21 films
Filmkunst Hollywood |
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»Auf jugendlich getrimmte Hobbits.« | ||
(Foto: Netflix) |
Von Dominik Graf
Von Dominik Graf (Regisseur, München)
Mehr oder weniger die üblichen Verdächtigen. Das scheint enttäuschend. Aber die Filme sind es aus meiner Sicht gar nicht. Man hätte die letzten 30 Minuten von Genie-Regisseurin Bigelows Zero Dark Thirty natürlich hier anführen können, die Tötung Bin Ladens in hochinteressant gestalteter Dunkelheit, der Tote dann nur sichtbar auf einem Handyscreen… aber der Vorlauf im Film dazu, die Jagd, schien mir etwas zu mechanisch in der Erzählung zu sein. Nix Vergleichbares mit The Hurt Locker (2008) jedenfalls. Also:
Erstaunen und Begeisterung über Scorseses Energieleistung, mit 71 Jahren mal wieder eine neue Branche von Dreckskerlen ausfindig gemacht und zu einem Mythos hochstilisiert zu haben. Komisch, tragisch, alles was ihr wollt. Auch sein nachfolgendes strenges grausames japanisches Missionarsdrama Silence von 2016 würde jeder Jahrzehnteliste Ehre erweisen. Nun scheint ihn allerdings in The Irishman der Digitalisierungsrausch in eine Sackgasse gepeitscht zu haben. Der Anblick von Pesci und de Niro als auf jugendlich getrimmte Hobbits, als im Visual-Effects-Wahn mutierte Defa-Märchenzwerge – das ist dann doch wirklich ein wenig depirimierend für so einen Master of the Universe.
Nolan ist in meinen Augen eigentlich ein kinematographischer Lautsprecher. Auch so einer dieser Konzept-Zombies. Inception – pures Grauen. Und dann aber: Interstellar gehört, finde ich, doch in die Top 21 des Jahrzehnts, weil die Archaik der erzählerischen Grundsituation, Vater-Tochter, dem ganzen – diesmal aber auch echt beeindruckenden – Bilder-SciFi-Brimborium widersteht. Und vielleicht auch, weil Hans Zimmer mal wieder was wirklich Neues einfiel.
Old-School-Enthüllungsfilm um Pädophilie in der katholischen Kirche der USA. Grandios geduldig, dezent, mit sehr viel Liebe zu Details. Die fabelhaften Schauspieler der fleißigen Bostoner Journalistenclique treiben beinahe jeden Moment der Recherche zu einem kleinen szenischen Höhepunkt. Der Weg ist das Ziel, das macht den Film groß, nicht sein Endergebnis. Höhepunkt des Films ist der Moment, als einer der recherchierenden Journalisten jene Ausgabe des Golden Globe, in dem endlich die Enthüllungen zu lesen sind, vor eine kleine katholische Einrichtung ganz in seiner Nähe legt, die über die Dauer des Films verschlossen war. Niemand hat ihm dort je die Tür geöffnet. Ein immer unheimlicher werdender Ort. Nun ist quasi der Bann gebrochen. Mehr braucht es zum Ende nicht, keine triumphierenden Montagen, nur die Wärmespende dieser Geste.
Bester Tarantino seit Jackie Brown, glaube ich. Spannung wird mal wieder dramaturgisch in Zeitlupe gedehnt, jaja, aber diesmal ist es ein wirklich packendes Agatha-Christie-artiges Western-Kammerspiel im Schnee, erinnernd an die frühen US-Fernsehspiele der 1950er und 60er von Peckinpah oder Frankenheimer. Bizarr, ultrabrutal, vertrackt. Allerdings Morricone ausgerechnet für diese Musik den Oscar zu geben, das wäre nur dann okay gewesen, wenn er vorher bereits etwa zwölf Oscars für all die vielen Sensations-Scores seiner Karriere gewonnen hätte. Ich sage nur The Mission. .....Jetzt wirkte der Preis eher wie ein Trostpflaster für viele erlittene Academy-Fehlurteile.
»Benjamin Portal ist hier. Ist das nicht reizend? Ich weiß zwar nicht genau, warum, aber der zweite Satz folgte dem ersten so selbstverständlich, dass ich nicht umhin konnte, ihn hinzuschreiben.« Die herrliche Jane Austen! – Whit Stillman, der Regisseur mit dem sympathischsten Lächeln, ist natürlich das Gegenteil eines Hollywoodianers, seine Karriere zeigt ihn als klassischen Independent Man, seine Finanzierungen sind manchmal abenteuerlich. Aber seine Dezenz und sein Humor sind einzigartig und täten dem industriellen amerikanischen Kino als Medizin viel öfter gut, als Stillman sie zeigen darf. Nichts gegen den schönen Sinn und Sinnlichkeit von Ang Lee und gegen all die anderen Perückenjagden Austen'scher Verfilmungen durch Downton-Abbey-artige englische Bauwerke – aber Stillman besteht in seiner Verfilmung des relativ unbekannten Briefromans »Lady Susan« halt auf filmischem Stil, auf gutem Geschmack, auf Klassizismus, hat keine aufgesetzten Modernismen nötig, um irgendein imaginäres größeres Jungmenschen-Publikum für intelligente Kostümfilme anlocken zu wollen. Er vertraut auf seine Ironie, seinen Witz und die wirklich anrührende Tragik der Vorlage, die im Titel eine der bösartigsten Austen-Figuren (gespielt von Kate Beckinsale) trägt. Spitzzüngigkeit der Dialoge, Spitzfindigkeit ebenso wie Tölpeligkeit der Charaktere in die Stillman'sche hausgemachte Mixtur aus Spott und Mitgefühl getunkt. Um nochmal den alten Rohmer-Spruch zu bemühen: die »Farbe« von Stillmans Dialogen »trocknet« sozusagen garantiert nie.