Cinema Moralia – Folge 274
Was ist (gute) Filmkritik? Eine Erinnerung ohne Anlass |
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Das waren noch Zeiten! Goethe durfte noch namentlich kritisieren und Kollegenschelte betreiben – heute müssen die Namen per Mail beim Autor angefragt werden | ||
(Foto: Ölgemälde von Joseph Karl Stieler, 1828) |
»By its very nature, criticism is personal.« – George Steiner
»Wo die Liebe halt so hinfällt. Stets findet der Verstand erst im nachhinein mühsame Erklärungen für Empfindungen, die schon alles entschieden haben, bevor sich ein Argument einstellt.« – Peter Buchka
Gut elf Jahre ist es nun schon her, da ist Michael Athen gestorben. Nach wie vor ein überaus schmerzhafter Verlust, nicht nur für seine Familie und seine Freunde und auch für mich, sondern darüber hinaus: Für das Kino und alle, die es lieben, für unsere Filmszene.
Fast 13 Jahre vor seinem Tod hat Michael einen Nachruf auf Peter Buchka geschrieben, seinen Vorgänger als Filmredakteur der Süddeutschen Zeitung. Hier auf dieser Website, die die allermeisten Texte von Michael versammelt, kann man auch diesen nachlesen.
Der Text könnte und müsste heute genauso geschrieben sein.
Aus Michael Althens Texten auf dieser Website kann man unendlich viel mehr lernen und erfahren, als aus jedem Uniseminar über Kritik. (Und das schreibe ich extra, obwohl ich gelegentlich und wieder in ein paar Tagen selber eins gebe. Ich sage ja nicht, dass man da dann gar nichts erfahren kann ;)
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Michael erinnert daran, dass Peter Buchka nicht nur über Filme schrieb, sondern auch über Bücher, über Malerei, über Musik. Und dass er sich noch viel mehr damit beschäftigt hat, als dass er öffentlich darüber schrieb. Alles dies, diese Beschäftigung floss in seine Filmkritiken rein. Deswegen war Buchka kein Durchschnittskritiker. Sondern etwas Besonderes.
Die Durchschnittskritiker dagegen verachten es, wenn man sich mit anderen Dingen beschäftigt. Sie sagen dann irgendetwas Spießiges wie: »Warum musst du denn darüber schreiben?« Oder: »Musst du denn über alles schreiben?« Oder sie zitieren am besten gleich die Bauernregel: »Schuster, bleib bei deinen Leisten!«
Schon aus Schustern wird nichts, wenn sie immer bei ihren Leisten bleiben. Ganz bestimmt kein Schuhdesigner, kein Balenciaga, aber auch kein guter Durchschnittsbesohler.
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Die Mister und Misses Minits der Filmkritik sehen in der Außerdurchschnittlichkeit ihren Feind. Verständlich regt sich ihr Ressentiment, denn sie spüren, dass das Ungewöhnliche die eigene Gewöhnlichkeit erst recht sichtbar macht.
Zu dieser Gewöhnlichkeit gehört natürlich der schlechte Impressionismus, der vieles so dominiert. Es gibt zum Beispiel Festivalberichte, die mehr als die Hälfte des Textes damit verschwenden, dass über die Palmen von Cannes, nicht die goldenen, sondern die grünen, räsoniert wird. Oder über den Kaffeesponsor, und die Mädchen, die dort Kritikern den Kaffee ausschenken. Oder das Hotel in Venedig, das einen Kritiker an eine Szene aus irgendeinem alten Film erinnert, und dann hangelt er sich an Assoziationen entlang, die irgendwie ganz geistreich sind, aber nichts zu tun haben mit den Filmen, die wir auf diesem Festival gesehen haben, und nichts mit der Atmosphäre auf diesem Festival.
