Cinema Moralia – Folge 264
Junkerland in Bauernhand! |
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Wir alle lieben Wikipedia! Wikipedia ist toll, oder? | ||
(Foto: Wiki Commons, CC BY-SA 3.0) |
Impfen schützt! Auch die Kultur.
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Was für eine Woche! Überhaupt – wie viele Filmmenschen in diesem Monat schon gestorben sind: Peter Bogdanovich und dann ausgerechnet am gleichen Tag Sidney Poitier, so dass der ihn in den Schatten stellte und Bogdanovich einmal mehr nicht angemessen gewürdigt wurde. Herbert Achternbusch. Michel Subor. Und dann wieder quasi am gleichen Tag Hardy Krüger und der französische Schauspieler Gabriel Ulliel. Nein, Ulliel war kein französischer Hardy Krüger, aber er war ein junger, begabter, wichtiger Darsteller.
Das findet auch Jean Castex, der französische Premierminister.
»Gaspard Ulliel a grandi avec le cinéma et le cinéma a grandi avec lui. Ils s'aimaient éperdument.
C'est le cœur serré que nous reverrons désormais ses plus belles interprétations et croiserons ce certain regard.
Nous perdons un acteur français.«
So was twittert in Frankreich ein Premierminister. Das ist groß.
Was hat Olaf Scholz zu Hardy Krüger getwittert? Oder wenigstens Claudia Roth? Natürlich wird von ihr die richtige politische Einstellung Krügers gelobt: »bewundernswertes Engagement gegen Rechtsextremismus«. Aber Kino? Fehlanzeige.
Jesses! Weiß Roth nicht, wie Pathos geht? Pathos hat aber etwas mit Liebe zu tun. Siehe die Franzosen. Wir dagegen lieben unser Kino nicht, sondern nehmen es in Kauf.
Nur Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, der beinahe auf Roths Stuhl säße, lobt Krüger auch als »eine der wichtigsten Stimmen Nachkriegsdeutschlands«.
Nächste Woche schreiben wir mehr über Krüger. Bis dahin die Frage an alle Leser: Welches waren eigentlich seine schönsten und besten Filme?
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Wir alle lieben Wikipedia! Wikipedia ist toll, oder? Wer hat nicht schon mal gespendet für Wikipedia? Denn so etwas muss man doch unterstützen. Die Frage ist nur, wofür man da spendet. Sie hat jetzt in einem hochinteressanten Text, ausgerechnet in der FAZ, die nicht gerade berühmt für ihr kritisches Verhältnis zu Wirtschaftskonzernen ist und auch nicht übermäßig bekannt für investigative Recherche, Gastautor David Bernet gestellt. Erstmals rückt er dort in einem Mainstream-Medium und nicht in einer Fachzeitschrift fürs breite Publikum die ökonomischen Hintergründe der Lexikon-Betreiberorganisationen und die dazugehörige massive Lobby-Arbeit in den Fokus.
Denn was droht, ist die Kommerzialisierung von unkommerziellen Inhalten durch den globalen Konzern, der Wikipedia de facto längst ist. Tatsächlich finanzieren Wikipedia-Spender, die öffentliches Wissen und Gemeinwohl-Ideen unterstützen wollen, vor allem die Lobbyarbeit, die PR-Leute und die Hausjuristen eines Konzerns und deren tagtägliche Angriffe auf die Säulen des klassischen Urheberrechts.
Bernet, ein in Berlin lebender Schweizer, ist Filmemacher und im Vorstand des Dokumentarfilm-Verbandes AG Dok. 2015 hat er den Film Democracy – Im Rausch der Daten gedreht, in dem es um die Datenschutzgrundverordnung, und um den Kampf für informationelle Selbstbestimmung innerhalb der EU ging. Er ist also »drin« im Thema.
»Wikimedia pervertiert das Gemeinwohl« schreibt Bernet und erklärt, das Wikipedia vor allem durch Spenden von Silicon Valley-Giganten finanziert wird: Google, Facebook, Apple. Das lohnt sich für sie, denn sie verdienen durch Traffic mit Inhalten aus Wikipedia sehr viel Geld. Das reicht dem Wikipedia-Konzern aber nun nicht mehr.
