Die Leben der Anderen |
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Der Eröffnungsfilm der Griechischen Filmwoche: Djam | ||
(Foto: Tony Gatlif / Griechische Filmwoche) |
Von Elke Eckert
Das Festival des griechischen Films, bei dem sich spannende Spielfilme mit anspruchsvollen Dokumentationen abwechseln, wird dieses Jahr zum ersten Mal in Eigenregie von der Gruppe Cinephil – Freunde des griechischen Films organisiert. Themenschwerpunkte sind die Umbrüche im Leben verschiedener Generationen und Geschichten, die auf realen Ereignissen basieren oder von antiken Mythen inspiriert sind. Veranstaltungsort ist wie jedes Jahr der Gasteig.
Djam, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmwoche ist eine Geschichte über die Freundschaft. Die junge Griechin Djam kommt nach Istanbul, um für ihren Onkel ein Ersatzteil für dessen Boot zu besorgen. Bald begegnet sie Avril, einer 19-jährigen Französin, die in der Türkei als Flüchtlingshelferin arbeitet. Die beiden jungen Frauen freunden sich an und erleben gemeinsam ein paar unvergessliche Tage. Tony Gatlifs hoffnungsvoller, völkerverbindender Film bezieht seinen Charme nicht zuletzt aus dem Musikstil Rembetiko, der auch griechischer Blues genannt wird und Anfang der 1920er Jahre entstanden ist, als Flüchtlinge aus Kleinasien auf das griechische Festland kamen. Am Eröffnungsabend sorgt die Rembetiko-Gruppe »Ta Mourmouraki« schon vor dem Film für die richtige Stimmung. Der Eröffnungsempfang findet nach der Vorstellung in der Münchner Stadtbibliothek am Gasteig statt. (Do 15.11., 19 Uhr / Do 22.11., 18:30 Uhr).
Auch im Dokumentarfilm Wie Bojen im Meer – Drifting Generation von Stella Nikoletta Drossa stehen junge Frauen im Mittelpunkt. In ihrem Langzeitporträt begleitete die Regisseurin zwischen 2010 und 2016 eine Clique von fünf Griechinnen. Allesamt Töchter von Gastarbeitern sind sie in die Heimat ihrer Eltern zurückgekehrt, um in Thessaloniki zu studieren. Drossa
schildert in dieser sehr persönlichen Doku nicht nur, wie die fünf Studentinnen versuchen, sich trotz der schweren Wirtschaftskrise eine berufliche Zukunft aufzubauen, sondern erzählt auch von ihren eigenen Erfahrungen. (Sa 24.11., 15:30 Uhr).
Ebenfalls vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise spielt Nikos Perakis' Gesellschaftssatire Success Story. Ein bekannter und erfolgreicher
Schriftsteller verliebt sich in eine aufstrebende Jungschauspielerin. Die beiden kommen aus völlig unterschiedlichen Milieus, was zu Schwierigkeiten in der in vielerlei Hinsicht ungleichen Beziehung führt und Betrug und Intrigen zur Folge hat. (Fr 16.11., 18:30 Uhr / Sa 24.11., 20.30 Uhr, der Regisseur ist zu Gast).
Die schwarze Komödie Do it Yourself nimmt sich ein anderes aktuelles Thema vor. Fake News lässt der dubiose Geschäftsmann Bezerianos gewissermaßen produzieren, als er mit dem Kleinkriminellen Alkis ein Video dreht, das seine Weste weiß waschen soll. Kaum ist das Ding im Kasten, will Bezerianos Alkis aus dem Weg räumen. Doch Alkis flieht vor dem Killer gleich ins nächste Filmstudio, mitten hinein in einen Erotikdreh. Der originelle und intelligente Film von Dimitris Tsilifonis wurde beim Thessaloniki Film Festival 2017 mit dem Preis der Jugendjury ausgezeichnet. (Fr 16.11., 21 Uhr / Mo 19.11., 18:30 Uhr).