Es gibt aber auch guten Impressionismus. Der hat dann was damit zu tun, wie es ist, auf dem Festival zu sein. Der interessiert sich primär für Phänomene und nicht primär für sich selbst. Michael Althen ist vom Festival in Venedig aus mal zur Biennale gefahren und hat die Filme, die er gesehen hat, in Beziehung gesetzt zu den Kunstwerken der Biennale. Das finde ich legitim. Man könnte natürlich sagen: »Soll er doch besser über drei Filme schreiben. Von der Biennale berichtet der Kunstredakteur.« Aber das, was einen starken Autor ausmacht, ist der persönliche Zugang. Es gibt einen legitimen Impressionismus! Gerade im Netz.
Festivalberichte sind etwas anderes als eine Filmkritik. Heute muss man von Festivals täglich berichten. Das ist völliger Unsinn! Wolfram Schütte hat früher maximal drei Berichte über ein zweiwöchiges Festival geschrieben. Trotzdem ist er die volle Zeit da gewesen, die Zeitung hat das finanziert, und keiner hat gefragt, warum er nicht stattdessen Redaktionsdienst schiebt. Vielleicht ist dieser tägliche Schreibzwang heute auch ein Grund für die Tendenz zum Impressionismus.
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Wir alle – nicht nur die Filmkritik – leiden derzeit unter dem Problem der Postmoderne: Dass es so etwas wie gültige Weltanschauungen und Philosophien, einen Kanon, bestimmte feste Bewertungsmaßstäbe, an denen wir einen Film objektiv messen könnten, nicht gibt. Oder wenigstens nicht zu geben scheint. Das heißt: Jeder Kritiker trägt seinen Kanon in sich. Er ist das Medium, durch das der Film zur Sprache kommt, und ich glaube, dass es besser ist, diese Tatsache mit einzubeziehen in die Filmkritik: Dass Filmkritik subjektiv ist, dass wir als Kritiker gar nicht anders können, als unsere eigenen Empfindungen, unsere persönlichen Vorlieben, oder die Tatsache, dass man einen Film vielleicht nur mag, weil man auf die Hauptdarstellerin steht, zum Thema zu machen. Weil man nur dann dem Leser die Möglichkeit zur Auseinandersetzung damit gibt.
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Zugleich die Gegenthese: Michael Althen beschreibt an Buchka »...eine tiefe Überzeugung, daß man gerade als Kritiker das Kino nicht wichtiger nehmen dürfe als das Leben, von dem es sich nährt.
Das bedeutete nicht nur, dass er sich von keinem Festivalstress sein geruhsames Essen und sein Glas Wein nehmen ließ, sondern vor allem, dass er mit seiner Person für das einstand, was sich hinter solchen Weisheiten verbirgt. Über Filme konnte man wohl mit ihm streiten, aber niemals hätte er
zugelassen, daß man sich darüber zerstritt. Das sagt sich so leicht und ist doch keine Selbstverständlichkeit.«
Und er lobt Buchkas Toleranz: »Natürlich haben wir mit ihm gestritten, aber genauso natürlich blieb er unser Held. Denn weit und breit war er der einzige, der von der Meinungsvielfalt nicht nur geredet, sondern sie auch praktiziert hat. Sein Interesse an anderen Standpunkten war tatsächlich Programm. Und es gehörten schon Größe und ein gänzlicher Mangel an Eitelkeit dazu, nicht nur sich, sondern auch das Blatt für Meinungen zu öffnen, die er nicht unterschrieben hätte. Er hat sie nicht nur zugelassen, er hat sie im Zweifelsfall auch verteidigt. Das muß man ihm erst mal nachmachen.«
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Warum ich das schreibe? Solche Tugenden geraten mehr und mehr in Vergessenheit. Zuallererst die Tugend, das Leben zu genießen, sich nicht durch Filme und erst recht nicht durch den Stress, den Redaktionen machen, verrückt machen zu lassen. Gerade in den zurückliegenden Tagen in Cannes konnte man sehen, wie wenige diese Tugend beherrschen – und ob ich sie selber so gut beherrsche, da bin ich mir auch nicht sicher.
