22.02.2020
70. Berlinale 2020

Furiose Reime aus Pakistan

© Mughal Mowgli Ltd, BBC
Der Rapper on stage
(Foto: © Mughal Mowgli Ltd, BBC)

MOGUL MOWGLI im Panorama: Furios

Von Sedat Aslan

Ein briti­scher Rapper spittet Lines vor einem eupho­ri­schen New Yorker Publikum. Er reimt von seiner ethni­schen Herkunft und den west­li­chen Mächten, die seine Heimat Pakistan unter­drückten. Dieses Bild kehrt immer wieder, bis seine Freundin zu ihm sagt: Für jemanden, der ständig betont, woher er kommt, bist du aber selten dort.

Mogul Mowgli ist der furiose Debüt­spiel­film von Bassam Tariq, der 2013 mit der Doku­men­ta­tion These Birds Walk von sich reden machte und heuer im »Panorama« seine Welt­pre­miere hat. Schau­spieler und Rapper Riz Ahmed zeichnet sich fürs Drehbuch verant­wort­lich, das den Kampf eines jungen Mannes mit sich selbst durch­de­kli­niert.

Ahmed spielt Zed, der nach dem Einwand seiner mitt­ler­weile Ex-Freundin sich dazu aufraffen kann, von New York nach London zu fliegen, um nach langer Zeit mal wieder seine Eltern, paki­sta­ni­sche Einwan­derer, zu besuchen. Dort ange­kommen, wird er ständig mit seiner Herkunfts­kultur konfron­tiert, und es wird klar, dass Zed mit »fucking Paks«, ganz anders, als es seine Texte vermuten lassen, wenig bis gar nichts zu tun haben möchte. Zu sehr geht ihm der folk­lo­ris­ti­sche Kitsch und die religiöse Prägung ab, die von seiner Familie gelebt werden.

Dieser Kampf mit sich selbst, sozusagen mit seinen Genen, wird vom Drehbuch auf die Spitze getrieben, indem Zed nach einem Gerangel zusam­men­bricht und ihm im Kran­ken­haus eine schwere Auto­im­mun­erkran­kung diagnos­ti­ziert wird. Der verbal uner­müd­lich die Muskeln spielen lassende Rapper kann sich kaum noch selb­ständig bewegen. Zu allem Übel steht er auch noch kurz vor seiner bislang größten Tour, eine Gele­gen­heit, auf die Zed 15 Jahre gewartet hat. Mit knapp dreißig ist er fast schon zu alt, um auf eine erneute Chance für den Durch­bruch hoffen zu können.

Thema­tisch stehen also die Probleme einer Künst­ler­exis­tenz, das schwere Erbe einer Migra­ti­ons­ge­schichte sowie die lähmende Erkran­kung im Zentrum, die sich jeweils gegen­seitig bedingen, dabei aber mit leichter Hand geführt sind. Man sollte also keines­wegs einen schweren oder gar pathe­ti­schen Film über einen plötz­li­chen Krank­heits­fall erwarten; lako­ni­scher Humor, rohe Authen­ti­zität und musi­ka­li­sche Momente voller Energie lassen dies nicht zu.

Die gut ausge­ar­bei­tete äußere Hand­lungs­ebene stützt Tariq mit einer sehr auffäl­ligen subjek­tiven Erzähl­weise, in der innere Vorgänge verbild­licht werden. Sowohl durch das konzen­trierte 4:3-Format als auch über seine Sets findet er immer wieder Bilder, um die unbequeme Lage des Prot­ago­nisten zu illus­trieren, was häufig ins Meta­pho­ri­sche abdriftet, die meiste Zeit aber ausge­spro­chen gut funk­tio­niert. Ganz am Schluss gibt die innere Ebene der äußeren dann auch eine Art Lösung, die aller­dings etwas banal ist und den Film abrupt enden lässt.

Bis dahin hat man neben hervor­ra­genden Schau­spie­lern – insbe­son­dere Riz Ahmed liefert eine völlig kitsch­freie Tour-de-Force – auch einen Film gesehen, der für jung und alt glei­cher­maßen lohnens­wert ist, und niemals seine Figuren oder seine Geschichte verrät.