Cinema Moralia – Folge 219
Auf der Suche nach dem »Schwarzsein« |
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Barry Jenkins, einer der Autorenfilmer der Blackness: If Beale Street Could Talk | ||
(Foto: DCM) |
»Wo es um das Betrachten des Leidens anderer geht, sollte man kein ‚Wir’ als selbstverständlich voraussetzen.«
Susan Sontag»Hast du was gegen meine Mutter gesagt?« war gestern. Heute heißt es: »Deine Gedichte über Gewalt tun Vergewaltigten weh, weg damit!« Oder: »Den Schwarzen auf diesem Bild hat ein Weißer gemalt. Abhängen!« Oder: »Die Buddhas von Bamiyan lächeln so unverschämt menschlich und werden darum nach tausend Jahren gesprengt.« Ach so, nein, das war ja was ganz anderes...
Maxim BillerDisclaimer: Graphic Content! Some of the following thoughts may hurt your feelings.
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Wer vom schwarzen Kino und von Schwarzen im Kino schreiben will, kann vom Rassismus nicht schweigen. Wie aber kann man überhaupt über die Erfahrung von Rassismus schreiben, wenn man selbst Weißer ist? Wohl nur unter Vorbehalt. Wie schreibt man als Weißer über das Kino von Schwarzen und Filme mit Schwarzen? Das kann nur gelingen, wenn man sich erst einmal der eigenen Begrenztheit versichert, sich klar macht, dass wir Weißen es nicht wirklich nachfühlen können, wie es ist, zu den »Anderen« zu gehören und das »Anderssein« alltäglich zu erfahren: Die Blicke der anderen, das Wegrücken auf der gemeinsamen Wartebank, das Ausweichen auf dem Bürgersteig – ist das überhaupt Rassismus, oder bildet man sich da vielleicht etwas ein?
Es sind solche Überlegungen, die der schwarze US-Schriftsteller James Baldwin (1924-1987) in seinem Buch »The devil finds work« (1976) aufgeworfen hat. Es handelt sich um einen über hundertseitigen Essay, der virtuos autobiographische Anekdoten und prototypische Erfahrungen eines schwarzen Jungen, der in den 20er und 30er Jahren im New Yorker Stadtteil Harlem aufwuchs, mit subjektiven Kinoerlebnissen und detaillierten Analysen bekannter Hollywoodfilme mischt. Baldwin, einem breiteren Publikum bekannt geworden durch Raoul Pecks Dokumentarfilm »I am not your negro« (2016), war auch an mehreren Filmdrehbüchern beteiligt, und einige seiner Bücher wurden zu Filmvorlagen, zuletzt für »Beale Street« (2018).
Baldwin, der 40 Jahre seines Lebens in Frankreich zubrachte und zum Zirkel des Pariser Rive Gauche um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gehörte, ist ein Existentialist. Man sei, was man wähle, zu sein.
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Sein Buch beginnt mit der Erfahrung früher Faszination für Joan Crawford und des Nicht-Realisierens eines siebenjährigen Jungen, dass es sich um eine weiße Frau handelt. Dann aber mit 12 in einer Verfilmung von Dickens' Roman »Die Geschichte der zwei Städte« deutet das Kind schon die Massen der französischen Revolution auf der Straße als Bedrohung, nicht wie vom Film intendiert als Befreiungshoffnung. Denn es sind Weiße »und ein weißer Mob ist immer gefährlich.« Er weiß intuitiv, dass er seine weiße Lehrerin, eine Kommunistin, die das begabte Kind früh fördert, nach allem fragen kann, aber nicht nach seiner oder ihrer Hautfarbe. »Meine Landsleute waren meine Feinde, das hatte ich schon verstanden und ich hatte schon begonnen, sie vom Grunde meines Herzens aus zu hassen.«
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Baldwins Buch vermittelt eine Ahnung davon, wie es ist, schwarz zu sein, sich schwarz zu fühlen in einer Mehrheitsgesellschaft, die sich weiß fühlt.