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»Es ist das große Mißverständnis, wenn man immer noch glaubt, der Film bewahre nur das Sichtbare in seiner natürlichen Bewegung. Dabei ist das Unsichtbare, das er in seinen Bildern transportiert, sehr viel wichtiger: also Bewegtheit statt Bewegung, Sehnsucht statt Handlung, Geist statt Natur. Nur dadurch ist der Film zu einer Kunst geworden, daß er in der Lage ist, die geheimen Antriebskräfte des menschlichen Daseins in den gewöhnlichen Erscheinungen mitzuliefern und einsehbar zu machen.« – Peter Buchka
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Worum also geht es in der Filmkritik? Es geht entgegen allem Anschein nie um Argumente, sondern es geht immer um Empfindungen.
Deswegen ist der Geschmack, die Bildung, die Empfindsamkeit und die Neugier von Filmkritikern essentiell. Aber viele Texte sind nur borniert.
Die Filmkritik muss das Unsichtbare aufspüren, muss dem Unsichtbaren Gestalt geben. So verstehe ich Buchka.
Die Verantwortung der Kritik zielt nicht auf den Film, auf die Kunst, sondern auf die Gesellschaft. Die Verantwortung ist es zunächst einmal, genau hinzusehen. Und dann genau das aufzuschreiben, was man denkt, was man empfindet, selbst wenn es ein »terrain vague« ist, selbst wenn es dem überhaupt nicht entspricht, was irgendwelche Anderen geschrieben haben.
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Wer nur vom Film etwas versteht, der versteht auch vom Film nichts. Das schrieb – wörtlich? sinngemäß? – angeblich der Filmkritiker Serge Daney (oder laut FAZ-Kritikerin Verena Lueken auch Manny Farber) über Filmkritik. Damit ist eine klare Aufgabe formuliert: Man muss sich umschauen über die Ränder, nicht nur die Tellerränder, hinaus; man sollte sich, wenn man sich mit Filmkritik beschäftigt, nicht nur mit Filmen beschäftigen. Sondern auch mit anderer Kunst, mit Politik, mit Tendenzen und Trends in der Gesellschaft. Dies muss ab und zu mal gesagt werden – auch hier in dieser Kolumne, für all jene nämlich, die reflexartig auf bestimmte Passagen im Cinema Moralia antworten: »Was hat denn das mit Film zu tun?« Oder gar noch schlimmer, nämlich schon die Antwort kennend: »Das hat doch mit Film nichts zu tun.«
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»Erst 'Black Lives Matter', dann Corona, nun der Krieg« titelt am 11.04.2022 das Feuilleton der SZ und berichtet über die aktuelle Whitney Biennale in New York: »Eine Biennale soll einen Moment abbilden. ... Doch eine solche Abbildung der Gegenwart birgt Gefahren. Die Kuratoren müssen mit einer ungesicherten These darüber operieren, was denn diese Gegenwart ausmacht. In Zeiten wie diesen, da sich die Gegenwart so rasch verändert wie selten, ist diese Aufgabe besonders schwierig.«
Der
Autor erinnert an das Jahr 1993: »Die Ausstellung rief bei der etablierten Kritik einen wahren Furor hervor. Ein solches Ausmaß der Politisierung der Kunst war man damals noch nicht gewohnt. Die Biennale wurde als 'Agit-Prop' und 'stumpfe Didaktik' kritisiert. Das Ästhetische sei so stark zu kurz gekommen, dass man zwischen den Werken und reiner, nicht-künstlerischer Polemik nicht mehr unterscheiden könne.«
Kommt einem bekannt vor. Wahrscheinlich wird man, wenn die jetzige Welle vorbei ist, wieder 30 Jahre Ruhe haben und dann kommt die nächste und dann wird man sich an das Jahr 2022 erinnern.
