Gefühle, Familien und andere Pandorabüchsen |
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Goldene Muschel für Pandora’s Box | ||
(Foto: Kairos-Filmverleih) |
Endlich wieder San Sebastián, das mit weitem Abstand angenehmste Festival unter den Großen. Dies nicht nur, weil es in der neben Venedig schönsten Stadt der Festivalorte stattfindet, weil hier die Luft am besten ist – immer eine leichte Brise Seewind, trotzdem Temperaturen konstant über 20 Grad, oft bis zu 30, und wenn es mal regnet, dann ist es schnell wieder vorbei – sondern weil es eine gute Programmkonstruktion hat. Mittags sind zwei Stunden Siesta fest eingeplant, abends kann man bis zwei Uhr nachts Filme gucken, muss es aber nicht, denn die wichtigsten sind bis neun Uhr gelaufen. Wenig überschneidet sich, aber wenn man es drauf anlegt, dann kann man auch sieben, acht Filme am Tag gucken.
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Diesmal ist das Programm besonders verführerisch. San Sebastián ist ja für seine Retrospektiven berühmt, jedes Jahr laufen drei gleichzeitig, und in diesem Jahr sind sie alle interessant: Was ich in jedem Fall sehen werde: Möglichst viel von »Japón negro«/»Japanese Film Noir«, eine Mischung aus japanischen Filmen vom späten Stummfilm bis in die 90er Jahre. Das Konzept ist auf Anhieb erstmal schwer zu durchschauen- aber darüber werde ich in den nächsten Wochen nochmal gesondert schreiben.
Dann gibt es alle – zugegeben nicht sehr viele – Filme vom Briten Terrence Davies, dessen neuester Of Time And The City mir in Cannes im Mai so sagenhaft gut gefallen hatte. Aber die konnte man erst vor einigen Jahren beim Münchner Filmfest sehen. Echte Konkurrenz zu den Japanern ist dagegen der Italiener Mario Monicelli – schon deshalb, weil mir in Venedig die Italiener-Retro so gut gefallen hat. Monicelli war einst richtig berühmt, hat unter anderem mal den Goldenen Löwen gewonnen, und ist schon deshalb interessant, weil sein Werk vom Stummfilm bis in die Gegenwart reicht. Immerhin wurde er 1915 geboren. Am Flughafen von San Sebastián war ich Monicelli bereits persönlich über den Weg gelaufen, ohne aber zu wissen, wer er war – einfach ein sehr nett aussehender älterer Herr, der keineswegs aussieht wie 93.
In seiner Filmographie notiert die imdb 66 Regiearbeiten, 43 davon laufen hier. Der Mann hat mit nahezu allen großen Darstellern des italienischen Kinos gearbeitet, hat Kriegsfilme gemacht und Sozialdramen, Popmovies und vor allem immer wieder Komödien – zu einer Zeit, als so etwas noch für Erwachsene gemacht wurde. Seine Filmographie ist wahrscheinlich die authentischste des italienischen Kinos. Dazu gehören dann auch solche Sachen wie Boccacio ‘70, 208 Minuten Episodenkino zu dem außer Monicelli auch Visconti, Fellini und de Sica Stücke beigesteuert haben, in denen Anita Ekberg, Romy Schneider und Sophia Loren mitspielen. Das Drehbuch zu Monicellis Episode schrieb Italo Calvino. Mit der Loren hat Monicelli dann übrigens einen Film gemacht, der La Mortadella heißt, und dessen Plot sich wunderbar liest: Die Loren will in die USA einreisen, wird dort aber am Flughafen nicht hineingelassen, weil sie eine Mortadella bei sich führt – Hexenjagd am Flughafen. Oder Casanova ‘70 mit – natürlich – Marcello Mastrioanni als NATO-Kommandeur!
