22.01.2015

Der Krieg um die Bild­ho­heit

Yariv Horowitz: ROCK THE CASBAH
Chillen im Krisengebiet: Rock the Casbah

Die diesjährige Israel-Palästina-Filmwoche rückt den Gaza-Streifen von vielen Seiten aus in den Fokus

Von Dunja Bialas

Schon wieder. Erst gestern errichte uns eine Nachricht aus dem Israel-Palästina-Gebiet. Und sie war, wie leider immer, nicht schön. Für den Gaza-Krieg habe er Rache nehmen wollen, so ein Paläs­ti­nenser, der an den Check-points vorbei nach Tel-Aviv kam und dort in einem Linienbus dreizehn Menschen nieer­ge­sto­chen hat. Seit letztem Sommer, als Israel seine Militär­o­pe­ra­tion »Fels in der Brandung« auf den Gaza-Streifen losließ, kommen derartige Einzel­at­ten­tate wieder vermehrt vor. Keine Beru­hi­gung, auf keiner der beiden Seiten.

Meine Gene­ra­tion ist mit den Ereig­nissen des Israel-Palästina-Konflikts aufge­wa­chen. Sie waren wie eine Art Hinter­grunds­rau­schen der Welt­ge­scheh­nisse: konti­nu­ier­lich, nicht abbre­chend, unver­s­tänd­lich. Kurze Hoffnung, dass dieses Welt­rau­schen einmal ein Ende nimmt, gab es kurz­zeitig mit den Oslo-Frie­dens­pro­zessen. Aber kaum signa­li­sierte einer der Mächtigen, dass er einlenken wollte, galt dies als Einge­ständnis von Schwäche. Und es ging wieder von vorne los, mit dem Impo­nier­ge­habe und den Macht­de­mons­tra­tionen.

Dabei geht alles schon eine Ewigkeit. »Seit 3000 Jahren ist Gaza umkämpft«, so die Islam­wis­sen­schaft­lerin Irit Neidhardt im Vorwort zur Israel-Palästina-Filmwoche in München und nimmt dabei wohl Bezug auf den Erobe­rungs­feldzug von Alexander dem Großen. So weit in die Vergan­gen­heit zurück­zu­bli­cken erscheint müßig, und doch ist es ein seit der Antike, mit der Etab­lie­rung der mono­the­is­ti­schen Reli­gionen, anhal­tender Konflikt.

Auch die Film­bilder, die seit dem Aufkommen des Kinos über die Gaza-Region exis­tieren, haben meist den Krieg doku­men­tiert. Propa­ganda ging mit den Bildern Hand in Hand, ein medial ausge­foch­tener Kampf um die Vorher­schaft und Deutungs­ho­heit. Mit Filmen aus den letzten dreißig Jahren geht die Israel-Palästina-Filmwoche dieses Jahr diesem Hoheits­kampf der Bilder nach und zeigt dabei die unter­schied­li­chen Facetten.

Den Auftakt macht Ghaza Ghetto – Portrait of a Palesti­nian Family (1948-84), eine schwe­di­sche Produk­tion. Der Film wurde als Lang­zeit­do­ku­men­ta­tion im Flücht­lings­lager Jalazoun gedreht, er ist einer der ersten Doku­men­tar­filme überhaupt aus dem besetzten Gaza-Streifen. Er zeigt den Alltag einer paläs­ti­nen­si­schen Familie und kontras­tiert ihn mit den State­ments israe­li­scher Politiker. (Fr. 23.01. 18:00 Uhr)

Nach dem »Ghetto« geht es weiter mit dem »Curfew« – die Filmtitel sprechen Bände von der Erfahrung mit dem Krieg, der Isolation und Repres­sion. Curfew – Ausgangs­sperre von 1993 ist der erste Spielfilm, der in Gaza entstand. Zwischen­mensch­liche Span­nungen während der Zeit des Einge­schlos­sen­seins und ein ausge­klü­geltes Versor­gungs­system machen den Film zum span­nenden Kammer­spiel. Im Original heißt die deutsch-fran­zö­sisch-nieder­län­di­sche Produk­tion übrigens »Hatta Ishaar Akhar«, »bis auf weiteres« und schlägt damit doch eine opti­mis­ti­sche Note an. (Fr. 23.01. 20:30 Uhr)

Vermut­lich war auch der Mann, der am vergan­genen Mittwoch den Messer­stich-Anschlag auf die Fahrgäste des isrea­li­schen Lini­en­busses verübte, vom Märty­rer­ge­danken getragen. Solda­tinnen Gottes – Die Frauen der Hamas setzt sich mit diesem seltsamen Hero­en­bild ausein­ander. Hier zeigt sich die familiäre Verflech­tung des Radi­ka­lismus: Mütter lassen sich mit ihren Söhnen für Märtyer-Videos filmen. Die uner­schüt­ter­liche, dabei äußerst frag­wür­dige Stärke der Frauen-Hamas zeigt sich im Film der israe­li­schen Femi­nistin Suha Arraf als brüchig. (Sa. 24.01., 20:00 Uhr, mit einer Einfüh­rung von Irit Neidhardt)

Hoff­nungs­voller wird es mit Men on the Edge: Fishermen’s Diary, der ein gemein­schaft­li­ches Fischen von Juden und Paläs­ti­nen­sern zeigt. Beide sitzen in den besetzten Gebieten im selben Boot: sie sind von der Besat­zungs­po­litik ebenso geprägt wie von Klas­sen­fragen. (Mo. 26.01. 19:30 Uhr)

Die Zerset­zung der militä­ri­schen Moral der Soldaten, die unter dem Dauer­kon­flikt ebenfalls leiden, wird in dem kraft­vollen Spielfilm Rock the Casbah deutlich. Der 2012 entstan­dene israe­lisch-fran­zö­si­sche Film von Yariv Horowitz lässt die Zeit Ende der 80er Jahre wieder aufleben, Zeit der Intifada. Eine von einem Dach herun­ter­ge­schmis­sene Wasch­ma­schine lässt die Zerset­zung mit einem großen Knall bewusst werden. (Di. 27.01. 19:30 Uhr)

Versöhn­lich wird es noch einmal gegen Ende der Filmwoche. Das Schwein von Gaza, der letztes Jahr bereits erfolg­reich im Kino lief, fördert die Gemein­sam­keiten zwischen Juden und Moslems auf humorige Art zutage: Was tun mit einem Glücks­schwein im Gaza-Streifen, wo das Schwein als unreines Tier gilt? (Fr. 30.01. 19:30 Uhr)

Am Schluss steht der Dialog. So gibt es seit 1985 in München eine »jüdisch-paläs­ti­nen­si­sche Dialog­grupp«, die für die Gleich­be­rech­ti­gung der Volks­gruppen eintreten. Ihr Anliegen ist, dass »die Besatzung der paläs­ti­nen­si­schen Gebiete und jede Form von Gewalt beendet und ein Weg zum Frieden endlich einge­schlagen werden«. Der Weg ist noch lang. (Sa. 31.01. 18:00 Uhr, im Anschluss The Fading Valley).

Israel-Palästina-Filmwoche, 23.-31.01.2015, Gasteig München, Vortrags­saal der Biblio­thek, Rosen­heimer Str. 5