Wachsende Unruhe |
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Der Ethnologe und der Roma – in Soldatii erkunden sie gemeinsam die urbanen Ränder von Bukarest | ||
(Foto: Ivana Mladenovic / Rumänische Filmtage, Filmmuseum München) |
Von Dunja Bialas
Rauer und härter als in den vergangenen Jahren erweist sich das Programm des Rumänischen Filmfestivals in München, das ab diesem Donnerstag im Filmmuseum München in seine neue Ausgabe startet. Noch immer sind familiäre Reibungen, Konflikte oder Zerwürfnisse das dominante Thema, aber diesmal vertrauen die zwölf Regisseure nicht mehr ausschließlich auf die Verve des verbalen Schlagabtauschs. Sie lassen nun auch andere Waffen sprechen, Fäuste, Messer, Revolver, und öffnen ihre Geschichten für den Thrill. Das Arthouse wird vom Genre verführt.
Schockhaft bricht die Gewalt in die bürgerlichen Haushalte ein. In Pororoca, einem in seiner Konsequenz verstörenden Film, wird aus einem verschwundenen Kind in einer ungesunden Eigendynamik ein regelrechtes Hirngespinst. Dem unter Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen leidenden Vater sehen wir beim wachsenden Delirium zu, aus dem schließlich ein gelebter Alptraum wird. Regisseur Constantin Popescu arbeitet das psychologische Abgleiten seiner Hauptfigur ganz allmählich aus den szenischen Deskriptionen heraus, zunächst als Latenz, dann ganz und gar manifest. Lange Einstellungen einer ganz leicht bewegten Handkamera und die Distanz zu den Figuren, als gäbe es einen anonymen Beobachter des Geschehens, erzeugen einen subkutanen Thrill bis zu dessen finaler Explosion. Es braucht zweieinhalb Stunden, diese plausibel zu machen, und die Zeit, die sich der Film dafür nimmt, macht auch ganz allgemein die Sogwirkung des rumänischen Kinos aus. (Samstag, 10.11., 21 Uhr)
Die »Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition« in München gab vor dreizehn Jahren den Impuls zum Rumänischen Filmfestival. Filmmuseums-Mitarbeiter Klaus Volkmer stellt die Reihe seitdem nach cineastischen Gesichtspunkten zusammen. Gemeinsam mit Filmkritiker Bert Rebhandl wird immer auch nach neuen Namen und Strömungen geforscht. Im Zentrum steht diesmal Andrei Creţulescu, dessen Langfilmdebüt Charleston das Festival eröffnet, außerdem wird der Regisseur mit einem Programm aus fünf Kurzfilmen präsentiert, die gewissermaßen den Werkschlüssel bereithalten, und von denen aus auch, so Klaus Volkmer, Charleston einzuordnen sei. Das Buddy-Movie mit zwei unterschiedlichen Männertypen gehorcht der untergründigen Darkness einer absurden Existenz: Nach dem plötzlichen Unfalltod seiner Frau öffnet Alexandru eines Tages unvermutet seinem Nebenbuhler Sebastian die Haustür. Faustschläge folgen, schließlich verbündet man sich über den Tod der Frau, die beide geliebt hatten, und der Film hebt noch einmal neu an. (Donnerstag, 8.11., 19 Uhr, zu Gast: Andrei und Codruta Creţulescu)
Immer wieder taucht Charleston in ein kaurismäkisches Cool ab. Alexandru und Sebastian wissen es vortrefflich, sich über einen Drink anzuschweigen. In die Szenen dringt dann nur die Musik, die in der Bar gespielt wird. In seinen Kurzfilmen wird der Faszination des Regisseurs für Pop, Post-Punk und Dark-Wave ein ganz eigener Platz eingeräumt, wenn zum Ende der novellenartigen, harten, oft auch absurd-komischen Beziehungs-Erzählungen ein Song anhebt, der dann ganz ausgespielt wird. Die fünf Kurzfilme, die das Rumänische Filmfestival zeigt, sind motivisch miteinander verbunden, durch die Gewalt, die in ihnen hervorbricht, durch die Musik, durch wiederkehrende Stimmungen. So enthält Kowalski eine einzige, mit großer Bravour performte Szene, in der sich der absurde Verwechslungsdialog von Pseudo-Gangstern frei entfalten kann. (Kurzfilme von Andrei Creţulescu, Freitag, 9.11., 21 Uhr, zu Gast: Andrei und Codruta Creţulescu)
Anders als Creţulescu, der eine – trotz der sich entladenden Gewalt – eher gefasste Bildsprache hat, bewegt sich in Ivana Mladenovics Soldaten – Eine Geschichte aus Ferentari die Kamera in nervöser Unruhe. Passend zu diesem suggestiv dokumentarischen Stil ist die Hauptfigur des Films ein Ethnologe, der wie ein Feldforscher in das Universum der Roma am Rande von Bukarest eintaucht, um deren Manele-Musik zu erkunden. Der Film bewahrt sich dabei die Unaufgeregtheit, Privatheit und vor allem Beiläufigkeit des rumänischen Kinos. So entsteht aus vielen wie zufällig eingefangenen Details eine großartige Milieuschilderung. (Samstag, 10.11., 18:30 Uhr, Einführung: Bert Rebhandl)
In diesem für das zeitgenössische rumänische Kino sehr typischen quasidokumentarischen Stil ist auch Marita von Cristi Iftime gehalten. Der Regisseur setzt zur großen Freude aller Fans von Autofahrten, die von der Rücksitzbank aus oder durch die Windschutzscheibe gefilmt sind (das rumänische Kino, aber auch der Iraner Abbas Kiarostami hat ihnen zu Kultstatus verholfen), einen alten Dacia ins Zentrum der Handlung. In dem Auto, »Marita« genannt, entspinnt sich ein beziehungsdramatisches Roadmovie, auf einer langen Fahrt von Transsilvanien nach Moldawien. (Sonntag, 11.11., 21 Uhr, Einführung: Bert Rebhandl)
13. Rumänisches Filmfestival
08. – 18.11.2018
Filmmuseum München
St-Jakobsplatz 1, 80331 München
Karten: 089 / 233 20 538