Wie gesagt: All das hätte ich gerne angeguckt – aber das Festival erleichtert (?) die Entscheidung ungemein, weil die Monicelli-Filme im Gegensatz zu allen anderen Filmen des Festivals nur mit spanischen Untertiteln gezeigt werden. Unverständlich natürlich und eine Blamage für ein internationales Festival, das sich gern damit brüstet, die »Nummer vier« Europas zu sein. Das Ergebnis waren dann halbleere Kinos.
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Gewonnen hat den Wettbewerb um die renommierte »Goldene Muschel« am Ende die türkische Regisseurin Yesim Ustaoglu, die bereits mit ihren melancholischen Identitäts-Dramen Journey to the Sun (1999) und Waiting for the Clouds (2004) bekannt wurde, mit ihrem Film Pandora’s Box. Der Film war gut, den Hauptpreis hätte er trotzdem nicht verdient gehabt. Denn das diesjährige Programm des Wettbewerbs von San Sebastián war ganz klar das Beste der letzten Jahre, und konnte leicht mit den – zugegeben: sehr schwachen – diesjährigen Wettbewerben der Berlinale und von Venedig mithalten. Auffallend und sehr angenehm war dabei, dass die Auswahl sich spürbar gegen die grassierende Tendenz zu Message-Filmen stellte, also der Dominanz von Werken, die alles erklären, die »bedeutende Themen« haben, die dann mit einzeiligen Botschaften versehen auf die Leinwand geklatscht werden – mehrheitsfähig und politisch unangreifbar, aber künstlerische Offenbarungseide.
Die meisten Filme in San Sebastián bewegten sich weg vom thematisch »bedeutenden«, oder bedeutungsvoll daherkommenden, »großen« politischen Themen wegbewegte, und dazu tendierte, privatere Geschichten zu erzählen: über Gefühle, Familien und Beziehungen, auch über Generationenverhältnisse.
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Ethnologische Zwischenbemerkung: Frisch in Venedig gewesen, denkt man, »Der Spanier ist ja sowieso in jeder Hinsicht das Gegenteil vom Italiener«. Kein Mann ist hier angezogen, wie ein Zuhälter, keine Frau sieht hier aus wie eine Moderatorin des Privatfernsehens. Die Bedienungen sind freundlich, die Menschen in der Schlange gelassen, keiner schreit, und wenn doch mal, gucken die andren befremdet. Nur in Deutschland hält sich noch hartnäckig das Gerücht, Italiener seien stilvoll, längst aber ist Spanien das Land des Stils, das Land mit dem besten Design und der besten Architektur.
Persönliche Erfahrung: Wenn man in Italien etwas erreichen will, muss man unhöflich und laut werden, mit Freundlichkeit funktioniert gar nichts. In Spanien muss man höflich sein und leise. Allerdings bürokratisch, und das heißt: unnötig kompliziert und pedantisch ist man hier aber nicht weniger, als in Deutschland.
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Pandora’s Box erzählt überaus zeitgemäß von drei Generationen: Die Großmutter lebt seit Jahrzehnten auf dem entlegenen Land, und beginnt, ihr Gedächtnis zu verlieren. Eines Tages wird sie vermisst. Ihre drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, müssen ihr mehr oder weniger ausgefülltes Leben in der Metropole Istanbul unterbrechen. Die ersten Filmminuten zeigen die umständliche, lange und erschöpfende Autofahrt der Geschwister – in einem kleinen Wagen, zwischendurch ohne Benzin, und andauernd streitend: Über den richtigen Weg zu leben, über die Familie, und über den Umgang mit der Landbevölkerung. Kurzzeitig fürchtet man, das der Film nach Ankunft auf dem Dorf bleibt und eine allzu-schlichte Schwarzweißgeschichte über einen Stadt-Land-Konflikt erzählt. Aber es ist alles etwas subtiler.