Bernets Thema ist die zunehmende direkte und automatische Kommerzialisierung von Wikipedia-Content. Zum Beispiel wenn Sprachassistenten wie Siri oder Alexa »über Wikipedia auf Inhalte zugreifen«. Das oben beschriebene Spendengeschäft auf Gegenseitigkeit würde damit in eine ordentliche Geschäftsbeziehung umgewandelt werden. Damit sich das Geschäft lohnt, müssen die Wikipedia-Inhalte möglichst kostenlos und rechtefrei sein.
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»In diesem Zusammenhang ist auch die seit einigen Jahren anhaltende intensive Lobby-Kampagne von Wikimedia Deutschland für sogenannte 'freie Lizenzen' zu verstehen«, schreibt Bernet in der FAZ. Die gern verwendete Formel »Öffentliches Geld = Öffentliches Gut« sei »eine Vulgarisierung des Gemeinwohlgedankens, die den rechtlichen Status von Gütern abwertet«, auch solchen, die ohne den Gedanken an ökonomische Auswertung produziert wurden.
Bernet warnt, dass der Wikipedia-Kapitalismus hier von einer typischen Internet-Mentalität profitiere, der »Verquickung von libertärer Staatsverachtung und Kollektivismus-Idealen, die sich in diesem Fall recht schamlos hinter Gemeinwohl-Rhetorik und flimmernden Fantasien vom 'freien Internet' versteckt.« Die britischen Soziologen Richard Barbrook und Andy Cameron haben diese Mentalität und ihre Folgen bereits vor 25 Jahren klarsichtig mit dem Schlagwort »Kalifornische Ideologie« beschrieben.
Bernet geht es klarerweise vor allem um die Situation der Filmemacher. Die Taktik der Wikipedia-Betreiberorganisationen und die dazugehörigen Propaganda-Feuerwerke mit ihrem Getöse von der »Befreiung« des Wissens verfangen auch in medienpolitischen Kreisen in Deutschland und bei deutschen Filmemachern. So kursieren unter dem Schlagwort Docs for Democracy in der Szene gerade Vorschläge dafür, die Finanzierung von Dokumentarfilmen auf komplett neue Grundlagen zu stellen. Einstweilen nur »in Ergänzung zum bestehenden öffentlich-rechtlichen Beauftragungs- und Lizenzsystem«.
Man sollte diese Ideen nicht voreilig abtun. Im Gegenteil stoßen sie eine nützliche Debatte an. Die Initiatoren werden viele Fragen zu beantworten haben und man sollte ihnen die Chance dazu geben. Die Gefahr ist allerdings groß, mit dem lauwarmen Bad der zugegeben unzureichenden, oft schlechten Filmförderung auch das Kind der Freiheit auszuschütten und sich selbst im Creative-Commons-Kosmos zu prekarisieren.
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Darum greift Bernet in seinem Text auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender an, die im Gegensatz zur deutschen Filmbranche über »creative commons«-Lizenzen einen schmutzigen Pakt mit Wikimedia geschlossen haben: »Warum benötigt Wikimedia überhaupt CC-lizenzierte öffentlich-rechtliche Inhalte?« fragt er, »Wikimedia könnte auch ganz einfach eine Pauschallizenzierung mit den zuständigen Verwertungsgesellschaften wie der VG Bild-Kunst abschließen. Genauso wie das Schulen, Universitäten und Bibliotheken tun.«
Professionelle Filmwerke, so Bernet weiter, »stellen immer Bündelungen von gesetzlich garantierten Rechtsansprüchen für Drehbuch, Regie, Produktion, Kamera, Musik et cetera dar. Filme, die unter professionellen Marktbedingungen entstehen, eignen sich schlicht nicht für die vereinfachte Publikation per Creative-Commons-Lizenzierung.«
Bernet fordert den »intensiven Dialog mit den Filmschaffenden« um »stabile rechtliche Grundlagen und faire Marktstandards« einzuführen.
In der gegenwärtigen Lage ist das offenbar bereits zu viel.
(to be continued)