Der Krieg um die Bildhoheit |
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Chillen im Krisengebiet: Rock the Casbah |
Von Dunja Bialas
Schon wieder. Erst gestern errichte uns eine Nachricht aus dem Israel-Palästina-Gebiet. Und sie war, wie leider immer, nicht schön. Für den Gaza-Krieg habe er Rache nehmen wollen, so ein Palästinenser, der an den Check-points vorbei nach Tel-Aviv kam und dort in einem Linienbus dreizehn Menschen nieergestochen hat. Seit letztem Sommer, als Israel seine Militäroperation »Fels in der Brandung« auf den Gaza-Streifen losließ, kommen derartige Einzelattentate wieder vermehrt vor. Keine Beruhigung, auf keiner der beiden Seiten.
Meine Generation ist mit den Ereignissen des Israel-Palästina-Konflikts aufgewachen. Sie waren wie eine Art Hintergrundsrauschen der Weltgeschehnisse: kontinuierlich, nicht abbrechend, unverständlich. Kurze Hoffnung, dass dieses Weltrauschen einmal ein Ende nimmt, gab es kurzzeitig mit den Oslo-Friedensprozessen. Aber kaum signalisierte einer der Mächtigen, dass er einlenken wollte, galt dies als Eingeständnis von Schwäche. Und es ging wieder von vorne los, mit dem Imponiergehabe und den Machtdemonstrationen.
Dabei geht alles schon eine Ewigkeit. »Seit 3000 Jahren ist Gaza umkämpft«, so die Islamwissenschaftlerin Irit Neidhardt im Vorwort zur Israel-Palästina-Filmwoche in München und nimmt dabei wohl Bezug auf den Eroberungsfeldzug von Alexander dem Großen. So weit in die Vergangenheit zurückzublicken erscheint müßig, und doch ist es ein seit der Antike, mit der Etablierung der monotheistischen Religionen, anhaltender Konflikt.
Auch die Filmbilder, die seit dem Aufkommen des Kinos über die Gaza-Region existieren, haben meist den Krieg dokumentiert. Propaganda ging mit den Bildern Hand in Hand, ein medial ausgefochtener Kampf um die Vorherschaft und Deutungshoheit. Mit Filmen aus den letzten dreißig Jahren geht die Israel-Palästina-Filmwoche dieses Jahr diesem Hoheitskampf der Bilder nach und zeigt dabei die unterschiedlichen Facetten.
Den Auftakt macht Ghaza Ghetto – Portrait of a Palestinian Family (1948-84), eine schwedische Produktion. Der Film wurde als Langzeitdokumentation im Flüchtlingslager Jalazoun gedreht, er ist einer der ersten Dokumentarfilme überhaupt aus dem besetzten Gaza-Streifen. Er zeigt den Alltag einer palästinensischen Familie und kontrastiert ihn mit den Statements israelischer Politiker. (Fr. 23.01. 18:00 Uhr)
Nach dem »Ghetto« geht es weiter mit dem »Curfew« – die Filmtitel sprechen Bände von der Erfahrung mit dem Krieg, der Isolation und Repression. Curfew – Ausgangssperre von 1993 ist der erste Spielfilm, der in Gaza entstand. Zwischenmenschliche Spannungen während der Zeit des Eingeschlossenseins und ein ausgeklügeltes Versorgungssystem machen den Film zum spannenden Kammerspiel. Im Original heißt die deutsch-französisch-niederländische Produktion übrigens »Hatta Ishaar Akhar«, »bis auf weiteres« und schlägt damit doch eine optimistische Note an. (Fr. 23.01. 20:30 Uhr)
Vermutlich war auch der Mann, der am vergangenen Mittwoch den Messerstich-Anschlag auf die Fahrgäste des isrealischen Linienbusses verübte, vom Märtyrergedanken getragen. Soldatinnen Gottes – Die Frauen der Hamas setzt sich mit diesem seltsamen Heroenbild auseinander. Hier zeigt sich die familiäre Verflechtung des Radikalismus: Mütter lassen sich mit ihren Söhnen für Märtyer-Videos filmen. Die unerschütterliche, dabei äußerst fragwürdige Stärke der Frauen-Hamas zeigt sich im Film der israelischen Feministin Suha Arraf als brüchig. (Sa. 24.01., 20:00 Uhr, mit einer Einführung von Irit Neidhardt)
Hoffnungsvoller wird es mit Men on the Edge: Fishermen’s Diary, der ein gemeinschaftliches Fischen von Juden und Palästinensern zeigt. Beide sitzen in den besetzten Gebieten im selben Boot: sie sind von der Besatzungspolitik ebenso geprägt wie von Klassenfragen. (Mo. 26.01. 19:30 Uhr)
Die Zersetzung der militärischen Moral der Soldaten, die unter dem Dauerkonflikt ebenfalls leiden, wird in dem kraftvollen Spielfilm Rock the Casbah deutlich. Der 2012 entstandene israelisch-französische Film von Yariv Horowitz lässt die Zeit Ende der 80er Jahre wieder aufleben, Zeit der Intifada. Eine von einem Dach heruntergeschmissene Waschmaschine lässt die Zersetzung mit einem großen Knall bewusst werden. (Di. 27.01. 19:30 Uhr)
Versöhnlich wird es noch einmal gegen Ende der Filmwoche. Das Schwein von Gaza, der letztes Jahr bereits erfolgreich im Kino lief, fördert die Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Moslems auf humorige Art zutage: Was tun mit einem Glücksschwein im Gaza-Streifen, wo das Schwein als unreines Tier gilt? (Fr. 30.01. 19:30 Uhr)
Am Schluss steht der Dialog. So gibt es seit 1985 in München eine »jüdisch-palästinensische Dialoggrupp«, die für die Gleichberechtigung der Volksgruppen eintreten. Ihr Anliegen ist, dass »die Besatzung der palästinensischen Gebiete und jede Form von Gewalt beendet und ein Weg zum Frieden endlich eingeschlagen werden«. Der Weg ist noch lang. (Sa. 31.01. 18:00 Uhr, im Anschluss The Fading Valley).
Israel-Palästina-Filmwoche, 23.-31.01.2015, Gasteig München, Vortragssaal der Bibliothek, Rosenheimer Str. 5