Die Großmutter wird bewusstlos im Wald gefunden, und es ist bald klar, dass sie nicht mehr allein leben kann. Weil aber die Kinder ihr eigenes Leben leben, können sie nicht im Dorf bleiben, also muss die Großmutter mit in die Stadt – wo wiederum sie nichts verloren hat.
Bald macht ein Arzt klar, dass die alte Dame an Alzheimer leidet und bald nicht mehr ohne Aufsicht gelassen werden kann. Es ist bitter und hart, den Verfall des Verstandes, der Selbstkontrolle und der Körperfunktionen zu sehen. Ustaoglu zeigt alles sehr freimütig, ohne dass die alte Frau je ihre Würde einbüßt. Die 90-jährige Tsilla Chelton ist so großartig wie wunderbar und scheinbar anstrengungslos in ihrem Spiel – mehr als jede andere hat sie den Preis als beste Schauspielerin verdient.
Kaum weniger bitter ist das Dilemma der Kinder. Sie leben ihr eigenes Leben, das auch nicht wirklich einfach ist, und in diesem Leben ist definitiv kein Platz zur Pflege einer Alzheimer-Kranken. Wie löst man den Konflikt zwischen Freiheit und Fürsorge?
Klug zeigt Ustaoglu diesen Konflikt als unlösbar: Beide Seiten können und wollen ihr Leben nicht aufgeben. Unübersehbar nimmt die Regisseurin allerdings Partei für die Großmutter. Und gegen die drei Kinder, die sämtlich als irgendwie selbstsüchtig und frustriert, gescheitert und unglücklich und vor allem von der Moderne verdorben portraitiert werden – dies ist der Schwachpunkt in einem ansonsten liebevollen Film, der vorhersehbar mit dem Tod der alten Dame endet, die ihren Enkel bittet, sie zurück zu »ihrem Berg« zu bringen, wo sie sich, wie ein afrikanischer Elefant, zum Sterben zurückzieht. Ein tief pessimistischer Blick aufs moderne Leben – gedreht in einem emotional intensiven Stil.
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Unverständlicherweise ganz ohne Auszeichnung von der von Regisseur Jonathan Demme (Das Schweigen der Lämmer) geleiteten Jury blieb Still Walking vom Japaner Hirokazu Kore-eda: Zwei Geschwister – ein etwas zu materialistische Tochter und ein komplexbeladener Sohn – besuchen mit Anhang und Kindern die alten Eltern fürs Wochenende. In mancher Hinsicht eine ähnliche Geschichte wie Pandora’s Box, aber humorvoller und sehr menschlich erzählt, mit Sinn für die Schwächen aller (!!) Generationen. Die Kinder sind nicht nur gut, aber Eltern sind vor allem nicht besser.
Ein dritter toter Sohn wird von den Eltern heillos idealisiert – der Bruder reagiert darauf empfindlich, fühlt sich ungeliebt und fragt, was wohl aus dem Bruder geworden wäre, wäre er noch am Leben. Der alte Vater war Arzt und ist Musikliebhaber, ihn interessieren seine Miles-Davies-Platten mehr als die Menschen, aber zu seinem Stiefenkelkind ist er rührend.
Eine leise Komödie mit kleinen Bosheiten, und hübschen Details, wie dem Satz »There is not much to watch these days in Television. There is nothing funny, but they lough so loud.« oder dem Lied »Blue Light Yokohama« aus der Zeit der Expo 70, in mancher Hinsicht super gemacht; ein schöner nachdenklicher Film über eine Familie, über das ganz normale Leben, der vielleicht auch dadurch berührt, dass es zu den angenehmen Seiten des Kinos gehört, zu sehen, dass es allen anderen auch nicht besser geht, dass alle die gleichen Probleme haben.
