70. Berlinale 2020
Furiose Reime aus Pakistan |
||
Der Rapper on stage | ||
(Foto: © Mughal Mowgli Ltd, BBC) |
Von Sedat Aslan
Ein britischer Rapper spittet Lines vor einem euphorischen New Yorker Publikum. Er reimt von seiner ethnischen Herkunft und den westlichen Mächten, die seine Heimat Pakistan unterdrückten. Dieses Bild kehrt immer wieder, bis seine Freundin zu ihm sagt: Für jemanden, der ständig betont, woher er kommt, bist du aber selten dort.
Mogul Mowgli ist der furiose Debütspielfilm von Bassam Tariq, der 2013 mit der Dokumentation These Birds Walk von sich reden machte und heuer im »Panorama« seine Weltpremiere hat. Schauspieler und Rapper Riz Ahmed zeichnet sich fürs Drehbuch verantwortlich, das den Kampf eines jungen Mannes mit sich selbst durchdekliniert.
Ahmed spielt Zed, der nach dem Einwand seiner mittlerweile Ex-Freundin sich dazu aufraffen kann, von New York nach London zu fliegen, um nach langer Zeit mal wieder seine Eltern, pakistanische Einwanderer, zu besuchen. Dort angekommen, wird er ständig mit seiner Herkunftskultur konfrontiert, und es wird klar, dass Zed mit »fucking Paks«, ganz anders, als es seine Texte vermuten lassen, wenig bis gar nichts zu tun haben möchte. Zu sehr geht ihm der folkloristische Kitsch und die religiöse Prägung ab, die von seiner Familie gelebt werden.
Dieser Kampf mit sich selbst, sozusagen mit seinen Genen, wird vom Drehbuch auf die Spitze getrieben, indem Zed nach einem Gerangel zusammenbricht und ihm im Krankenhaus eine schwere Autoimmunerkrankung diagnostiziert wird. Der verbal unermüdlich die Muskeln spielen lassende Rapper kann sich kaum noch selbständig bewegen. Zu allem Übel steht er auch noch kurz vor seiner bislang größten Tour, eine Gelegenheit, auf die Zed 15 Jahre gewartet hat. Mit knapp dreißig ist er fast schon zu alt, um auf eine erneute Chance für den Durchbruch hoffen zu können.
Thematisch stehen also die Probleme einer Künstlerexistenz, das schwere Erbe einer Migrationsgeschichte sowie die lähmende Erkrankung im Zentrum, die sich jeweils gegenseitig bedingen, dabei aber mit leichter Hand geführt sind. Man sollte also keineswegs einen schweren oder gar pathetischen Film über einen plötzlichen Krankheitsfall erwarten; lakonischer Humor, rohe Authentizität und musikalische Momente voller Energie lassen dies nicht zu.
Die gut ausgearbeitete äußere Handlungsebene stützt Tariq mit einer sehr auffälligen subjektiven Erzählweise, in der innere Vorgänge verbildlicht werden. Sowohl durch das konzentrierte 4:3-Format als auch über seine Sets findet er immer wieder Bilder, um die unbequeme Lage des Protagonisten zu illustrieren, was häufig ins Metaphorische abdriftet, die meiste Zeit aber ausgesprochen gut funktioniert. Ganz am Schluss gibt die innere Ebene der äußeren dann auch eine Art Lösung, die allerdings etwas banal ist und den Film abrupt enden lässt.
Bis dahin hat man neben hervorragenden Schauspielern – insbesondere Riz Ahmed liefert eine völlig kitschfreie Tour-de-Force – auch einen Film gesehen, der für jung und alt gleichermaßen lohnenswert ist, und niemals seine Figuren oder seine Geschichte verrät.