Es sind Skizzen zu einer Realität, die im Werden begriffen ist und die keiner von uns schon so richtig zu verstehen vermag. Und als solche sind sie vielleicht die passendsten Abbildungen des Augenblicks.
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Es gibt viele kluge Beobachtungen von Pier Paolo Pasolini; das Beobachten zieht sich durch die »Freibeuterschriften« wie den »Petroleo«. Um 1970, als er beide Texte schrieb, ereignete sich eine viel einschneidendere gesellschaftliche Umwälzung als Faschismus und Industrialisierung. Sie zerstöre die »natürlich gewachsenen« Alltagskulturen, bringe sie zum völligen Verschwinden, und mit ihnen auch die eine Möglichkeit, eine Vorstellung davon zu haben, was Glück wäre. An ihre Stelle tritt, so Pasolini, einzig eine medial zentral gesteuerte Variante bürgerlichen Bewusstseins, die sich selber zwangsläufig verkennen und missverstehen muss. Um drastisch zu illustrieren, was er meint, schrieb Pasolini damals den Satz: »Der Unterschied zwischen Faschisten und Antifaschisten ist sekundär geworden.« Heute würde man Pasolini für sowas möglicherweise als Querdenker gesellschaftlich ächten. Wir leben in einer Welt, in der man in bestimmten Redaktionen nicht einmal mehr Corona und Ukraine-Krieg in einem Satz schreiben darf oder miteinander vergleichen, ohne in das zu geraten, was man früher Verschiss genannt hätte.
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Kritik wie auch Literatur oder Film in der Weimarer Republik und überhaupt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sahen es als seine selbstverständliche Aufgabe an, die Zeitumstände nicht nur abzubilden, sondern sie aufmerksam bis polemisch zu kommentieren und nicht zuletzt Nachbesserung zu fordern.
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Aber heute nun? Der Kritik geht es nicht gut. Mehr denn je steht ihre Zukunft infrage. Mit der Existenzkrise, die das Kino gerade erfährt, ist auch Filmkritik in ihrer Substanz gefährdet.
Man scheint sie nicht mehr zu brauchen. Aber braucht Kritik sich selber denn? Wenn sie sich selber nicht will, nicht achtet, warum sollten andere sie wollen und achten?
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Das Wichtigste, was Kritik braucht, ist: Sie muss persönlich werden. Sie muss direkt werden. Sie muss den Mut haben, Dinge beim Namen zu nennen.
Keine Compliance, sondern »nomadische Selbstkritik« im Sinne von Geoeg Seeßlens Text von 2014.
Die Kritik ist aber heute kleinmütig und feige geworden und sie versteckt diese Feigheit
hinter der Floskel der Höflichkeit; hinter dem Verzicht auf »Kollegenschelte«, die eigentlich Kritik auf Augenhöhe ist; hinter der Absage an sogenannte »Nestbeschmutzer«. Auch so ein Naziwort, das der deutschen Sprache erhalten geblieben ist.
Aber es gibt bei uns keine Debatten, die direkt geführt werden, sondern alles nur verklausuliert, immer wieder. Damit sprechen sie allenfalls Insider an. Genau dies, dieses Insidertum, ist der Tod der Kritik.
Man sollte vielleicht einmal gute 200 Jahre zurückblicken in die große Zeit der späten Aufklärung, der Klassik und der Romantik, die auch die größte Zeit der Kritik in Deutschland ist. Es blühten seinerzeit die Zeitschriften so wie heute die Blogs.
Und es gab Debatten zwischen Fraktionen aller Art, die uns heute überhaupt nicht mehr klar sind: Goethe und Schiller stritten sich, um dann wieder gemeinsam gegen die Romantiker zu ziehen und gleichzeitig gegen alle Altmodischen und
Konservativen; die Romantiker zerstritten sich untereinander, stritten mit den Aufklärern, stritten mit den ausländischen Romantikern. Autoren, die heute längst untilgbar im Kanon stehen wie Friedrich Schlegel oder Heinrich von Kleist, galten als nahezu verrückt und wurden öffentlich auch so genannt.