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Am Ende steht dann das nevermore, nevermore… Aus dem Off erzählt der Sohn, dass der Vater drei Jahre später gestorben ist, bald darauf die Mutter. »I didn’t give her that ride in the car... I never went with him to a soccer match...« Und der Sohn steht mit Frau am Grab des Bruders, sie haben zu ihrem Sohn aus erster Ehe noch eine Tochter bekommen, und er erzählt dieser Tochter die Geschichte vom gelben Schmetterling an der gleichen Stelle, wo sie ihm die Mutter seinerzeit erzählt hatte.
Und als Zuschauer denkt man sofort, man sollte bald wieder seine Eltern besuchen…
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Zugleich war der an den Stil von Ozu erinnernde bittersüße Film ein Meisterwerk erzählerischer Ökonomie – und ein Beispiel für den Trend, von Gefühlen ohne Kitsch und sentimentalen Schmuh zu erzählen. Dafür sehr genau beobachtet, eher mit einer gewissen analytischen Kühle – die dann, lässt man sich doch darauf ein, eher noch mehr ans Herz geht, weil sie sich die Erleichterungen des Kitsch' nicht gönnt.
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Im Hotelfernsehen die erste Debatte McCain vs. Obama, und die CNN-Kommentatoren erklären dazu, hier trete der streetfighter gegen den constitutional guy und boyscout an, »the people are not sure, that obama is ready to be commander in chief.« Aha.
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Wie kann man Terrorismus im Kino zeigen? Ohne ihn zu banalisieren, ohne ihn nur zum Anlass für einen beliebigen Actionreißer auszubeuten, stattdessen mit einem Sinn für den unmittelbaren Schock, den er bedeutet, und für die Leiden der Opfer? Zugleich aber auch mit der Bereitschaft, sich ein Stück weit auf die Perspektive der Täter einzulassen – und sei es nur, weil eine Gesellschaft ihre Feinde, um sie erfolgreich zu bekämpfen, kennen muss.
Diese komplizierte Frage, die Bernd Eichingers Der Baader Meinhof Komplex in diesen Tagen auf seine Weise beantwortet hat, debattiert gerade auch die spanische Öffentlichkeit. Der Anlass ist Tiro en la cabeza (zu Deutsch etwa: »Kugel im Kopf«) des aus dem katalanischen Barcelona stammenden 38-jährigen Regisseurs Jaime Rosales.
Man hätte für die Premiere keinen besseren Ort, als die baskische Hauptstadt wählen können, denn ausgehend von einem tatsächlichen Fall – dem Mord an zwei Zivilfahndern im vergangenen Herbst – erzählt Rosales vom Terror der ETA, jener nationalistischen baskischen »Befreiungsorganisation«, die als Widerstandszelle gegen Francos Diktatur begonnen und viel Sympathien geerntet hat, inzwischen aber längst zu einer Mörderbande verkommen ist, die im Mafiastil Schutzgelder kassiert, und all das mit wirren Ideologien angeblicher Unterdrückung der Basken rechtfertigen.
Entscheidend an Rosales Film ist, wie er das tut. Denn die ETA ist in Spanien auf der großen Leinwand nichts Neues mehr. Im Unterschied zu Mainstreamthrillern ist Rosales aber so ehrgeizig, dass er sowohl das Kino weiterbringen, wie der spanischen Terrorismus-Debatte Wesentliches hinzufügen will.
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Oberflächlichen Beobachtern erschien es im ersten Moment als reine Schnapsidee: Denn Tiro en la cabeza ist gewissermaßen Anti-Eichinger-Kino: Leise statt laut, eine Art Stummfilm mit Ton, am ehesten erinnernd an Jacques Tatis Playtime. Ein einziger verständlicher Ausruf fällt nach etwa einer Stunde: »Hunde!«, gemeint als Schimpfwort. Ansonsten hört man zwar viele Geräusche – von einem Sportplatz, Kinderspielen, aus Cafés, von der Straße. Das Grundrauschen eines Stadtalltags. Dialoge sind, wenn überhaupt, nur ganz rudimentär zu verstehen. Auch alles, was man hier sieht, sieht man nur aus der Distanz: Einen Mann in seiner Wohnung beim Aufstehen. Auf dem Spielplatz mit einer Frau und einem Kind. Beim Gang durch die Straße, bei der Post, am Geldautomaten. Im Café mit einem anderen Mann. Ist er in Innenräumen, sieht man nur, was von Außen einsehbar ist.
