13.02.2020
21 films

Zum ökolo­gi­schen Überleben des Films in naher Zukunft

Idioten der Familie
Michael Kliers Idioten der Familie
(Foto: Farbfilm)

Ein Statement

Von Michael Klier

Von Michael Klier (Regisseur, Berlin)

Vor vielen Jahren schrieb ein fran­zö­si­scher Kritiker, es gäbe keine schlechten Filme. Heute wäre es inter­es­sant zu wissen, was er damit gemeint haben könnte. Mögli­cher­weise hat er Film als sozio-kultu­relles Phänomen, als tiefen­psy­cho­lo­gi­schen »Spiegel« der Zeit verstanden, der uns allen, so oder so, etwas über unsere Seele, ihre Sehn­süchte und Abgründe, kollek­tive Befind­lich­keiten, usf. erzählt. So gesehen birgt jeder Film eine Botschaft: »Was weiß der Film, was wir nicht wissen«. Und so gesehen kriegt selbst der banalste Kitsch-, Trash-, Horror- oder Propa­ganda Film eine sozio-kultu­relle, tiefen­psy­cho­lo­gi­sche Bedeutung, wird ungewollt zum Dokument seiner Epoche, die viel­stimmig und chaotisch zu uns »spricht«.

ABER – warum reagieren Menschen derart (extrem) unter­schied­lich auf Filme, warum geschieht es so oft, das der/die eine Kritiker*in einem Film die höchste Punktzahl gibt, der/die andere diesem gleich­zeitig die Schlech­teste. Wer von den beiden liegt richtig? Picasso glaubte, man sieht nur, was man weiß. Ist es eine Frage des persön­li­chen Geschmacks, einen Film gut oder schlecht zu bewerten? Für Adorno bedeutete Geschmack, dass man keine Ahnung hat.

Die Ewigen-Zehn-Besten-Filme-aller-Zeiten-Liste wird seit Jahr­zehnten immer wieder abge­wan­delt, es wurden darin Filme aufge­führt, über die man heute kein Wort mehr verliert. Was ist die Kategorie »Beste Filme« also wert und warum ist sie so beliebt? Ist es das (bürger­liche) mensch­liche Streben nach Voll­kom­men­heit und Perfek­tion? Das Verlangen nach höchsten ästhe­ti­schen Erleb­nissen, die perma­nente Suche nach einer Verfei­ne­rung der Genüsse? Woher rührt das? Und warum ist es so mächtig und tief in den Menschen verankert: das Bewerten und Beur­teilen, das von klein an alle Lebens­sphären durch­dringt und unsere Gedanken (»mag ich, mag ich nicht«) beherrscht? Es ist eine archai­sche, aber auch hier­ar­chi­sche Ideologie, die nicht mehr annehmbar ist.

Ps.:
Derzeit werden unendlich viele nutzlose Filme herge­stellt. Ohne jegliche mensch­liche Dimension. So wie das Privat­fern­sehen das aufklä­re­ri­sche öffent­lich-recht­liche Fernsehen zerstört hat, so zerstören die Streaming-Riesen das Kino. Und so sind es die Film­fes­ti­vals, welche die Filmkunst retten müssen. Und da kann es dann nicht mehr um Beste Filme gehen, sondern um Filme überhaupt, sozusagen ihr ökolo­gi­sches Überleben in naher Zukunft.