»There’s no such things as ghosts« |
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Die Filmemacherin als Sherlock Holmes: Maya McKechneay und das Wiener Sühnhaus |
Von Dunja Bialas
»Baukunst und Film – Aus der Geschichte des Sehens« nannte der Filmkritiker und Kinotheoretiker Helmut Färber 1977 sein Buch, in dem er Grundlegendes über den Zusammenhang von Architektur und Film formulierte. Vor allem der Repräsentationsgedanke, der in der Baukunst mitschwingt, gibt ihm die Brücke zum Film, wo sich die Wirklichkeit umwandelt »in Bilder, die Wirklichkeit suggerieren, von Bildern in Begriffe, von Begriffen in Signale«. Auch ein Film ist etwas Konstruiertes, mit einem Fundament, mit Seitenein- und –ausgängen, mit einem Dachgeschoß und vielleicht sogar einer schwindelerregenden Wendeltreppe wie in Hitchcocks Vertigo, die allein schon den ganzen Film enthält.
Unbestreitbar also ist die Affinität des Films zur Architektur. Der Münchner Filmhistoriker Klaus Volkmer widmet diesem Zusammenhang seit 19 Jahren mit den »Architekturfilmtagen« eine eigene Reihe im Filmmuseum München. Hierbei geht es freilich nur noch am Rande um diese Grundsatz-Überlegungen; im Zentrum des Programms stehen konkrete Filme und konkrete Bauten, von real existierenden Architekten. Und doch enthält die Filmauswahl immer auch den besonderen filmischen Blick auf die Architektur. Mit anderen Worten: Wie lässt sich Architektur verfilmen? Und welche Geschichten lassen sich über Häuser erzählen?
Den Auftakt der Reihe macht der jetzt im Kino startende Dokumentarfilm des Bewahrers spanischer Kultur: Carlos Saura. Renzo Piano – Architekt des Lichts eröffnet die Architekturfilmtage mit einem klassischen Doku-Portrait über das Centro Botín, das der italienische Baumeister (u.a. Centre Pompidou, leider auch Potsdamer Platz), an der Uferpromenade des baskischen Santander errichtet hat. Mit großer Geste führt Saura dessen Bauten auf die Höhlenmalerei in Altamira zurück und lässt viele Kollegen zu Wort kommen. Das ist mindestens gewagt, aber immerhin, das Wortspiel sei mir verziehen, erbaulich. (Donnerstag, 4.4., 19 Uhr)
Filmisch ansprechender ist bereits der mexikanische Sin Manual (zu deutsch verführerisch trocken: »Ohne Gebrauchsanweisung«) über den japanischen Architekten Toyo Ito. Der heute 77-Jährige hat Gebäude wie die Tachung Opera in Taiwan oder den Tower of Winds in Yokohama entworfen. Die Dokumentation zeigt die mit weichen Formen spielenden Gebäude, während Ito seine Philosophie des Entwerfens erläutert. Der Film hat eine zen-buddhistische Anmutung, das Pure seiner Bilder und der Musik von Juan Morales spiegelt die klare und erhabene Architektur des Urhebers wider, die immer wieder auch Vertigo-mäßige Strudel erzeugt. (Freitag, 5.4., 18:30 Uhr)
Bonne maman et Le Corbusier von Marjolaine Normier ist ein Pflichttermin für alle, die bei einem Marseille-Aufenthalt schon einmal »La Cité radieuse«, die bahnbrechende Siedlung in einem einzigen Gebäudehochhaus, besucht haben, mit der Le Corbusier in den fünfziger Jahren seine eigenwillige Utopie des Wohnens konkret werden ließ. Die Filmemacherin ist Enkelin der titelgebenden Großmutter, die in einer der Corbusier-Wohnungen lebt. Als diese durch einen Brand zerstört wird, muss sie rekonstruiert werden. Der Film dringt tiefer in die Architektur der Utopie ein, als es eine Übernachtung im Hotel, das sich im Herzen des Corbusier-Gebäudes für alle Architektur-Aficionados befindet, je könnte. (Freitag, 5.4., 21 Uhr)
Wie sich Architektur in Erzählung verwandelt, lässt sich erfahren, wenn man die Menschen bei den Häusern mitdenkt. Ein Haus ist der stumme Zeuge des Lebens, das sich in ihm zuträgt, es sammelt Geschichten, von ihnen wird es auch manchmal heimgesucht. »Hauntology« heißt ganz ernst gemeint die auf Derrida zurückgehende Wissenschaft von den Gespenstern, die sich an Orten und Plätzen aufhalten. Das rote Haus der israelischen Filmemacherin Tamar Tal Anati ist so ein Gespenster-Film. In dem Gebäude in Palästina befand sich eine Textilfabrik, später eine Synagoge, dann eine Künstlergruppe. In Stop-Motion belebt sich das Haus für den Film noch einmal, bevor das gebaute Gedächtnis abgerissen wird. Im Doppel mit Ein Haus in Berlin zeigt sich, wie stark die alten Gespenster-Geschichten wirken. Eine Literaturdozentin aus Glasgow erbt ein Mietshaus in Berlin. Die fremden Erinnerungen der vielen Menschen, die in ihm gewohnt haben, nehmen sie buchstäblich gefangen. (Samstag, 6.4., 18:30 Uhr)
Um ein veritables Geisterhaus geht es im japanischen Our House der erst 27-jährigen Regisseurin Yui Kiyohara. »There’s no such things as ghosts«, beruhigen sich die Protagonistinnen gegenseitig, als sie im fahlen Licht des Mondscheins durch ihr nächtliches Haus streifen. Ein besonderer Film über das Un-Heimliche, das vielleicht jeder schon einmal in den eigenen vier Wänden verspürt haben mag. Kiyohara ist ein sehr konzentrierter, moderner und auch leichter Film gelungen, ein Beispiel für eine neue Stimme aus Japan, die sicherlich viele Ozu-Filme gesehen hat, in denen es ebenfalls (grob gesagt) um die familiären Verhältnisse in den Behausungen geht. Die typischen Einstellungen auf Kniehöhe zumindest lassen dies vermuten. (Samstag, 6.4., 21 Uhr)
Mit dem Sühnhaus hat die aus München stammende Wienerin Maya McKechneay ein betörendes Essay über das einstige Wiener Ringtheater geschaffen, das anno 1881 komplett abbrannte. 400 Menschen starben. An der Stelle des Theaters wurde das sogenannte »Sühnhaus« errichtet, das die morbiden Gedanken der Einwohner von Wien vertreiben sollte. In der Stadt von Freud aber ist es nicht so leicht mit der Verdrängung, die Psycho-Geographie der Katastrophe, die sich an dem Ort zugetragen hatte, hielt sich. Zumal einer der ersten Mieter des neuen Hauses Sigmund Freud hieß. Heute steht am Ort des Sühnhauses ein Neubau, der die Landesbaudirektion birgt. Ein unbedingt empfohlener Spukhaus-Film, in dem sich die Filmemacherin wie ein Sherlock Holmes der Geister auf Spurensuche begibt. (Sonntag, 7.4., 18:30 Uhr)
19. Architekturfilmtage München
4. bis 7. April 2019
Filmmuseum München
Karten unter 089 / 23 39 64 50