»Ich habe viel geweint und noch mehr getrunken« |
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Sehnsucht nach Nordkorea: Dear Pyongyang (2005) |
Von Dunja Bialas
Japan, Korea, Nordkorea: drei Länder, deren Geschichte komplex miteinander verwoben ist. Die 1964 geborene Filmemacherin Yang Yonghi, dem die Filmreihe »Neues Asiatisches Kino« ab dem 12. Januar 2017 im Münchner Werkstattkino eine Werkschau widmet (Yang Yonghi ist zu Gast!), könnte leicht als Ikone dieser geschichtlich-geographischen Kompliziertheit durchgehen. Ihre Biographie wurde von der ostasiatischen Geschichte geschrieben: 1964 im japanischen Osaka als Kind von koreanischen Eltern geboren, wurde sie von ihren Eltern wie eine Nordkoreanerin erzogen und kam an die berüchtigte, von Nordkorea finanzierte Korea University von Tokyo.
Ihre Eltern wiederum kamen unter der japanischen Kolonialherrschaft, die von 1910 bis 1945 andauerte, nach Japan. Sie gehören damit zur größten ethnischen Minderheit des Landes, den in Japan lebende Koreanern, kurz »Zainichi«. 1965, als sich die Verhältnisse zwischen Nord- und Südkorea beruhigt hatten und sich mit Japan normalisierten, bekamen sie wie alle anderen Zainichi von der japanischen Regierung angeboten, entweder die nordkoreanische Staatsbürgerschaft anzunehmen und auszureisen, oder aber als Südkoreaner weiterhin in Japan zu bleiben. Die Eltern blieben und stillten ihre Sehnsucht nach der Heimat, die noch nicht Nordkorea hieß, als sie sie verlassen mussten, mit einem eigenartigen Projekt: Sie schickten ihre drei ältesten Söhne, denen sie überdies die Diskriminierung der Zainchi in Japan ersparen wollten, für den sozialistischen Aufbau für immer nach Pjöngjang.
Yang Yonghi findet, dass sie sagenhaftes Glück hatte, wie sie in einem CNN-Portrait sagt. Das Schicksal meinte es nur deshalb so anders mit ihr, weil sie die einzige Tochter war. Sie schaffte es nach ihrer nordkoreanischen Hochschulausbildung bis nach New York, wo sie an einer privaten Uni Film studierte. Seitdem widmet sie ihr Leben ihrer komplexen Familiengeschichte, hat ihre Brüder in Nordkorea besucht und sich wegen ihrer Filme 2006 ein Einreiseverbot von Kim Jong-il eingehandelt. Ihre ersten beiden Dokumentarfilme erzählen von ihrer Spurensuche nach den verloren gegangenen Brüdern, und der Leere, die ihr Leben durch den Verlust erfahren hat.
Zehn Jahre brauchte sie, um ihr Filmdebüt Dear Pyongyang fertig zu stellen. Der Film zeigt die schwierige Annäherung an den Vater, versucht, dessen wie blind erscheinende Ideologie zu verstehen, der die eigene Familie auseinanderbrachte, als wäre diese Korea und er der Kalte Krieg. Um das Land kennenzulernen, das ihr Vater von der Ferne verehrte, reiste sie immer wieder nach Nordkorea, besuchte ihre Brüder und fing auf Video rare Einblicke in das unter Kim Il-sung völlig isolierte Land ein (Fr. 13.1. in Anwesenheit der Filmemacherin, Wdh. Mo. 16.1.). »Ich habe viel geweint und sehr viel getrunken«, sagt sie in dem Interview, das Susanne Mi-Son Quester, Intiatorin der Filmreihe, vorab mit ihr geführt hat. Ein absolutes Must-see der Werkschau.
Sona, the Other Myself widmet sich ihrer Nichte Sona, die in Pjöngjang aufwächst, und die für Yang Yonghi eine Projektionsfläche wird: Wie wäre ihr Leben verlaufen, wäre auch sie in Pjöngjang gelandet, wie ihre Brüder? Eine Zeitreise in ein anderes Leben, die dokumentiert, wie aus einem normalen Kind ein sozialistischer Staatsbürger wird (Sa. 14.1. in Anwesenheit der Filmemacherin, Wdh. Di. 17.1.).
Mit dem Einreiseverbot riss der Familienfaden ab, Yang Yonghis nächster Film wurde folgerichtig eine Fiktion. Our Homeland basiert auf dem realen Wiedersehen mit ihrem Bruder Seong-ho, der nach Japan reisen durfte, um sich wegen eines Gehirntumors behandeln zu lassen. Die Fiktion arbeitet deutlich heraus, was ein Dokumentarfilm nur schwer preisgibt: Der Weg des Bruders ist mehr als vorgezeichnet. Der Weg der Schwester hingegen führt sie dorthin, wohin sie gehen möchte: Sie ist frei.
(Do. 12.1. und So. 15.1. in Anwesenheit der Filmemacherin, Wdh. Mi. 18.1.)
Neues asiatisches Kino – Werkschau Yang Yonghi
12. bis 18.01.2017. Werkstattkino, Fraunhoferstr. 9, 80469 München. Eintritt: 6 Euro. Mehr Informationen zu den Filmen und das ganze Interview mit der Filmemacherin gibt es hier.