Aufeinandertreffen mit 'politischem Gedankenaustausch'?«
Das Journal Frankfurt zitiert eine Stellungnahme des Hessischen Ministeriums:
Nachdem die Ministerin auf das von Jörg Meuthen auf Instagram gepostete Bild aufmerksam gemacht wurde, das Professor Hans Joachim Mendig mit dem AfD-Europaabgeordneten und Professor Dr. Moritz Hunzinger zeigt, haben wir Herrn Mendig umgehend gefragt, bei welcher Gelegenheit das Bild entstanden ist ... Nach Angaben von Herrn Mendig handelte es sich um eine private Gelegenheit, die nicht in Bezug
zur Hessenfilm und Medien GmbH stand. Wir nehmen dies ebenso zur Kenntnis wie die Verwunderung über dieses Treffen in der hessischen Filmszene, die für Vielfalt, Akzeptanz und Weltoffenheit steht. Die Ministerin teilt diese Verwunderung.
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Der dritte Mann auf dem Bild, dies nur der Vollständigkeit halber, ist Moritz Hunzinger. Professor h.c., laut BILD-Zeitung »PR Professor«.
Hunzinger und Mendig sind seit langem gute Kumpels, und verbringen ihre Freizeit unter anderem bei gemeinsamen Panzerfahrten auf Truppenübungsplätzen. »Vom Hunzinger zum Panzinger« textete
BILD süffisant über den Trip, gemeinsam mit Mendig.
Jurist Hunzinger hat in der Vergangenheit immer wieder Politiker durch fragwürdige PR-Politik in Mediendesaster reingeritten. Unvergessen ist die »Pool«-Affäre seines Mandanten Rudolf Scharping und die Bonusmeilen-Affäre des Grünen-Politikers Cem Özdemir.
Das Journal Frankfurt berichtet nun gar über »Spendenaffairen« und einen Rassismus-Vorwurf. Jan Schneider, Vorsitzender der Frankfurter CDU, deren Mitglied
Hunzinger ist, distanzierte sich deutlich von Hunzingers entsprechenden Äußerungen.
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Alle reden von Bildung. Von Filmbildung und Medienkompetenz. Aber kaum einer tut etwas dafür. Vor allem die die dafür zuständig wären, tun nichts.
In den wohlfeilen Erklärungen der Kultusministerkonferenz klang das schon immer gut. Zum Beispiel 2012, vor sieben Jahren
oder 2003 in der vollmundigen »Filmkompetenzerklärung«.
Da stehen sieben Punkte, von denen auch nach 16 Jahren kaum einer in die Tat umgesetzt wurde: Weder »die curriculare Verankerung des Themas 'Film – seine Geschichte, seine Sprache, seine Wirkung' in den Schulen, den Universitäten und den Fortbildungsstätten« ist gelungen, noch ist
»Filmkompetenz ... integraler Bestandteil jeder pädagogischen Ausbildung an den Universitäten – inklusive Leistungsnachweis«.
Die »Versorgung aller Ausbildenden mit historischem und aktuellem Material zum Thema« ist nicht gewährleistet, eine »zentrale Stelle ... getragen von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien/BKM und der Kultusministerkonferenz/KMK in Zusammenarbeit mit der FFA, den Filmförderinstitutionen der Länder, der bpb,
den Produzenten-, Verleiher- und Kinoverbänden«, die »im Idealfall auch eine zentrale Verleihfunktion« übernimmt, gibt es nicht. »Der Austausch zwischen den bereits vorhandenen Hochschulen für Filmkompetenz, nämlich den Filmhochschulen, und den Universitäten und Schulen« findet nicht statt, obwohl er doch »zum Pflichtprogramm gemacht werden« sollte.
Alles nur heiße Luft und Worte ohne Folgen. Allein ein Filmkanon wurde geschaffen, über dessen Wert man streiten kann. Ob das »Bildungsziel« »die Codes bewegter Bilder zu dechiffrieren ... quer durch die Disziplinen und Fächer« erreicht wurde, überlassen wir unseren Lesern zu beurteilen.
Zur etwa gleichen Zeit wurde »Vision Kino« gegründet. In einem Artikel für epd (Ausgabe 4/2005) hatte seinerzeit Helmut Merschmann über die »vollsubventionierte Institution ... ohne erkennbare Ausrichtung und fixierten Business-Plan« geschrieben: »Es wäre indessen notwendig, die medienpädagogischen Ziele
deutlich über Partikularinteressen beteiligter Gesellschafter zu stellen. Hinter vorgehaltener Hand soll sich etwa der Verband der Filmverleiher gegen den Einsatz von Filmklassikern ausgesprochen haben, weil er eben nur am zeitgenössischen Film mitverdient.«
Genau so, wie vermutet, ist es dann gekommen.