Was anfänglich ungemein irritiert, entwickelt bald einen faszinierenden Sog, und schnell weicht die Irritation einer neuen Aufmerksamkeit. Weil die Dialoge nicht helfen, sammelt der Zuschauer in dem, was zu sehen ist, die notwendigen Indizien. Alles bekommt Bedeutung in diesem Protokoll aus dem Leben eines ganz normalen Mannes: eine große Sporttasche, ein Palästinensertuch. Und plötzlich entdeckt man, dass man die Perspektive eines Detektivs eingenommen hat, eines Zivilfahnders vielleicht. Oder auch eines Terroristen, der sein nächstes Opfer ausspäht.
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Der geniale Kunstgriff des Regisseurs ist nicht nur eine ästhetisch höchst innovative Schule der Wahrnehmung, ein Stück Kino, das neu sehen lehrt – es hat auch politische Effekte: Mehrheitlich nahm die spanische Presse Rosales‘ Film positiv auf. »El Pais« kritisierte nur moderat einige künstlerische Aspekte. Auffällig war die Lobeshymne in der konservativen »El Mundo«, die deutlich die Entmystifizierung der ETA hervorhob.
Auch das Publikum in San Sebastián diskutierte heftig nach der Premiere. Wo kritisiert wurde, da mit entgegengesetzten Argumenten: Indem Rosales einen Mörder beim ganz normalen Leben vor seiner Tat als Allerweltsspießer zeigt, treibt er ihm allen Glamour aus, den Terroristen im Kino fast immer haben – siehe Der Baader Meinhof Komplex –, selbst dann, wenn ein Film sie moralisch kritisiert. Diesem Täter fehlt jeder Widerstands-Heroismus, jeder Pop-Appeal. Er erscheint als feiger Mörder – und das passt den im Baskenland immer noch erstaunlich zahlreichen eta-Sympathisanten naturgemäß nicht in den Kram. Aber auch deren Gegner empörten sich, mit dem vorhersehbaren Argument, hier werde dem Täter zuviel Aufmerksamkeit gegeben, indem man solche Leute nicht als Schurken charakterisiere, zeige man sie zu freundlich.
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Das genau ist aber der Clou des Films. Der Film öffnet den Blick für die Vielschichtigkeit des Phänomens Terrorismus, die Spannung zwischen Abgrund und Alltag. Das hat in Spanien noch die zusätzliche Komponente, dass es seit dem Madrider Attentat von 2004 eine zweite, noch brutalere Terror-Erfahrung in Spanien gibt. Rosales zeigt ganz klar, dass zumindest die eta kein Alien ist, sondern Teil der Gesellschaft – hier in den engen Gassen der herben Altstadt der baskischen Hauptstadt allemal, wo man die Kneipen und Tapas-Bars noch immer danach differenziert, ob sie Pro-Madrid oder nationalistisch sind.
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Am Abend sitze ich im Café und beobachte die Kinder auf dem kleinen Platz vor dem »Principe«-Kino beim Fußballspielen. An den Wänden der Kirche kleben frisch hingeklebte Portraits der »Märtyrer« der Eta. Bald werden sie von der Polizei mit den maskierten Gesichtern abgerissen werden. Die normalen Leute sind alle auf der Straße. Manche Kinder haben ein portugiesisches Nationaltrikot an, und nach Rosales' Film ertappt man sich beim Gedanken, ob dies wohl als kammheimliches anti-spanisches Statement zu sehen sei? Grün-Rot sind schließlich auch die Farben des Baskenlandes.
(to be continued)