Er erzählt, wie er als junger Mann Hollywood-Schauspielerinnen auf der Leinwand sieht: »Sylvia Sidney war die einzige..., die mich an ein farbiges Mädchen erinnert oder eine Frau, was bedeutet, dass sie die einzige amerikanische Filmschauspielerin war, die mich an die Realität erinnerte. Alle anderen ohne Ausnahme waren weiß und selbst wenn sie mich bewegten, wie Margaret Sullavan oder Bette Davis oder Carol Lombard, dann aus der Distanz. Ein Instinkt in mir saß tief und forderte mich auf, der Vorstellung des Lebens, die sie entwarfen, die sie darstellten, zu misstrauen. Diese Vorstellung von Leben könnte ganz sicher niemals in irgendeiner Weise von mir erfüllt werden, auch wenn ich Edward G. Robinson und James Cagney und Frederick March bewunderte.«
Von Anfang an dominiert die Frage der Hautfarbe das Kinoerlebnis. So wie mit D.W.Griffith' »Birth of a Nation« (1915), also ein rassistischer Film über »böse« und »treue« Schwarze und den »heldenhaften« Ku-Klux-Klan, der Gründungsdokument des US-Kinos ist – und ein Dokument der Schande.
Schon als Heranwachsender klopfte der Kinogänger Baldwin die Filme gewissermaßen daraufhin ab, was sie über die zwei Gruppen erzählen, in die seine amerikanische Heimat gespalten ist: In Mervyn LeRoys »They won’t forget« (1937), dem ersten Film von Lana Turner, spielt Claude Rains einen ehrgeizigen Provinzpolitiker, der den Sexualmord an einer jungen Frau bewusst vom vermutlichen schwarzen Täter ablenkt, hin auf einen liberalen weißen Professor. Baldwin erklärt dazu,
dass Rassisten den Überläufer noch mehr hassen als die Schwarzen.
Ähnlich formuliert Baldwin auch seine Abneigung gegen die wenigen schwarzen Darsteller im frühen Hollywoodkino. Sie hätten eine Welt gezeigt, die er nicht kannte.
Baldwins grundsätzlich andere Film-Geschichte erzählt davon, wie Schwarze in Amerika Filme sehen, Filme die von Weißen für Weiße gemacht wurden. Einen markanten Unterschied bemerkt er in Filmen von europäischen Emigranten. Sie erzählten von einem Amerika, wie es auch Schwarze erfuhren, auch wenn die Figuren Weiße waren. Gerade Fritz Lang war mit seinem »Sensorium für Faschismus« einer der persönlichen Helden für Baldwin.
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In den 50er Jahren wuchs die Aufmerksamkeit und die Sensibilität für die Lage der Schwarzen in der US-Öffentlichkeit und damit auch im Kino. Plötzlich gab es schwarze Hauptfiguren, in Otto Premingers Filmversion des Broadway-Hits »Carmen Jones« sogar einen fast kompletten schwarzen Cast mit Dorothy Dandridge und Harry Belafonte in den Hauptrollen. Und es gab einen allerersten schwarzen Star: Sidney Poitier, der 1963 als erster Schwarzer einen Oscar für die »Beste Hauptrolle« gewann, und in den Jahrzehnten zwischen 1950 und 1980 konstant in bedeutenden Filmen wie Kassenerfolgen Hauptrollen spielte. Ein Meilenstein ist »The Defiant Ones« (1958, dt. »Flucht in Ketten«): Der Rassenkonflikt der Gesellschaft ist zugespitzt auf das Verhältnis zwischen zwei Häftlingen – Poitier und Tony Curtis –, denen aneinandergekettet durch Zufall die Flucht gelingt. Nach anfänglicher Abneigung nähern sie sich an, bis zu dem Punkt, an dem der Schwarze auf das sichere Entkommen nicht verzichtet, weil er seinen verletzten Kameraden nicht zurücklassen will.
Baldwin kritisiert diese sentimentale weiße Utopie, entdeckt latente Homosexualität und lobt den Film doch auch für bestimmte Szenen, etwa jene, in der das Erschrecken eines weißen Kindes vor dem Schwarzen gezeigt wird: »Die Wurzel des Hasses der Weißen ist eine Idee im Kopf, die Wurzel des Hasses der Schwarzen ist Wut. Sie hassen die Weißen nicht so sehr, wie dass sie einfach wollen, dass sie aus ihrem Weg gehen, und vor allem aus dem Weg ihrer Kinder.«
Knapp zehn Jahre später drehte Stanley Kramer einen weiteren Film mit Poitier: »Guess who is coming to dinner« (1967), in dem zur Zeit des Höhepunkts der schwarzen Bürgerrechtsbewegung die liberale Toleranz einer weißen West-Coast-Familie durch einen schwarzen Schwiegersohn kurzzeitig auf die Probe gestellt wird. Man kann in diesem Film ein Plädoyer für Offenheit ebenso entdecken wie die auftrumpfende Selbstfeier des liberalen Amerika, wie auch den Subtext, dass alle Weißen dieses Films – Familie, Freunde, Bekannte, Arbeitswelt – heilfroh sind, wenn der nichtweiße Schwiegersohn bald wieder in Richtung Ostküste abgereist ist, und man sich nicht mit ihm auseinandersetzen muss.
