70. Berlinale 2020
Dauerschleife der Diskriminierung |
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Klare und unaufgeregte Bildsprache | ||
(Foto: © Forensic Films) |
Von Sedat Aslan
New York im Morgengrauen. Jane, eine junge Frau (Julia Garner), der ein hoffnungsvoller Blick längst abhanden gekommen zu sein scheint, ist Assistentin in einer Filmfirma. Als Erste ist sie im Büro, druckt ellenlange Excel-Tabellen mit den Box-Office-Zahlen aus, entpackt aus Fidschi importiertes Lifestyle-Wasser, die Plastikflaschen sind in Folie eingeschweißt und stecken wiederum in einem Pappkarton.
Die australische Regisseurin, Produzentin und Autorin Kitty Green legt mit The Assistant ihr Spielfilmdebüt vor, in dem sie zeigt, wie ihre Protagonistin, die erst seit zwei Monaten in diesem Betrieb arbeitet, sich in einer permanent übergriffigen Situation befindet. Sie ist das Mädchen für alles, muss Aufgaben übernehmen, die einer Absolventin einer Privatuniversität nicht angemessen sind – und all das nur für den Traum, eines Tages Filmproduzentin zu sein. Dabei wird sie von ihren Kollegen nicht ernstgenommen, von ihrem Chef ständig unberechtigt zurechtgewiesen, also nicht für das gesehen, was sie leisten kann. Darüber hinaus macht sie lauter merkwürdige Beobachtungen, die darauf schließen lassen, dass ihr Chef seine Position missbraucht, um sich junger und attraktiver Frauen zu bemächtigen. In der Mitte des Films trifft sie die Entscheidung, sich aufgrund ihres Verdachts an eine Vertrauensperson im Betrieb zu wenden. Wird es Jane schaffen, die Dauerschleife der Diskriminierung aufzuhalten, oder wird dies erst recht ihr Untergang sein?
Green findet für ihr Sujet eine sehr klare und unaufgeregte Bildsprache, die stille Anspannung ihrer Protagonistin ist in jedem Frame zu sehen und zu spüren. Auch ihre Schauspieler führt sie überzeugend, wobei man einschränkend sagen kann, dass sie ihrer Hauptdarstellerin nie erlaubt, aus ihrem strengen Korsett mal auszubrechen, was der Figur sicher gutgetan hätte. Dramaturgisch muss man Green vorhalten, dass ihre Szenen eins-zu-eins immer genau eine Sache erzählen, keinen doppelten Boden oder Zweideutigkeiten haben. Es ist sehr deutlich, was die Absicht der Macherin ist. Dazu tragen viele durchsichtige Entscheidungen bei, etwa die, den Chef niemals im Bild zu zeigen, also wie ein Phantom zu erzählen.
Überhaupt Szenen: Begreift man einen dynamischen Widerstreit zweier Figuren oder Prinzipien als solche, kann man allein das schon benannte Gespräch mit der Vertrauensperson so nennen. Ansonsten reihen sich nur Situationen und kleine Handlungen aneinander, die alle nicht viel Eigenes erzählen. Es ist eine Zustandsbeschreibung, die aufgrund des beobachtenden und zugleich repetitiven Ansatzes zwar das Problem aufzeigt, aber nicht in die Tiefe des Problems eindringt – wie es starke Dramen (und auch große Reportagen) in der Lage sind.
Als Pamphlet gegen eine ausbeuterische Geschäftspraxis und einen institutionalisierten Missbrauch von Frauen ist The Assistant in seiner leise und bedacht vorgehenden Weise sehr kraftvoll. Als künstlerischer Film, also als Werk mit mehreren Deutungsebenen, das unerwartete Perspektiven eröffnet, ist er äußerst schwachbrüstig.
Jane wird am Ende des Films in die New Yorker Dunkelheit zurückgehen, aus der sie zu Beginn des Films trat – das Problem, das sie unmissverständlich repräsentiert, liegt aber offener denn je zur Schau, und das wäre zum Glück auch ohne diesen Film so.