Man konnte sehr wohl auch differenzieren, wie beispielhaft eine Anmerkung Goethes über den heute zu Recht völlig unbekannten, damals wichtigen Komponisten Reinhard zeigen soll: Der sei »von der musikalischen Seite unser Freund, von der politischen unser Widersacher« – wohlgemerkt handelt es sich um eine öffentliche Äußerung, nicht etwa um eine private. Und klarerweise war Goethe nicht irgendwer, sondern ein solches Wort kam der Vernichtung des Komponisten in manchen Kreisen gleich.
Oder nehmen wir die beleidigte Sippenhaftung, die Schiller dem August Wilhelm Schlegel angedeihen ließ: Nachdem dessen Bruder Friedrich Schlegel öffentlich die Zeitschrift die »Horen« kritisiert hatte, kündigte Schiller dem Bruder die Mitarbeit bei eben dieser Zeitschrift.
Um Vernichtung geht es nicht. Sehr wohl aber ums Befeuern von Kontroversen, die sich um Form und Inhalte drehen, um politische Haltungen und ästhetische Positionen.
Wo sind derartige Kontroversen heute?
Gerade im Film scheut man vor all dem zurück, was in der Literaturkritik und in der Theaterkritik noch sein mag: Feindschaften, Widerspruch und vor allem die persönliche Benennung von Widerspruch.
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Beispiele, warum nenne ich hier eigentlich keinerlei aktuelle Beispiele für solchen großen Thesen? Könnte und würde ich schon nennen. Diese Frage muss man daher an andere richten. Auf persönliche Nachfrage nenne ich gern Namen und Medien. Email an suchsland@gmx.de genügt.
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Noch kurz zum Politischen: In den letzten Tagen sprach mich jemand an, und fragte »Warum schreibst Du eigentlich politische Texte auf artechock?« Ich dachte schon oje oje jetzt geht es schon wieder um Cinema Moralia. Aber nein. Die Person meinte meine Rezension zum Francois-Ozon-Film.
Darin ist ein kleiner Exkurs über Sterbehilfe, der nicht nur über die Geschichte des Freitods und die derzeitige
juristische Lage in Europa informiert, sondern auch ziemlich klar macht, dass ich finde, man sollte Sterbehilfe in jeder Hinsicht und in allen Ländern legalisieren – das ist übrigens auch die Position von François Ozon.
Was diese kleine Anekdote aber zeigt, ist eigentlich: was politisch ist, das liegt im Auge des Betrachters. Anders gesagt: alles ist politisch. Erst recht im Kulturbereich, da sind die Grenzen noch viel fließender.
Aber selbstverständlich ist es auch politisch, wenn Robert Habeck bei »Markus Lanz« erzählt, warum er gern ein Mettbrötchen isst oder es besser wäre, das nicht zu tun (das hat er gemacht) oder wie wir erst kürzlich gesehen haben: Wo Ministerinnen ihren Urlaub verbringen und wann und warum?
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Politik ist also wichtig und unverzichtbar. Sie verschwindet. Stattdessen: Cheesy Politisierung. In Filmen wird abgefragt, wie weit sie eigene Haltungen abbilden, wie weit sie das, was angeblich gesellschaftlich notwendig und wünschenswert ist, zeigen. Wenn sie das tun, sind sie gut, wenn sie das nicht tun, sind sie schlecht. An Filmen wird gelobt, weil sie »einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Lebens rea li täten«. Gibt es auch unwichtige Beiträge? Und warum muss man alles verstehen?
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Es niemandem recht zu machen, ehrt die Kritik. Fehler zu machen, ehrt die Kritik.
Auf der handwerklichen Ebene ist Politisierung der Kritik das Falsche. Auf der ästhetischen Ebene gilt: Es gibt keine richtige und keine falsche Kritik, es gibt nur unehrliche Kritik.
(to be continued)