Mit anderen Augen |
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Die Bürde, moralisch gerecht zu handeln: I nostri ragazzi |
Von Elke Eckert
So unterschiedlich die Themen auf den ersten Blick sein mögen, eines haben die Filme – vom Psychothriller bis zum Porträt – gemeinsam: einen besonderen Blickwinkel.
In I nostri ragazzi (Unsere Kinder) von Ivano De Matteo wird eine Familie im Innersten bedroht. Zwei Jugendliche, die eine Obdachlose schwer misshandelt haben sollen, kommen nicht aus einem Problemviertel, sondern sind die Kinder eines angesehenen Arztes und eines erfolgreichen Anwalts. Wie die beiden Brüder und ihre Frauen mit dieser unerwarteten und dramatischen Erkenntnis umgehen, ist überraschend und zeigt, wie schwer es ist, in Extremsituationen moralisch und gerecht zu handeln. (Donnerstag, 22. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr, Sonntag, 25. Oktober, 20.30 Uhr)
Der Debütfilm von Sydney Sibilia, Smetto quando voglio (Ich kann jederzeit aussteigen), war in seiner Heimat ein Publikumserfolg. Ein junger Neurobiologe verliert seinen Job, weil wegen der Wirtschaftskrise Stellen an der Uni gestrichen werden. Das Gute daran ist, dass er nicht allein in der misslichen Lage steckt, und so bastelt er alsbald mit anderen geschassten Wissenschaftlern eine Droge, auf die die Partyszene Roms nur gewartet zu haben scheint… Mit Witz, Tempo und bitterer Ironie erzählt Sibilia von einer Gesellschaft, die auch sehr gut ausgebildete und junge Menschen immer häufiger aufs Abstellgleis schiebt. (Freitag, 23. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr, Sonntag, 25. Oktober, 18.15 Uhr)
Gesellschaftskritisch, aber trotzdem sehr komisch, ist auch Gianni Di Gregorios Buoni a nulla (Pechvögel). Ein gutmütiger Angestellter hat es satt, privat und beruflich immer zu den Verlierern zu gehören. Er möchte auch einmal ein Gewinner sein und tut sich deshalb mit seinem neuen Kollegen zusammen, der wie er ein Loser ist, um den Spieß endlich umzudrehen. Regisseur Gianni Di Gregorio, der auch das Drehbuch geschrieben hat und die Hauptrolle spielt, sieht seinen Film als eine Art Selbstversuch. Er wollte wissen, ob man, wenn man es unbedingt will, ein anderer Mensch werden kann. Was dabei herausgekommen ist, ist vor allem sehr unterhaltsam. (Samstag, 24. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)
Auch Ermanno Olmi, einer der Großen des italienischen Kinos, hatte eine persönliche Motivation für seinen Film Torneranno i prati (Die Wiesen werden blühen). Sein Vater war Infanterist im Ersten Weltkrieg und hat ihm erzählt, wie schrecklich vor allem die Augenblicke vor dem Angriff waren. Und so steht in seinem Drama nicht die Kriegshandlung an sich im Mittelpunkt, sondern die Ruhe vor dem Sturm und was sie mit den einzelnen Soldaten macht, die an der Frontlinie gewissermaßen auf ihren Tod warten. Dem 84-Jährigen ist damit ein zutiefst menschliches und antimilitaristisches Alterswerk gelungen. (Montag, 26. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)
Fernando Muraca hat ebenfalls eine emotionale Sicht auf sein Thema – den Kampf gegen die Mafia. In seinem ersten Kinofilm La terra dei santi (Das Land der Heiligen) versucht eine Staatsanwältin das Vertrauen von zwei Schwestern zu gewinnen, beide Mütter und Ehefrauen von Mitgliedern des kalabrischen Verbrechersyndikats. Sie will die Frauen zum Reden bringen, um die mafiösen und hierarchischen Strukturen aufzubrechen. Mit seiner weiblichen Perspektive verlässt Muraca die ausgetretenen Genre-Pfade und gibt seinem Thriller psychologische Tiefe. (Dienstag, 27. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)
Zum 20. Todestag Federico Fellinis hat sein Regiekollege Ettore Scola ein filmisches Porträt des italienischen Großmeisters gedreht. Scola kombiniert Spielszenen und Archivmaterial mit Ausschnitten aus Fellinis Werken und legt ein besonderes Augenmerk auf die ersten Karrierejahre des Ausnahmekünstlers. Dazu gehört auch die Zeit als Karikaturist bei einer Satirezeitschrift, wo sich Scola und Fellini kennenlernten. Che strano chiamarsi Federico (Federico – Scola erzählt Fellini) ist ein sehr persönlicher Film geworden, weil Scola die Lebensstationen seines Freundes nicht chronologisch abhakt, sondern lieber seinen Erinnerungen freien Lauf lässt. (Mittwoch, 28. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr).