Eingesperrt und doch zu Hause |
||
Mohammad Bakri in Private |
Von Dunja Bialas
Was für ein Minenfeld der israelische-palästinensische Konflikt darstellt, ist gerade in der Debatte um die Äußerungen des »Spiegel-online«-Kolumnisten und »Freitag«-Herausgebers Jakob Augstein zu erleben. Äußerungen Augsteins, in denen er auf vorhandene radikale Strömungen bei den Israelis hinweist oder die Einschließung der Palästinenser in ein abgesperrtes Gebiet kritisiert, waren dem Simon-Wiesenthal-Center Anlass, sie in die »Top 10 der anitsemitischen Äußerungen« aufzunehmen.
Die Mitarbeiter des Simon-Wiesenthal-Centers sind Wächter über die Integrität der Außenwirkung des israelischen Staates. Ist denn aber die Kritik, die Augstein übte, tatsächlich diffamierend, im Sinne der defamation, dem Fachausdruck für den Antisemitismus (vergleiche die Anti-Defamation-League, die sich gegen Antisemitismus wendet)? Oder benennt Augstein in seiner Kritik objektiv vorhandene Tatsachen, die mit der israelischen Staatspolitik, nicht aber mit dem Judentum zu tun hat, so die gängige Argumentation? Problematisch ist diese weitverbreitete Unterscheidung – und dies bringt dann auch Augstein in Bedrängnis – durch die Tatsache, dass der israelische Staat auf dem Zionismus begründet ist, und damit sein politisches Fundament direkt ins historische Judentum verlegt.
Bei der Israel / Palästina Filmwoche, die an diesem Samstag im Münchner Gasteig eröffnet wird, kann man all diese Fragen und Problematiken in Filmen nachvollziehen, die von den Betroffenen selbst gedreht wurden. Wundervolles Land heißt der israelische Dokumentarfilm, der sich genau mit dem fundamentalen Konzept des Zionismus auseinandersetzt und heftige Kritik an ihm übt. Aktivisten der israelischen Linken fragen hier ganz offen: Wäre es nicht viel friedenbringender, nicht in einem Judenstaat, sondern in einem Staat zu leben, in dem es nur gleichberechtigte Bürger gibt, unabhängig ihrer Herkunft? Bilder, die israelischen Spiel-, Dokumentar- und Propagandafilmen entnommen wurden, zeigen die Infiltration der Medien durch die herrschende Ideologie – eine spannende Auseinandersetzung mit einem zentralen Begriff. (Sonntag, 27.1., 20:30 Uhr)
Wie beklemmend das Eingeschlossensein der Palästinenser für den Alltag ist, macht der preisgekrönte italienische Film Private deutlich. In ein Haus im Niemandsland zwischen einem palästinensischen Dorf und einem israelischen Militärstützpunkt dringen israelische Soldaten ein und besetzen es. Der Familie gestehen sie zu, im Erdgeschoss wohnen zu bleiben. Nachts werden sie im Wohnzimmer eingesperrt. Eingesperrt und doch zu Hause, so könnte man den Film auf die Formel bringen. (Montag, 21.1., 20:00 Uhr)
Mohammad Bakri, der in Private beeindruckend den strengen Familienvater gibt, der auf die Einhaltung der militärischen Regeln pocht, widmet die israelisch-palästinensische Filmwoche dieses Jahr eine Werkschau. Bakri, der palästinensische Schauspieler mit dem umwiderstehlichen Charisma, war einer der populärsten israelischen Bürger. Mit seinem Dokumentarfilm Jenin, Jenin jedoch hat er sich 2002 zum unbeliebten Kritiker seines Landes gemacht. Der Film, der den brutalen und auf Vernichtung abzielenden Angriff der Israelis auf das palästinensische Dorf Jenin dokumentiert, war trotz großer internationaler Beachtung in Israel lange gesperrt; Bakri musste sich vor Gericht wegen des Films verantworten. In einem Interview sagt er über seinen politischen Film: »Manchmal ist man leider gezwungen, etwas zu tun, was man nicht in seinem Programm hat. Ich bin Schauspieler. Niemals habe ich daran gedacht, einen Dokumentarfilm zu drehen. Mein Beruf ist Schauspieler auf der Leinwand und auf der Bühne.«
Jenin, Jenin war 2002 auf dem Dok.fest in München zu sehen. Die israelisch-palästinensische Filmwoche präsentiert Bakri jetzt mit einem weiteren Dokumentarfilm, in dem er die palästinensische Geschichte beleuchtet. Welche Auswirkungen die Zeitgeschichte auf das Leben einer Familie hat, rekonstruiert er in Zahra am Beispiel seiner Tante, unerschrockenes Familienoberhaut und Chronistin eines halben Jahrhunderts, das geprägt wurde durch Flucht, Aufbruch und Enteignung. (Samstag, 19.1., 19:00 Uhr, in Anwesenheit von Mohammad Bakri)
Ein aktuelles Zeugnis über die Gewalttätigkeit des Nahostkonflikts kann man in der palästinensisch-israelischen Co-Produktion 5 Broken Cameras von 2012 sehen. Fünf kaputte Kameras sind das Symbol für die Vergeblichkeit, in einem besetzten Land ein Leben in Gewaltlosigkeit zu führen, fünf Kameras gingen zu Bruch in fünf Jahren Widerstand gegen Verhaftungen, Gewalt und Übergriffe. Die Dokumentationen der Gewalt werden zum Friedensprojekt, als sich der palästinensische Kameramann Emad Burnat entschließt, mit dem israelischen Regisseur Guy Davidi den Film zu vollenden. (Dienstag, 22.1., 20:00 Uhr)
Israel / Palästina Filmwoche. 19.-27.1.2013 im Vortragsbibliothek des Gasteigs, Rosenheimer str. 5, München.