25.02.2020
70. Berlinale 2020

Dauer­schleife der Diskri­mi­nie­rung

THE ASSISTANT
Klare und unaufgeregte Bildsprache
(Foto: © Forensic Films)

Kitty Greens THE ASSISTANT im Berlinale Panorama: in seiner leise und bedacht vorgehenden Weise sehr kraftvoll, als künstlerischer Film, der unerwartete Perspektiven eröffnet, eher schwachbrüstig

Von Sedat Aslan

New York im Morgen­grauen. Jane, eine junge Frau (Julia Garner), der ein hoff­nungs­voller Blick längst abhanden gekommen zu sein scheint, ist Assis­tentin in einer Filmfirma. Als Erste ist sie im Büro, druckt ellen­lange Excel-Tabellen mit den Box-Office-Zahlen aus, entpackt aus Fidschi impor­tiertes Lifestyle-Wasser, die Plas­tik­fla­schen sind in Folie einge­schweißt und stecken wiederum in einem Papp­karton.

Die austra­li­sche Regis­seurin, Produ­zentin und Autorin Kitty Green legt mit The Assistant ihr Spiel­film­debüt vor, in dem sie zeigt, wie ihre Prot­ago­nistin, die erst seit zwei Monaten in diesem Betrieb arbeitet, sich in einer permanent über­grif­figen Situation befindet. Sie ist das Mädchen für alles, muss Aufgaben über­nehmen, die einer Absol­ventin einer Privat­uni­ver­sität nicht ange­messen sind – und all das nur für den Traum, eines Tages Film­pro­du­zentin zu sein. Dabei wird sie von ihren Kollegen nicht ernst­ge­nommen, von ihrem Chef ständig unbe­rech­tigt zurecht­ge­wiesen, also nicht für das gesehen, was sie leisten kann. Darüber hinaus macht sie lauter merk­wür­dige Beob­ach­tungen, die darauf schließen lassen, dass ihr Chef seine Position miss­braucht, um sich junger und attrak­tiver Frauen zu bemäch­tigen. In der Mitte des Films trifft sie die Entschei­dung, sich aufgrund ihres Verdachts an eine Vertrau­ens­person im Betrieb zu wenden. Wird es Jane schaffen, die Dauer­schleife der Diskri­mi­nie­rung aufzu­halten, oder wird dies erst recht ihr Untergang sein?

Green findet für ihr Sujet eine sehr klare und unauf­ge­regte Bild­sprache, die stille Anspan­nung ihrer Prot­ago­nistin ist in jedem Frame zu sehen und zu spüren. Auch ihre Schau­spieler führt sie über­zeu­gend, wobei man einschrän­kend sagen kann, dass sie ihrer Haupt­dar­stel­lerin nie erlaubt, aus ihrem strengen Korsett mal auszu­bre­chen, was der Figur sicher gutgetan hätte. Drama­tur­gisch muss man Green vorhalten, dass ihre Szenen eins-zu-eins immer genau eine Sache erzählen, keinen doppelten Boden oder Zwei­deu­tig­keiten haben. Es ist sehr deutlich, was die Absicht der Macherin ist. Dazu tragen viele durch­sich­tige Entschei­dungen bei, etwa die, den Chef niemals im Bild zu zeigen, also wie ein Phantom zu erzählen.

Überhaupt Szenen: Begreift man einen dyna­mi­schen Wider­streit zweier Figuren oder Prin­zi­pien als solche, kann man allein das schon benannte Gespräch mit der Vertrau­ens­person so nennen. Ansonsten reihen sich nur Situa­tionen und kleine Hand­lungen anein­ander, die alle nicht viel Eigenes erzählen. Es ist eine Zustands­be­schrei­bung, die aufgrund des beob­ach­tenden und zugleich repe­ti­tiven Ansatzes zwar das Problem aufzeigt, aber nicht in die Tiefe des Problems eindringt – wie es starke Dramen (und auch große Repor­tagen) in der Lage sind.

Als Pamphlet gegen eine ausbeu­te­ri­sche Geschäfts­praxis und einen insti­tu­tio­na­li­sierten Miss­brauch von Frauen ist The Assistant in seiner leise und bedacht vorge­henden Weise sehr kraftvoll. Als künst­le­ri­scher Film, also als Werk mit mehreren Deutungs­ebenen, das uner­war­tete Perspek­tiven eröffnet, ist er äußerst schwach­brüstig.

Jane wird am Ende des Films in die New Yorker Dunkel­heit zurück­gehen, aus der sie zu Beginn des Films trat – das Problem, das sie unmiss­ver­s­tänd­lich reprä­sen­tiert, liegt aber offener denn je zur Schau, und das wäre zum Glück auch ohne diesen Film so.