27.10.2016

Es bleibt in der Familie

Per Amor Vostro
Valeria Golino in Per amor vostro

Zum 19. Mal tourt das Filmfestival CINEMA! ITALIA! durch Deutschland und macht diesmal in 34 Städten halt. In München sind von 27. Oktober bis 2. November 2016 im Theatiner Filmtheater sechs aktuelle Filme von italienischen Regisseuren zu sehen. Am Ende der Tour wird der Film, der den Zuschauern am besten gefallen hat, mit dem Cinema-Italia-Publikumspreis ausgezeichnet. Die Stimmkarten liegen im Kino aus.

Von Elke Eckert

Das Schwer­punkt­thema des dies­jäh­rigen Festivals ist die Familie. Es geht um Mütter, die sich aus fest­ge­fügten Struk­turen lösen möchten, und um Väter, die alles unter Kontrolle haben wollen.

Lea lebt in Kalabrien, ihre Familie gehört einem der dortigen Mafi­a­clans an. Um ihrer Tochter Denise ein Leben ohne Angst und Gewalt zu ermög­li­chen, zeigt sie ihre eigenen Angehö­rigen an und sagt vor Gericht gegen sie aus. Dafür zahlt Lea einen hohen Preis: Fortan müssen sie und Denise mit den strengen Auflagen des Zeugen­schutzes leben – und dem Gefühl, niemandem trauen zu können… Regisseur Marco Tullio Giordana erzählt eine wahre Geschichte. Sein inten­sives Dokudrama kommt ohne Blut und Leichen aus und ist damit kein konven­tio­neller Mafiafilm, sondern ein eindrucks­volles Plädoyer für Mut und Moral. (Donnerstag, 27. Oktober, 18.30 Uhr)

Annas Leben besteht in erster Linie daraus, für andere da zu sein: zu Hause für ihre drei Teenager-Kinder, ihren Mann und ihre Eltern, bei ihrem Job im Fern­seh­studio für die Schau­spieler, denen sie die Dialog­ta­feln hinhält. Per amor vostro (Aus Liebe zu Euch) ist das Porträt einer Frau, die instinktiv merkt, dass sie etwas ändern muss, um sich nicht zu verlieren. Regisseur Giuseppe Gaudino lässt seine Geschichte in Neapel spielen und nutzt die besondere Atmo­s­phäre dieser Stadt. Der studierte Bühnen­bildner zeigt Annas Alltag in Schwarz-Weiß-Bildern, den Vesuv und das Meer taucht er in Farbe. Seine Haupt­dar­stel­lerin Valeria Golino berührt mit ihrem sensiblen Spiel, wofür sie in Venedig als beste Schau­spie­lerin ausge­zeichnet wurde. (Mittwoch, 2. November, 18.30 Uhr)

Wesent­lich komö­di­an­ti­scher kommt Edoardo Falcones Fami­li­en­ge­schichte Se Dio vuole (Um Himmels Willen) daher. Herz­chirurg Tommaso, beruflich Halbgott in Weiß, privat über­zeugter Atheist, erhält die Hiobs­bot­schaft, dass sein Sohn Priester werden will. Schuld an diesem Desaster scheint der unkon­ven­tio­nelle Don Pietro zu sein, der es mit seiner lockeren Art versteht, junge Leute für die Kirche zu begeis­tern. Doch so leicht will Tommaso seinen Sohn nicht verloren geben… Falcones Regie­debüt lebt von dem Duell seiner beiden Haupt­dar­steller und punktet mit viel Witz, origi­nellen Ideen und starken Dialogen. Dass auch die Neben­fi­guren immer für eine Über­ra­schung gut sind, macht den Film noch unter­halt­samer. (Dienstag, 1. November, 18.30 Uhr)

In Latin Lover von Cristina Comencini kommen am zehnten Todestag eines Mannes, der zu seinen Lebzeiten nicht nur ein sehr bekannter Schau­spieler war, sondern auch Ehen in Serie geschlossen hat, dessen Töchter und Exfrauen zusammen, um seiner zu gedenken. Die älteste Tochter versucht, das Treffen so harmo­nisch wie möglich zu gestalten – was wegen alter Riva­litäten und neuer Enthül­lungen alles andere als einfach ist. Als Tochter einer italie­ni­schen Regie­le­gende kann Cristina Comencini auf eigene Erfah­rungen mit Über­vä­tern zurück­greifen. Auch ihre Schau­spie­le­rinnen, unter anderem Valeria Bruni Tedeschi und Marisa Paredes, tragen große Namen und veredeln die amüsant-ironische Geschichte. (Samstag, 29. Oktober, 18.30 Uhr)

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kentert vor einer kleinen Insel vor Sardinien eine Fähre auf rauer See. Die Schiffs­brüchigen können sich auf die Insel retten, unter ihnen sind Schau­spieler einer Thea­ter­gruppe, aber auch Camorra-Mitglieder, die in dem auf dem Eiland befind­li­chen Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis unter­ge­bracht werden sollen. Doch wer ist wer? Um das heraus­zu­finden, lässt der Gefäng­nis­di­rektor kurzer­hand die ganze Truppe gemeinsam ein Thea­ter­stück proben – was sehr bald zu Über­ra­schungen führt. Gian­franco Cabiddu ließ sich für La stoffa dei sogni (Der Stoff der Träume) von Eduardo de Filippos „Die Kunst der Komödie“ inspi­rieren. Mit dem Altmeister hatte er als junger Tontech­niker gemeinsam an der Insze­nie­rung von Shake­speares „Der Sturm“ gear­beitet. Dieses Thea­ter­stück sollen nun seine Schiffs­brüchigen auf die Bühne bringen. (Freitag, 28. Oktober, und Sonntag, 30. Oktober, jeweils 18.30 Uhr)

Claudio Caligari hat in über 30 Jahren nur drei Spiel­filme gedreht, aber die sind etwas Beson­deres. Bereits sein Erstling Amore tossico wurde 1983 bei den Film­fest­spielen von Venedig als bester Debütfilm ausge­zeichnet. Seine Figuren waren und sind Außen­seiter wie er selbst. Auch in Non essere cattivo (Tu nichts Böses), seinem dritten und letzten Film, stehen wieder junge Menschen am Rand der Gesell­schaft im Mittel­punkt. Die beiden Freunde Vittorio und Cesare sind Straßen­jungs und hoffen, sich durch den Verkauf von Kokain ihre Träume und Wünsche erfüllen zu können. Als sich Vittorio verliebt, will er raus aus dem Milieu, Cesare dagegen kommt einfach nicht von den Drogen los. Caligaris Film ist vor allem eine Hymne auf die Freund­schaft und sein Vermächtnis. Er starb im Mai 2015 mit 67 Jahren. (Montag, 31. Oktober, 18.30 Uhr)

Alle Filme des Festivals werden im italie­ni­schen Original mit Unter­ti­teln gezeigt.