Kurz danach setzte mit dem gleichzeitigen Beginn von New Hollywood, und dem kurzzeitigen Boom der Blaxploitation-Filme eine neue Phase der Darstellung Schwarzer im US-Kino ein. Schwarze waren nun immerhin sichtbarer, ohne dass im Mainstream Rassismus wirklich zum Thema gemacht wurde. Seit dieser Zeit erst gibt es auch jenseits einzelner, komplett marginalisierter Künstler, eine größere Zahl schwarzer Filmemacher. Nun gibt es »Black Cinema«.
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Acht quälende Minuten und 46 Sekunden lang ist das Video, das die Verhaftung und Ermordung des George Floyd auf den Straßen von Minneapolis zeigt. Erschütternd und widerlich, eine Zumutung. Es ist eine schlimme Erfahrung, und doch sollte man es sich ansehen, aus vielen Gründen.
Ein paar Bildexperten der »New York Times« haben dieses Video, das sich aus Bildern einer Überwachungskamera und mehreren privaten Smartphone-Aufnahmen zusammensetzt, eingehend analysiert, und mit Tonaufnahmen des Polizeifunks kombiniert.
Das Ergebnis ist ein Lehrstück des dokumentarischen Films: Wie Film unser Sehen verändert hat und ständig weiter verändert, wie Film uns überhaupt lehrt zu sehen, mehr und tiefer zu erkennen, aber auch, wo Bilder uneindeutig bleiben,
und Fragen offen lassen.
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Genaugenommen ist die »New York Times«- Analyse dieser Bilder [https://www.nytimes.com/video/us/100000007159353/george-floyd-arrest-death-video.html] bereits ein eigener Film, ein Film-Essay: Er kommentiert und subjektiviert das Bild, modern gesprochen: Er »framed« es. Das heißt, indem er erklärt, was wir sehen, uns Zusatzinformationen liefert, die nicht im Bild sind, richtet er auch unseren Blick.
Der Film greift auch dann ein, wenn er scheinbar nur zusieht – das hat
schon Susan Sontag in ihrem Essay »Das Leiden anderer betrachten« analysiert. Und für gut befunden.
Die Wirkung dieser Bilder – zu der auch eine solche Analyse gehört, die bereits ein Sehen »zweiter Ordnung« ist, eine Beobachtung der Beobachtung –, diese Wirkung geht weit über das reine Dokumentieren hinaus.
Das Video über die Verhaftung und Ermordung des George Floyd und die Tat, es ins Netz zu stellen, ist selbst ein Stück Agitation und Aktivismus. Und es wandert auf schmalem Grat: Denn es zeigt einen schwarzen US-Bürger, der vielleicht persönlich noch nicht mal besonders sympathisch war, als Opfer, ohne ihn zum reinen Opfer zu machen, ohne ihn zu objektivieren. Und ohne ihn auf sein Opfer-sein zu reduzieren.
Vielmehr wird George Floyd und darin liegt seine Würde im Augenblick des Sterbens, zum Symbol. Zum Symbol für Polizeigewalt und staatliche Willkür, und für Rassismus – für die täglichen Erfahrungen nicht-weißer US-Bürger.
Das Video ist zur politischen Waffe geworden.
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Und hierin liegt es in einer langen Tradition des Kinos, die auf dessen Anfänge zurückführt, auf die großen Meister des Stummfilms wie Dsiga Vertiov und seinen Film: »Der Mann mit der Kamera«. Und auf Sergei Eisenstein, der noch offener mit Kino mobilisieren, Propaganda machen wollte.
