Die Nachwuchs-Olympiade |
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Iss nicht vom falschen Kuchen! Greetings from Kropsdam erhielt den erstmals verliehenen Reformationspreis |
Von Dunja Bialas
Watch me if you can! war das Motto des 37. internationalen Festivals der Filmhochschulen, das sich seit letztem Jahr kurz und knackig »Filmschool Fest Munich« nennt. Guck mich, wenn Du kannst! könnte man übersetzen, was sich dann nicht mehr so schön auf Steven Spielbergs Catch Me If You Can reimt. Wer aber soll schaffen, das alles zu gucken? 44 Filme waren aus siebzehn Ländern ausgewählt – dem Nachwuchs eine große Chance.
Dabei sein ist alles, bei dieser konzentrierten Film-Olympiade, in der alle Filme im Wettbewerb gezeigt werden. Festivalleiterin Diana Iljine hob bei der Preisverleihung hervor, die Einladung auf das Festival sei bereits eine Auszeichnung. Die Teilnahme am Festival könnte ein Sprungbrett für die spätere Professionalität sein, vor allem aber, und das ist das Schöne, geht es hier darum sich kennenzulernen und, wer weiß, Freundschaften fürs Leben zu knüpfen.
Das Festival vollzieht sich in zehn Programmen im stets vollen Saal des Filmmuseum München, das eigentlich viel zu klein ist für die zahlreichen anwesenden Filmemacher, Freunde, Studierenden und den Happy Fews, die noch eine Karte ergattern konnten. Besonders ist es, dass nach jedem Film intensiv diskutiert wird, besonders schön ist es, wenn der Filmnachwuchs beginnt, untereinander zu diskutieren, wie ein paar Mal geschehen.
Spezielles Augenmerk, im wahrsten Sinne, verdiente dieses Jahr der Festivaltrailer des HFF-Studenten Andreas Irnstorfer, der so gut war wie, jetzt kommt’s: noch nie. Künstlerisch überzeugend, mit technischen Spielereien, die sich nicht an sich selbst ergötzen, blickten einen junge Menschen aus zwei Reihen Augenpaaren an. Was eine schöne Irritation erzeugte und man nicht richtig zurückgucken konnte. Watch me – if you can!
Über andere Sichtweisen auf die Welt, ob fiktional oder dokumentarisch, ging es in vielen der präsentierten Filme. Sehr witzig wurde das eingelöst in Welcome! des Brasilianers Lucas Piloto (School of Communication and Arts, University of Sao Paolo). Wie ein Reigen guter und böser Feen kommen hier die Tanten und Onkels zu einem Familienessen, das einen neuen Erdenbürger willkommen heißen soll. Nur will dieser nicht essen. Alles wird aus der Perspektive des Babys erzählt, die Kamera im strengen Point-of-view-Shot geführt, was witzig ist und überraschend gut funktioniert.
Strenger ist die Sichtweise auf die Welt, die sich eine Drohne sucht. Hier ist die Objektivität das Ziel, es gilt, den Überblick zu wahren. In Find Fix Finish von Sylvain Cruiziat und Mila Zhluktenko (Hochschule für Film und Fernsehen München) erzählen mittels Voice over drei US-Drohnenpiloten von ihrem Alltag. Sie haben die Route ihrer Zielpersonen im Visier und stehen auf Kommando auch für das tödliche Finish zur Verfügung. Politisches Kino, das durch Klarheit besticht.
