Gipfeltreffen der Visegrád-Staaten |
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Zum Auftakt abheben: Der vergnügliche Lajkó – Gypsy in Space ist der Eröffnungsfilm |
Von Hanni Beckmann
Hier fiel einst als erstes der Eiserne Vorhang. Heute ziehen sich neue Mauern hoch, zumindest in den Köpfen. Die vier Viségrad-Staaten Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei zählen wegen ihres schrumpfenden Demokratieverständnisses, ihrer Abschottung vor Zuwanderung und wegen ihrer Fremdenfeindlichkeit zu den Sorgenkindern der EU. Oft bringt ein solch repressives Klima besonders gute Werke hervor, die sich künstlerisch Luft verschaffen.
Zwölf Filme haben die Macher des 3. Mittel Punkt Europa Filmfest ausgewählt, die von den sich verändernden Bedingungen in den Viségrad-Ländern erzählen. Weshalb allerdings die Macher des Festivals zum zweiten Mal ihren Blick auf die vier Länder der Abschottung richten und nicht auf alle Länder (Ost-)Mitteleuropas (Kroatien und Slowenien fehlen empfindlich), wie der Titel des Festivals suggeriert, bleibt auch nach eingehendem Studium des Programms, das zudem die Ukraine als Gastland präsentiert, fraglich.
Eröffnet wird an diesem Donnerstag in München mit dem ungarischen Lajkó – Gypsy in Space, der sich mit dem Sputnik-Programm der 1950er Jahre befasst. Allerdings auf denkbar schrägste Art. Ins All geschossen werden soll ein Gypsy, stattdessen fliegt seine Mutter. Bruderküsse sind endlich schwul und insgesamt gibt es viel zu lachen.
Das Lachen zum Auftakt ist wichtig. Denn danach geht es erst einmal ernst weiter. Filthy der Slowakin Tereza Nvotová taucht ein in die Psychiatrie, deren Gitterstäbe vor den Fenstern nicht von ungefähr auch »eiserne Gardinen« genannt werden könnten. Elektroschocks sind der Alltag der siebzehnjährigen Lena, die immer mehr ins innere Exil geht. Hintergrund ihrer Verrückung ist eine Vergewaltigung. Sichtbar wird in diesem sensiblen Film, der vorführt, wie ein alles veränderndes Stigma erwachsen kann, wie dringend reformbedürftig die Psychiatrie in der Slowakei ist.
Als der junge Komponist Anton aus einer Entzugsklinik entlassen wird, trifft er auf eine neue Hoffnung in seinem Leben in Gestalt der jungen Katya. Schlagartig verliebt er sich in die Maidan-Aktivistin. Wo für die beiden eine neue Geschichte beginnt, scheint für die Ukraine alles vorbei zu sein. Das sehr authentisch gespielte Spielfilmdebüt Falling von Marina Stepanska hat sie mit Laiendarstellern besetzt. Die Ukraine wurde dieses Jahr beim Viségrad-Festival als Gastland eingeladen.
Der eiserne Vorhang hat auch tolle Geschichten hervorgebracht. Wie die von der britischen Ex-Spionin Zan, von Livia, der vergnügten Holocaust-Überlebenden oder Gudrun mit der deutschen Vergangenheit. Der ungarisch-britische Dokumentarfilm Granny Project ist als Roadmovie inszeniert und führt diese sehr unterschiedlichen Großmütter zusammen. Da geht es auch vergnüglich zu, wenn die Hochbetagten komplett angstfrei sich den Tabus stellen.
Wie eine Demokratie auf Abwege gerät, zeigt der tschechische Dokumentarfilm The Lust for Power. Während in den 1990er Jahren Polen, Tschechien und Ungarn zu EU-Beitrittsverhandlungen eingeladen wurden, machte die Slowakei wegen zahlreicher rechtsstaatlicher Startschwierigkeiten Negativschlagzeilen. Ein Musterfilm, der zeigt, wie der Populismus erstarken kann, und einer der dringlichsten Filme des Programms.
München: Filmmuseum 28.02.-10.03.2019
Regensburg: Galerie im Leeren Beutel 01.03.-05.03.2019
Tickets zu 5 € unter 089 / 233 96 450 (Filmmuseum München) und 0941 / 29 84 563 (Regensburg, Filmgalerie im Leeren Beutel)
Eine Veranstaltung von Mittel Punkt Europa e.V., Tschechisches Zentrum, Universität Regensburg Europaneum, Ost-West-Zentrum
Mehr Informationen, alle Filme: www.mittelpunkteuropa.eu
Gefördert von der Bayerischen Staatskanzlei, der Stadt Regensburg und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München