Der Film als Waffe und Mittel des Widerstands und die Erringung der Autonomie über die Bilder ist der wesentliche Gedanke, der das Kino der Schwarzen prägt, das seit bald 50 Jahren Gegenbilder zum Bestehenden produziert.
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Es kann nicht gelingen, die Geschichte des Kinos umzuschreiben, oder auch nur um die Perspektive schwarzer Autoren zu erweitern, weil Hautfarbe kein Kriterium sein darf, so wenig wie Geschlecht, Klasse, sexuelle Orientierung. Auch nicht unter dem Banner der »Diversität«, des Wohlmeinens, der Unterstützung des Anliegens. Man wäre dann in der alten Falle des Rassismus. Und in der neuen, genau so schlimmen: Der Political Correctness.
Nein: Man soll schwarze Filme, also Filme von
Schwarzen und über Schwarze nicht sehen, weil sie von Schwarzen sind. Sondern weil sie gut sind – und nur dann.
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Es wird sehr oft in den Debatten dieser Wochen, gern auch in unseren Debatten über Rassismus, davon gesprochen, es sei wichtig, wie sich jemand »fühlt«. Oder vom Sprechenden aus betrachtet: »Wie ich mich fühle«.
Das kommt mir viel zu kurz gedacht und gefühlt vor. Denn über Gefühle kann man nicht streiten, man kann nicht über sie argumentieren. Gefühle sind wichtig. Aber sie sind keineswegs »klüger« als der Verstand. Sie sind im Gegenteil mitunter dümmer, zumindest beschränkter, schon
weil sie eine gewisse Tendenz zum Narzißmus haben. Wer von »Mitleid« redet und sagt »Ich fühle mit dir«, der sagt zunächst einmal »Ich fühle«. Und ganz zunächst sagt er »Ich«.
Gefühle haben immer recht, und darum auch immer unrecht. Sie besagen nichts – für die politische Debatte. Um die aber geht es hier.
Es geht um politischen Austausch, um Kommunikation. Und schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein wusste: Auch wenn ich weiß, was Zahnschmerzen sind, werde ich nie genau wissen, was es bedeutet, wenn du mir sagst,du habest jetzt Zahnschmerzen. »Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.« (Wittgenstein)
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Es geht um Recht und um Rechte. Und es geht um Bezahlung. Es geht nicht darum, wie sich Frauen und LGBTQ-Menschen und rassistisch Benachteiligte fühlen. Sondern darum, dass sie in jeder Hinsicht gleichberechtigt sind. Darum, dass sie für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Darum, dass sie nicht mehr diskriminiert werden als jeder andere von uns. Darum, dass man das, was sie womöglich von anderen unterscheidet, möglichst gar nicht wahrnimmt, bzw. es nicht als Merkmal der Abgrenzung und Abstufung wahrnimmt, sondern als Variable, als Merkmal der Vielfalt, als Bereicherung.
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Ich möchte im Übrigen auch nicht gezwungen werden, mich in anderer Leute Gefühle »hineinversetzen« zu müssen, mich überhaupt mit den Gefühlen und (Über-)Empfindlichkeiten Wildfremder beschäftigen zu müssen, die mich womöglich gar nicht interessieren. Wenn ich mich in Gefühle anderer hineinversetze oder mich mit ihnen beschäftige, dann aus freien Stücken, nicht aus moralischem Zwang.
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Wenn Gefühle an sich tatsächlich ein Argument für irgendetwas wären, und »ernstgenommen« werden müssten, dann müsste das für alle Gefühle gelten. Dann wären auch die Gefühle der weißen Frau ein Argument, die sich von schwarzen Männern »angeekelt« fühlt; und die Gefühle des weißen Mannes, der sich von Feministinnen »bedroht« fühlt.
Sind sie aber nicht. Die weiße Frau und der weiße Mann mögen fühlen, was sie wollen, solange sie die Klappe halten und sich selbst an die Gesetze.
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Was das Kino der Schwarzen von dem der Weißen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie nicht ignorieren können. Sie müssen sich verhalten. Wie für Filmemacher, die unter einem diktatorischen Regime arbeiten, gilt für sie: Jeder Ausdruck, der nicht eindeutig widerständig und oppositionell ist, könnte als Konzession, als Einknicken, als Akzeptanz oder sogar Solidaritätserklärung mit den Machthabern gedeutet werden.
