21 films
Zum ökologischen Überleben des Films in naher Zukunft |
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Michael Kliers Idioten der Familie | ||
(Foto: Farbfilm) |
Von Michael Klier
Von Michael Klier (Regisseur, Berlin)
Vor vielen Jahren schrieb ein französischer Kritiker, es gäbe keine schlechten Filme. Heute wäre es interessant zu wissen, was er damit gemeint haben könnte. Möglicherweise hat er Film als sozio-kulturelles Phänomen, als tiefenpsychologischen »Spiegel« der Zeit verstanden, der uns allen, so oder so, etwas über unsere Seele, ihre Sehnsüchte und Abgründe, kollektive Befindlichkeiten, usf. erzählt. So gesehen birgt jeder Film eine Botschaft: »Was weiß der Film, was wir nicht wissen«. Und so gesehen kriegt selbst der banalste Kitsch-, Trash-, Horror- oder Propaganda Film eine sozio-kulturelle, tiefenpsychologische Bedeutung, wird ungewollt zum Dokument seiner Epoche, die vielstimmig und chaotisch zu uns »spricht«.
ABER – warum reagieren Menschen derart (extrem) unterschiedlich auf Filme, warum geschieht es so oft, das der/die eine Kritiker*in einem Film die höchste Punktzahl gibt, der/die andere diesem gleichzeitig die Schlechteste. Wer von den beiden liegt richtig? Picasso glaubte, man sieht nur, was man weiß. Ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, einen Film gut oder schlecht zu bewerten? Für Adorno bedeutete Geschmack, dass man keine Ahnung hat.
Die Ewigen-Zehn-Besten-Filme-aller-Zeiten-Liste wird seit Jahrzehnten immer wieder abgewandelt, es wurden darin Filme aufgeführt, über die man heute kein Wort mehr verliert. Was ist die Kategorie »Beste Filme« also wert und warum ist sie so beliebt? Ist es das (bürgerliche) menschliche Streben nach Vollkommenheit und Perfektion? Das Verlangen nach höchsten ästhetischen Erlebnissen, die permanente Suche nach einer Verfeinerung der Genüsse? Woher rührt das? Und warum ist es so mächtig und tief in den Menschen verankert: das Bewerten und Beurteilen, das von klein an alle Lebenssphären durchdringt und unsere Gedanken (»mag ich, mag ich nicht«) beherrscht? Es ist eine archaische, aber auch hierarchische Ideologie, die nicht mehr annehmbar ist.
Ps.:
Derzeit werden unendlich viele nutzlose Filme hergestellt. Ohne jegliche menschliche Dimension. So wie das Privatfernsehen das aufklärerische öffentlich-rechtliche Fernsehen zerstört hat, so zerstören die Streaming-Riesen das Kino. Und so sind es die Filmfestivals, welche die Filmkunst retten müssen. Und da kann es dann nicht mehr um Beste Filme gehen, sondern um Filme überhaupt, sozusagen ihr ökologisches Überleben in naher Zukunft.