GVL-Protestbrief der Künstler*innen |
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Zwei gegen die GVL: Frank Röth und Claudia Michelsen | ||
(Foto: André Röhner (Röth), Stefan Klüter (Michelsen)) |
Nina Hoss, Saskia Rosendahl, Martina Gedeck, Sandra Hüller, Nicolette Krebitz, Laura Tonke, Maren Kroymann, Jürgen Vogel, Hans Jochen Wagner, Burghart Klaußner, Wolfram Koch, Sylvester Groth, Jan Josef Liefers, Alice Dwyer … – es ist eine lange Liste. Prominente Namen stehen darauf, alle Generationen, Männer und Frauen, Filmstars und Fernsehschauspieler.
Karoline Eichhorn, Benno Fürmann, Samuel Finzi, Barbara Auer, Bjarne Mädel, Dagmar Manzel, Claudia Michelsen, Axel Milberg, Sophie Rois, Maria Schrader, Gesine Cukrowski, Victoria Trauttmansdorff, Devid Striesow, Mina Tander … diese Namen sind so bekannt, dass man sie und ihr Statement nicht mehr einfach übersehen kann.
Trotzdem ist vieles an diesem Fall zwar auf den ersten Blick glasklar, dann aber doch etwas schwerer zu beurteilen.
So klar der Sachverhalt grundsätzlich ist – viele Schauspieler haben Geld zu kriegen, sie haben es bisher nicht bekommen, jetzt soll es endlich so weit sein – so gibt es doch ungeklärte Fragen, die sich inhaltlich wohl erst in den nächsten Wochen ein bisschen lichten werden.
Mit zwei offenen Briefen der letzten Wochen und einer am heutigen Mittwoch veröffentlichten Erklärung und »Aufforderung zum Handeln!«, die von den Genannten und weiteren insgesamt 60 Schauspielern erstunterzeichnet wurde, haben die Unterzeichnenden und ihre Unterstützer eine Grenze markiert, hinter die man nicht mehr zurück kann.
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Zur Sache: Die »Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten«, kurz: GVL, ist eine sogenannte Verwertungsgesellschaft. Sie wird juristisch vom Deutschen Patentamt und damit indirekt vom Bundesjustizministerium beaufsichtigt. Es geht hier also auch um eine Res Publica, eine öffentliche Sache: Wie können Schauspieler die ihnen zustehenden Tantiemen und Verwertungsgelder bekommen; wieviel steht ihnen zu, und wie schnell?
Eine Verwertungsgesellschaft soll satzungsgemäß als Treuhänder ihrer Mitglieder deren Zweitverwertungsrechte wahrnehmen. Also stellvertretend für diese Geld eintreiben.
Es gibt Verwertungsgesellschaften für Autoren und Bildgestalter, Produzenten und Regisseure. Für Schauspieler ist ausschließlich, also gewissermaßen alternativlos, die GVL zuständig.
Die GVL hat rund 180.000 Mitglieder. Die allermeisten sind Musiker und Musikproduzenten aus ganz Deutschland. Der Anteil der Schauspieler und Synchronsprecher ist im Vergleich dazu niedrig. Jährlich kommen dabei erhebliche Summen zusammen – es handelt sich laut den Geschäftsberichten der GVL jedes Jahr um eine dreistellige Millionensumme – allein 2017 waren es über 300 Millionen.
Theoretisch sollte die GVL diese Gelder abzüglich von Rückstellungen und eigenen Kosten an die Rechteinhaber anteilsmäßig regelmäßig weitergeben.
Zumindest an der Regelmäßigkeit hat es aber zuletzt offenbar gehapert – jedenfalls aus Sicht der Rechteinhaber.
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Öffentlich wurde dieser schwer erklärliche Vorgang in den letzten Wochen durch zwei offene Briefe, in denen die Schauspieler Claudia Michelsen und Frank Röth auch im Namen vieler anderer Kolleginnen und Kollegen gegen das Gebaren ihrer Treuhänder protestierten. Die aktuelle Corona-Krise hat den schon zuvor vorhandenen Ärger noch verschärft.
In dem offenen Brief heißt es unter anderm: »Wir sind keine Bittsteller, die bei der GVL als eine Art künstlerischem Sozialamt um Almosen betteln, also behandeln Sie uns auch nicht so.«
Die offizielle Begründung der GVL für die Verzögerung überrascht: EDV-Probleme – das aber seit über acht Jahren.
Michelsens Kollege Frank Röth äußert sich im Gespräch empört: »Dass sie sich immer noch auf dieses Argument herausreden können und die Aufsichtsbehörden das immer noch schlucken, das ist ein Skandal.«
Denn: Es gehe ja um rechtliche Ansprüche. Und auch mit Corona hat das direkt nichts zu tun, denn die Gelder, auf die die Schauspielerinnen und Schauspieler warten, sind bereits in den Jahren 2013 bis 2018 angefallen: »Es geht hier nicht um irgendeine Bittstellung, um einen Topf den man akquirieren müsste… Hier geht es um Gelder, die wir alle erwirtschaftet haben.«
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Inzwischen regt sich offenbar auch Protest bei Musikern, die in der GVL organisiert sind, und über 80 Prozent der Mitglieder stellen. Ein Berliner Musikproduzent drohte im »Spiegel« mit einer Klage.