Auch darin hat James Baldwins These Bestand, dass es in Amerika immer um Rasse geht, immer darum, wer dazu gehört und wer nicht, immer um die Grenze zwischen bestimmten Ethnien, und dass vor allem sexuelle Vermischung der »Rassen« nach wie vor tabuisiert sei. Eine Identität sei nur dann in Frage gestellt, wenn sie bedroht wird, »wenn die Mächtigen beginnen zu stürzen oder wenn die Verfluchten beginnen, aufzustehen, oder wenn der Fremde an den Toren steht.«
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In den letzten Jahren hat das »Black Cinema« eine erstaunliche Vielfalt und Qualität erreicht. Mit Moonlight und If Beale Street Could Talk, der Verfilmung des bedeutenden Romans von James-Baldwin, wurde der Regisseur Barry Jenkins zu einem der wichtigen jüngeren schwarzen Filmemacher. Seine Werke sind vergleichsweise nahe am klassischen Autorenkino.
Spielerischer geht mit dessen Traditionen Spike Lee um, der Veteran des »Black Cinema« und wichtigste schwarze Filmemacher der Gegenwart. Er hat Identitätsgrenzen kaum infrage gestellt, er formulierte aber in seinen kommerziell erfolgreichen Filmen ein widerständiges, dabei universales schwarzes Selbstverständnis. Werke wie Doin' the Right Thing, Malcom X und sein neuester BlacKkKlansman greifen clever Traditionen des Genrekinos auf.
Der Genrefilm scheint vielen Regisseuren offenbar besser geeignet, um mit den alltäglichen Bedrohungen Schwarzer und mit Rassismus elegant umzugehen.
Etwa der Shooting-Star des schwarzen US-Kinos, Jordan Peele. Mit seinen großartigen, listigen, immer auch ironischen Horror-Filmen Get Out und Us, den
man wahlweise als »Wir« oder als »US« lesen kann, zeigte er den Horror des Rassismus.
In Get Out beginnt die Bedrohung mit einer unangenehmen Polizeikontrolle. Die steht auch am Anfang von Queen & Slim, dem neuesten Welterfolg des Kinos der Schwarzen. Der kontrollierende Polizist ist nicht nur unsympathisch und weiß, sondern offenkundig über-aggressiv und rassistisch. Schnell eskaliert die Situation vom Wortwechsel über Demütigungen zur Gewalt, am Ende liegt der Polizist tot am Boden, erschossen in Notwehr – aber wer glaubt schon zwei Schwarzen, wenn das Opfer ein weißer Polizist ist?
So beginnt im Debüt der Regisseurin Melina Matsoukas ein Road-Movie, der ein Panorama der USA entfaltet und den aussichtslosen Flucht-Film in eine Utopie verwandelt.
Es ist diese Utopie der Befreiung, das Prinzip Hoffnung, das ihm zugrundeliegt, das alle diese Filme verbindet. So unterschiedlich die Ästhetiken dieser Filme auch sind: In ihnen wird das Bild zur Waffe der Selbstermächtigung der mit Rassismus Geplagten dieser Welt.
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Einer der bemerkenswertesten Filme, die vor der Jahrtausendwende die Grenzen zwischen den Rassen infrage stellen, wenn nicht sogar sie einfach ignorieren, war Black and White (1999) vom (weißen) Independent-Regisseur James Toback. Toback brachte hier in einer Szene, die jedem unvergesslich ist, der sie gesehen hat, den Boxer Mike Tyson mit Claudia Schiffer zusammen in ein Bild, in dem auch Robert Downey Jr. und Brooke Shields zu sehen sind, und Musik von Shostakowitsch zu hören – diese Beschreibung allein sollte genügen, um klar zu machen, womit man es hier zu tun hat. Die größte der vielen Qualitäten von Tobacks Kino ist seine Ehrlichkeit und Direktheit, die Tatsache, dass es mit seinen Obsessionen nicht hinter dem Berg hält: Dazu gehört neben Frauen, Drogen, Halbwelt und der Korruption des American Dream auch der Alltag der Schwarzen Amerikas, zwischen Fetischisierung von Stars, Musik, Kleidung und einer bitteren Realität. Indem er genau dies zeigt, ohne es voreilig zu bewerten, war Toback bereits vor 20 Jahren weiter als viele heute.
(to be continued)