Die Münchner Freiheit nehm ich mir |
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München – Geheimnisse einer Stadt oder Stadt ohne Geheimnisse? Ganz rechts: artechock-Redakteur Rüdiger Suchsland. Jetzt sind alle drin! |
Von Dunja Bialas
»Münchner Freiheit«: Das war in den 60ern und 70ern das adäquate Münchner Lebensgefühl. Gerne erinnern wir uns an die goldene Zeit der Stadt, als München noch das Zentrum politischen Aufruhrs war (Schwabinger Krawalle, 1962), des Oberhausener Manifests (die Mehrzahl der Initiatoren kam aus München, das war 1962), der heißen Beatschuppen (die Beatles machten sogar auf ihrer einzigen Deutschlandtournee 1966 Station im Circus Krone), außerdem Stadt der Band Amon Düül (gegründet 1968), von Uschi Obermaier und der Roten Sonne (1969). Nach dem Film von Rudolf Thome, der soeben den Ehrenpreis der deutschen Filmkritik erhielt, ist heute der interessanteste Club der Stadt benannt.
Rudolf Thome war dabei, als sich Mitte der 1960er Jahre die »Münchner Gruppe« (oder »Neue Münchner Gruppe«) bildete. Sie war eine Art Gegenmaßnahme gegen die Oberhausener-Manifest-Gruppe. Sie wollten ein bewusst anti-intellektuelles, sehr sinnliches und von der französischen Nouvelle Vague beeinflusstes narratives, aber durch und durch neues und sehr freies »Boy meets girl«-Kino machen. May Spils (Zur Sache, Schätzchen), Maran Gosov, Martin Müller und Eckhart Schmidt zählen zu ihnen, ebenso Klaus Lemke. »Papas Kino ist tot, es lebe Papas Kino«, riefen sie lustvoll und erzählten die Geschichten oder, mit Dominik Graf gesprochen, die »Geheimnisse« der Stadt.
Mit seinem ikonischen München – Geheimnisse einer Stadt, den Graf zusammen mit dem verstorbenen Filmkritiker Michael Althen realisierte, wird am kommenden Freitag eine umfassende Schau im Wiener Metro Kulturhaus zu »München im Film« eröffnet. Ausgewählt wurden Filme, die das Bild der Stadt auf Zelluloid bannten, eine Einladung zu einer touristischen Zeitreise. Graf und Althen machten sich als Essayisten Gedanken, wie es ist, in dieser Stadt aufzuwachsen, die sich wie ein Organismus verhält. Der Film-Schwerpunkt liegt in den pulsierenden 60er Jahren, aber auch Karl Valentin, im Ausland, auch im österreichischen, immer noch viel zu wenig bekannt, steht auf dem Programm mit der Orchesterprobe, dem Photoatelier, dem Theaterbesuch und anderen Klassikern. Neben illustren Gästen wie Dominik Graf, der am Wochenende seinen »Polizeiruf« »Cassandras Warnung« (2011) zeigt (und parallel dazu die Nicolas-Roeg-Reihe im Österreichischen Filmmuseum einführt, glückliches Wien!) und Klaus Lemke, der seinen Münchner-Hauptbahnhof-Klassiker Ein komischer Heiliger (1979) und sein neuestes Werk Bad Girl Avenue (2018) zeigt, ist auch der Münchner Filmemacher und Herausgeber des Fanzine »Sigi Götz Entertainment« zu Gast, der seinen Kurzfilmklassiker Siggi Götz Collectors Item (1998) präsentiert, in dem man nicht nur das Münchner Stadtcafé in vergangenem Glanz sieht, sondern auch den Kurator der Reihe und Werkstattkino-Kollektivist Bernd Brehmer.
Wem das alles zu männerlastig ist, kann zwischendrin zu den Frauenfilmtagen im Stadtkino im Künstlerhaus gehen, wo Margarethe von Trotta zu Gast ist. Sie ist eine Wahlmünchnerin, die nebenbei außerdem in Paris lebt, und hat, wenn man den Münchenbezug strapazieren möchte, auch an der Isar studiert. Mit der Münchner Gruppe verbindet sie Klaus Lemke, in dessen Brandstifter (1969) sie mitspielte. Und sie hatte markante Rollen in den Filmen von Herbert Achternbusch (Das Andechser Gefühl, Bierkampf) und Rainer Werner Fassbinder (u.a. Warnung vor einer heiligen Nutte). Von ihm übernahm sie nach seinem frühen Tod 1981 das Filmprojekt Rosa Luxemburg, das er mit Jane Fonda besetzen wollte. Ein reizvoller Gedanke. Von Trotta entschied sich für die Schauspielerin, mit der sie am liebsten arbeitete: Barbara Sukowa. In einem Filmgespräch wird sie am Freitag, 1.3. um 15 Uhr im Café Museum Einblicke in ihre Arbeitsweise geben. Das Gespräch moderiert: die Autorin dieses Wien-München-Artikels.
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28.02.-07.03.2019
www.frauenfilmtage.at
Stadtkino im Künstlerkino im Künstlerhaus, Filmcasino, Metro Kinokulturhaus
Werkstattgespräch mit Margarethe von Trotta, moderiert von Dunja Bialas
Freitag, 1.3., 15:00 Uhr, Café Museum, Operngasse 7, Anmeldung: kontakt@frauenfilmtage.at
Rosa Luxemburg
Freitag, 1.3., 17:00 Uhr, Stadtkino im Künstlerhaus, Akademiestr. 13
Hannah Arendt
Samstag, 2.3., 19:00 Uhr, Stadtkino im Künstlerhaus, Akademiestr. 13
Die bleierne
Zeit
Sonntag, 3.3., 12:00 Uhr, Stadtkino im Künstlerhaus, Akademiestr. 13
Münchner Freiheit
filmarchiv.at
01.03.-04.04.2019
Alle Vorstellungen im Metro Kinokulturhaus, Johannesgasse 4
München – Geheimnisse einer Stadt
Freitag, 1.3., 19:00 Uhr
Zu Gast: Dominik Graf
Kurzfilme von Karl Valentin
Samstag, 2.3., 15:00 Uhr
Ein komischer Heiliger
Samstag, 2.3., 18:00 Uhr
Zu Gast: Klaus Lemke
Bad Girl Avenue & Siggi Götz Collectors ItemSamstag, 2.3., 20:30 Uhr
Zu Gast: Klaus Lemke und Ulrich Mannes
Anatahan, Anatahan & Herbst der Gammler
Sonntag, 3.3., 15:30 Uhr
Zu Gast: Martin Müller und Klaus Lemke
Polizeiruf 110 – Cassandras WarnungSonntag, 3.3., 18:30 Uhr
Zu Gast: Dominik Graf
Das Go-Go-Girl vom Blow-upSonntag, 3.3., 20:30 Uhr
Zu Gast: Dominik Graf