Schwarz und skurril ist auch die Tragikomödie Pity, in der es um eine ganz eigene Art von Abhängigkeit geht. Ein Anwalt muss damit klarkommen, dass seine Frau ins Koma fällt. Sein Umfeld reagiert darauf mit jeder Menge Mitleid, was bei dem erfolgreichen Mann zu großen Glücksgefühlen führt. Als seine Frau plötzlich erwacht, merkt er, dass er diese Art der Zuwendung nicht mehr missen will. Babis Makridis' genial konstruierte Groteske feierte ihre Weltpremiere auf dem Sundance Film Festival. (So 18.11., 20:30 Uhr / Fr 23.11., 18:30 Uhr)
Mit einem deutlich feindlicheren Umfeld bekommt es ein griechisches Waisenmädchen in Polyxeni zu tun. Mitte der 1950er-Jahre von einem Istanbuler Ehepaar aus der High Society adoptiert, ist Polyxeni als junge Frau plötzlich wieder auf sich allein gestellt und muss wegen missgünstiger Zeitgenossen um ihr Erbe fürchten. Das bewegende Drama, das vor allem im Istanbul der 1970er-Jahre spielt, wurde beim Festival Cinéma Méditerranéen Tétouan 2018 in Marokko mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. (Di 20.11., 18:30 Uhr / 23.11., 21 Uhr)
Ziemlich allein fühlt sich auch der 14-jährige Yannis im Kinderfilm Ein griechischer Sommer. Mit seinem schlechtgelaunten Vater lebt er auf einer kleinen Fischerinsel, die nicht gerade reich an Attraktionen ist. Das ändert sich, als Yannis eines Tages ein verletztes und ausgehungertes Pelikan-Junges findet und es wieder aufpäppelt. Der Vogel wächst und gedeiht und zieht Scharen von Touristen an, die auf das arme Eiland kommen, um das schöne und seltene Tier zu sehen. Doch dann passiert ein Unfall. Ein Film für alle kleinen und großen Griechenlandfans und der einzige, der in der deutschen Fassung gezeigt wird. (Fr 23.11., 15 Uhr)
Menschen vieler Generationen hat die 1925 in Athen geborene Kinder- und Jugendbuchautorin Alki Zei begeistert. In ihrer Dokumentation Alki’s Long Walk spricht Regisseurin Margarita Manda mit Freunden, Familienmitgliedern und anderen Weggefährten der heute 93-Jährigen. Das bewegte Leben der Schriftstellerin ist gleichzeitig eine Chronik der Geschichte Griechenlands der letzten hundert Jahre. Die filmische Biografie wurde als bester Dokumentarfilm bei den Hellenic Film Academy Awards 2018 nominiert. (Mi 21.11., 20:30 Uhr)
In der dunkelsten Zeit des 20. Jahrhunderts spielt das Drama The Last Note, genauer gesagt, 1944 in einem Konzentrationslager in der Nähe von Athen. Einer der Gefangenen ist Napoleontas, der vom Lagerkommandanten gezwungen wird, sein persönlicher Übersetzer zu sein. Die Lage spitzt sich zu, als vier Nationalsozialisten von griechischen Widerstandskämpfern getötet werden und die deutschen Besatzer Vergeltung wollen. Das bewegende Drama von Pantelis Voulgaris gewann beim Los Angeles Greek Film Festival 2018 den Publikumspreis. (Sa 17.11., 20:30 Uhr / 25.11., 18 Uhr)
Um Schuld und Sühne geht es auch in Giorgos Lanthimos' The Killing of a Sacred Deer. Lanthimos, der bereits für seinen Erfolg The Lobster Colin Farrell gewinnen konnte, besetzte ihn auch hier als Hauptdarsteller, diesmal an der Seite von Nicole Kidman. Sein beklemmendes Drama ist von Euripides' »Iphigenie« inspiriert und wurde beim Filmfestival in Cannes 2017 mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Herzchirurg Steven, beruflich erfolgreich und mit Bilderbuchfamilie, verbindet mit dem 16-jährigen Martin eine Freundschaft. Die ist allerdings weit weniger harmlos, als es auf den ersten Blick aussieht: Martins Vater ist bei einer von Stevens Herz-OPs gestorben. Der hat seitdem tiefe Schuldgefühle, während Martin vor allem eines will: Rache. (So 18.11., 18 Uhr / So 25.11., 20:30 Uhr)