Die GVL wiederum weist im Gespräch mit »artechock« die Vorwürfe zurück, versucht die verspäteten Zahlungen zu erläutern, erklärt einen Teil der Darstellung in den offenen Briefen aber auch für falsch, oder an der Sache vorbeigehend, und verweist im Übrigen auf ihre Gesprächsbereitschaft.
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Unklar ist bei alldem die Rolle des Schauspielerverbandes mit dem absurd-sperrigen Namen BFFS (»Bundesverband Schauspiel: Bühne.Film.Fernsehen.Sprache«). Man würde erwarten, dass dieser als einer von drei Gesellschaftern der GVL dort vor allem die Interessen der Schauspieler vertritt. Tatsächlich aber wiegelt der BFFS in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme eher ab.
Zugleich verkündet er, »ein Corona-Vorschussprogramm« – was immer das sein soll – sei »auf Veranlassung des BFFS« durch die GVL gestartet worden.
Es überrascht dabei, dass hier der Eindruck erweckt wird, als müsste eine untätige GVL erst auf Weisungen des Schauspielerverbandes aktiviert werden.
Die erste Antwort (und den ersten Offenen Brief von Frank Röth) kann man hier nachlesen.
Zudem fällt auf, dass all diese großartigen BFFS-Aktivitäten erst in den Wochen nach dem offenen Brief begannen.
So gewinnt man als außenstehender Beobachter den Eindruck, dass sich gerade in der heutigen Erklärung auch die zunehmende Unmut viele Schauspieler über »ihren« Verband Luft macht. Erst kürzlich »warnte« der BFFS vor »falschen rechtlichen Hinweisen«und spielte dabei recht unverkennbar auf einen bekannten Filmanwalt an, der sich zur gleichen Zeit für die Rechte vieler Gewerke und gegen das Deckeln von Honoraren einsetzt und anrüchige »Tarifverträge« hinterfragt – das klingt wie aus den Zeiten, als Politkommissare der UdSSR Abweichler wieder »auf Linie« bringen wollten.
So scheint es manchen BFFS-Mitgliedern, als habe ihr Verband auch in Corona-Zeiten nichts Wichtigeres zu tun, als Kleinkriege mit Dritten oder eigenen Mitgliedern zu beginnen.
Grundsätzliches Grummeln über die oft selbstherrlich wirkenden Strippenzieher im BFFS-Vorstand sind in nicht-öffentlichen Gesprächen schon seit langem zu hören.
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Aber wie gesagt: Um Almosen und Corona-Sondertöpfe soll es nach dem Willen der offenen Erklärungen gar nicht gehen. Sondern darum, endlich das längst erwirtschaftete Geld auszuschütten. Umgekehrt dürfe aber die Corona-Krise auch nicht zu einem neuen Vorwand werden, um die Gelder weiterhin zurückzuhalten, sagen zwei Unterzeichner: »Wie die zukünftige Einnahmesituation aussieht, das weiß kein Mensch. Es kann durchaus sein, dass in den nächsten Jahren aufgrund von Corona die Einnahmen zusammenbrechen – das weiß niemand. Aber die Gelder, die da jetzt liegen, und gezahlt wurden, die sind ja erarbeitet und sind ja auch da. Und die hätten ja auch schon vor vielen Jahren ausgezahlt werden müssen. Das jetzt mit dem Argument Corona zurückzuhalten, das wäre ja total unseriös.«
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In der heutigen Erklärung heißt es: »Anders als andere Verwertungsgesellschaften ist die GVL seit 2010, seit der Einführung ihres Online-Meldesystems Artsys, nicht einmal in der Lage, sich an die von ihr selbst festgesetzten Fristen zu halten und somit den Künstlern ein auch nur annähernd plan –, und absehbares Zeitfenster für die ihnen zustehenden Ausschüttungen zu geben. Unabhängig davon scheint der Geschäftsführung der GVL noch immer nicht klar zu sein, in welcher existenziellen Situation sich viele unserer Kollegen derzeit befinden.«
Wir fordern als Unterzeichner und im Namen unzähliger Kollegen die Geschäftsführung der GVL nachdrücklich auf, unverzüglich einen der Krisensituation entsprechenden Verteilungsplan aufzustellen und den Berechtigten die seit Jahren zustehenden und überfälligen Ausschüttungen kurzfristig zukommen zu lassen.
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Umgekehrt sollte man sich über manche praktischen Probleme in der Arbeit einer Verwertungsgesellschaft besser auch keine Illusionen machen.
Wir möchten daher auf »artechock« auch die angegriffene Seite zu Wort kommen lassen. Deshalb haben wir auch ein Interview mit Tilo Gerlach, einem der beiden Geschäftsführer der GVL, geführt, in dem er seine Sicht der Dinge darstellt.
Wir bleiben dran!