Verleiher wie Kinos berichten von »dauernden Problemen mit Vision Kino«.
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Wie sieht es heute aus? Vor zwei Wochen hatten wir an dieser Stelle über eine gemeinsame Erklärung von sechs Verbänden und Institutionen berichtet, die einen »Neustart für Vision Kino« fordern, Verbesserungsvorschläge und Gesprächsangebote machen.
Doch auch zwei Wochen nach Veröffentlichung des offenen Briefes hat es der amtierende Interims-Vorsitzende von »Vision Kino«, FFA-Chef Peter Dinges, noch nicht für nötig gehalten, sich in irgendeiner Weise zu äußern oder auch nur den Empfang des Briefes zu bestätigen. Was ist das für eine demokratische Kultur, in der ein Brief von vier Verbänden und weiteren Institutionen einfach ignoriert wird?
Dieses Verhalten offenbart ein grundsätzlich fehlgeleitetes
Amtsverständnis.
Das passt zu dem, was auch noch – natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit – berichtet wird. Intern wird massiv gegen den offenen Brief Lobbyarbeit gemacht, einzelne Akteure werden angesprochen, es wird versucht einzuschüchtern, mundtot zu machen. Manche heutige wie frühere Mitarbeiter von »Vision Kino« agieren nicht anders als ein stalinistischer Kader.
Hinzu kommt, dass Unterzeichner des offenen Briefs auch von Drohungen hinter den Kulissen berichten. Von
der unverhohlenen Drohung des Entzugs von Fördermitteln, wie von zukünftiger Nicht-Förderung ist hier die Rede. Das alles ist nicht beweiskräftig, darum werden Namen nicht genannt. Aber man sollte in Zukunft noch genauer darauf achten, wie FFA-Entscheidungen ausfallen, wenn über Anträge der Unterzeichner entschieden wird.
Wieder einmal soll sich jedenfalls nichts ändern, soll Demokratie nur simuliert werden und die Neubesetzung eines Postens – hier: der Geschäftsführung von »Vision Kino« – gegen alle Einwände und Forderungen nach Neuausrichtung von oben herab durchgewunken werden, wieder einmal wird »per ordre de Mufti« Politik betrieben, und wieder einmal werden Beteiligte, diejenigen die für »Vision Kino« einen wesentlichen Teil die Arbeit machen, vom Prozess ausgeschlossen.
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Weil das die Allermeisten stört, kommt von vielen Seiten, die mit »Vision Kino« zu tun haben, intern auch Unterstützung.
Das ist aber nicht genug. Denn es ist klar. Wer schweigt, wird nichts ändern. Die Zeiten der Hinterzimmerdiplomatie sind vorbei. Damit erreicht man gar nichts, das wird nur ausgenutzt.
Denn grobe Reaktionen im Aggro-Stil sind noch mehr als das Schweigen des FFA-Chefs eine Bestätigung. Der offene Brief hat an einen Nerv gerührt und denen, die sich noch für Filmbildung interessieren – nicht die Industrie-Dienerin Sarah Duve – sondern die BKM und die Kulturbehörden
der Bundesländer, sind aufgewacht, und beginnen intern mit den unangenehmen Nachfragen. Dieser Prozess soll jetzt erstickt werden.
Darum kann man auf diesem Weg nur all jene auffordern, die sich wie die Unterzeichner der Erklärung über die bisherige Gestalt von »Vision Kino« ärgern: Tut Euch zusammen, bildet Banden. Denn Banden bilden müssen Sie! Und auch öffentlich werden, also Lobbying betreiben.
Es ist wichtig, sich intern Verbündete zu suchen und Druck zu machen, öffentlich laut zu werden, wo es irgend geht.
Bei der Verknüpfung wie bei der Veröffentlichung werden wir helfen.
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Die Nicht-Debatte um die Zukunft der Filmbildung, die Machtspiele und das Einschüchtern hinter den Kulissen offenbart eine erschreckende intellektuelle wie auch moralische Niveaulosigkeit.
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Zum Schluss noch was Positives: Heute wurde vermeldet, dass der Vertrag der Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi vorzeitig um fünf Jahre verlängert wurde. Bis 2026 bleibt Sangiorgi, die erst im Vorjahr ihre erste Viennale geleitet hat, künstlerische Leiterin des größten österreichischen Filmfestivals.
»Die Verlängerung meiner Bestellung als Direktorin der Viennale verstehe ich als Auftrag, meine Vorstellung eines Festivals weiter zu entwickeln, das entlang der Bedürfnisse
und Anforderungen des zeitgenössischen Kinos wächst, ...es bietet sich die Möglichkeit, neue Programmpunkte und Kooperationen nicht nur zu entwickeln, sondern sie auch in ihrem Fortbestand zu festigen: Für ein Festival, das sich stetig erneuert«, so Sangiorgi.