Ebenfalls eine schicksalhafte Verbindung steht im Mittelpunkt von Alexandros Avranas' Drama Love Me Not. Ein wohlhabendes Ehepaar möchte unbedingt ein Kind und will sich diesen Wunsch mithilfe einer Leihmutter erfüllen. Deshalb zieht eine junge Migrantin bei den beiden ein. Das Arrangement geht so lange gut, bis die Ehefrau Depressionen bekommt und der Mann auf Geschäftsreise muss. Der verstörende Thriller basiert auf realen Ereignissen und wirft die Frage nach moralischen Grenzen auf. (Mo 19.11., 21 Uhr)
Auch das Drama Interruption ist von der Wirklichkeit inspiriert – von der im Oktober 2002 durch tschetschenische Rebellen verübten Geiselnahme in einem Moskauer Theater. In Yorgos Zois' Psychothriller wird gerade eine moderne Adaption eines antiken Dramas aufgeführt, als eine bewaffnete und dunkel gekleidete Gruppe im wahrsten Wortsinn die Regie übernimmt und das Publikum auffordert, in die Handlung der griechischen Tragödie einzugreifen. Zuerst glauben die Zuschauer, dass die Unterbrechung zur Inszenierung gehört, doch bald scheint nichts mehr sicher zu sein. Yorgos Zois bekam für Interruption von der Griechischen Filmakademie den Preis als bester Nachwuchsregisseur. (Do 22.11., 21 Uhr)
Die Bühne spielt auch in der Dokumentation The Return eine wichtige Rolle. Regisseur Menelaos Karamaghiolis stellt die Frage, ob Theaterspielen bei der Resozialisierung von Straftätern helfen kann. Jugendliche Häftlinge sollen ihr eigenes Leben inszenieren und so versuchen, in einem restriktiven Raum wie dem Gefängnis Zwänge zu überwinden und damit die Zeit ihrer Haft sinnvoll für sich zu nutzen. (Sa 17.11., 17:30 Uhr mit Vortrag und Q&A des Regisseurs)
Im Animationsfilm The Ox ist ein imaginäres Königreich der Ort der Handlung. Die Bewohner müssen die Feldarbeit mühsam mit Ochsenkarren bewerkstelligen und sind hocherfreut, als sie von einem magischen Dünger erfahren, der die Erde ihrer Äcker ruckzuck in Gold verwandeln kann. Regisseur Yorgos Nikopoulos nahm sich die Sage von König Midas zum Vorbild, sein Film lief weltweit auf Festivals und wurde mehrfach ausgezeichnet. (Di 20.11., 21 Uhr)
Zungenbrecher, bei denen schwierige Wort- und Lautkombination möglichst schnell gesprochen werden müssen, gibt es in jedem Land. Woher sie kommen und ob sie einen tieferen Sinn haben, fragt Regisseur Simos Korexenidis in seinem gleich danach benannten Film Zungenbrecher seine Interviewpartner, vom Sprachwissenschaftler über den Schriftsteller bis hin zum Schauspieler. Die sehr unterschiedlichen Antworten sind so witzig wie erstaunlich. (Mi 21.11., 18:30 Uhr)
Wie jedes Jahr wird das Filmprogramm durch eine »Best of«-Auswahl von Kurzfilmen ergänzt. Diese kommen wieder vom aktuellen Festival in Drama, der Talentbörse der jungen griechischen Filmszene. Darüber hinaus stellen die Regisseure Konstantinos Frangoulis und Giorgos Angelopoulos erstmals ihre Kurzfilme dem Münchner Publikum vor. (Sa 24.11., 18 Uhr)
Im Anschluss an die Vorstellungen lädt die Cinephil-Gruppe ins »Pixel« ein. Der Begegnungsort im Gasteig ist ab 19 Uhr geöffnet. Es werden Werke der Künstlerin Fotini Potamia präsentiert, und der Musikliebhaber und Betreiber des Münchner Optimal-Plattenladens Christos Davidopoulos bringt den Besuchern der Filmwoche den Rembetiko näher. Im Eingangsbereich der Stadtbibliothek am Gasteig können sich Kinder und Erwachsene außerdem zum Schmökern in eine griechische Leseecke zurückziehen.
32. Griechische Filmwoche
15. – 25. November 2018
Gasteig, Carl-Amery-Saal
Rosenheimerstr. 5, 81667 München
Eintritt: 7€
Eine Veranstaltung von cinephil – Freunde des griechischen Films, in Zusammenarbeit mit Filmstadt München e.V. und Münchner Stadtbibliothek.
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Informationen unter griechischefilmwoche.de