Durfte hier »Wallace & Gromit« Vorbild spielen? In Greetings from Kropsdam des Niederländers Joren Molter (Netherlands Film Academy, Amsterdam), der mit dem erstmals verliehenen Reformationspreis ausgezeichnet wurde, setzt sich aus wenigen, immergleichen Einstellungen zusammen. Alles wirkt wie in einem künstlichen Puppenland, man denkt auch an den mit dem Münchner Starter Filmpreis ausgezeichneten Film Kleinheim des HFF-Stundenten Michael Ciesielski. Das Haus, die Wegkreuzung, die Küche von Lammert, einem gutmütigen Taubenzüchter, alles wird stets aus dem gleichen Winkel gefilmt. Ein tolles Bild-Narrativ für Starrheit und Unabänderlichkeit, die sich ebenso biedermeierlich zeigt (hier aber im guten Sinne) wie die Dorfgemeinschaft, die Lammert zusetzt, weil er vom falschen Kuchen gegessen hat.
Ein Ensemble an Miniaturszenen entsteigt in lichtdurchflutetem Schwarzweiß dem Sommerfilm Freibad von Sinje Köhler (Filmakademie Baden-Württemberg), der als bester Film mit dem VFF Young Talent Award ausgezeichnet wurde. Es geht hier um die Liebe junger Leute, die sich zwischen Sprungtürmen, quengelnden Kindern, fettigen Pommes und Lautsprecherdurchsagen fast schon wie zum Trotz ihren Weg bahnt. Die kleinen Details, die wohl in jedem Freibad beobachtet werden können, geben den meisten Spaß ab: das Badethermometer, das von einem Freibadprofi ins Wasser gehalten wird, die dicken Bäuche, die sich in der weit verbreiteten Disziplin des Steh-Schwimmens üben, das Eis, das zu Boden fällt.
Der Schweizer Tizian Büchi (Institut des Arts de Diffusion, Belgien) holte mit The Sound of Winter gleich zwei Preise des Festivals, den ARRI-Preis für den besten Dokumentarfilm sowie den Student Camera Award, letzterer ging an seine Kamerafrau Camille Sultan. Der Film ist das Gegenstück zu Freibad, er spielt im Winter auf dem Land, schwere Schneeräummaschinen fahren durchs Bild. Sehr stimmungsvoll und ganz und gar auf einen Score verzichtend, lauscht der Film in die Stille des schneegedämpften Dorfs und in das nicht weniger stille Leben seiner Bewohner hinein. Ein Plädoyer für die Einfachheit, auch die kinematographische, das sehr überzeugt.
Was die dokumentarische Form vermag, wenn sie autobiographisch wird, zeigte die Niederländerin Tessa Louise Pope (Netherlands Film Academy, Amsterdam) mit The Origin of Trouble, der den zweiten Preis der Reformisten erhielt. Der Film geht der Frage nach der Abwesenheit des Vaters in der eigenen Familie nach, die Geschwister, Mutter und der Vater selbst geben offenherzig Antwort. Ein freigeistiger Film, der spielerisch mit der Form des Interviews umgeht, leichte Fragen stellt, zwischendrin Fotos reinschneidet, alles sehr stilsicher und selbstbewusst. Eine heitere Familienaufstellung.
Einen Beitrag zu #Metoo lieferte die Australierin Sunday Emerson Gullifer (Victorian College of the Arts, Melbourne) mit Tomorrow, and Tomorrow, and Tomorrow, der vom Machtmissbrauch im Theater erzählt. Eine Schauspielerin wird hier auf Anweisung des Regisseurs auf offener Bühne misshandelt, wer das als physisches Theater verstehen möchte, hat die blauen Flecke nicht gesehen. Dies erschien unterm Strich dann doch ein wenig zu deutlich formuliert, erhielt aber – vielleicht wegen des aufrechten Mutes der Regisseurin – den Luggi-Waldleitner-Preis für das beste Drehbuch.
Weitere Preise wurden vergeben, insgesamt in Höhe von 70.000 Euro. So machen nicht nur die beträchtliche Anzahl der präsentierten Filme und das gezeigte Niveau das Filmschool Fest zu einer der wichtigsten Filmschulschauen. Für den Nachwuchs ist auf dieser wettbewerbsstarken Film-Olympiade das Dabeisein noch lange nicht alles.