21.05.2020

Tod, wo ist dein Stachel?

Upload - Serie
Nicht ganz so pessimistisch wie »Black Mirror« und nicht so »dreckig« wie »Altered Carbon«
(Foto: Amazon)

Die filmische Antwort auf unsere Corona-Angst und zunehmende Tabuisierung unserer Sterblichkeit könnte nicht passender sein: In Greg Daniels Amazon-Serie »Upload« wird der Tod zur schön-schaurigsten Nebensache der Welt. Gleichzeitig ist »Upload« bester zukunfts- und kapitalismuskritischer Cyberpunk, bissig, böse und grotesk

Von Axel Timo Purr

Reality is so flexible these days, it’s hard to tell who’s discon­nected from it and who isn’t. You might even say it’s a pointless distinc­tion.
― Richard K. Morgan, Altered Carbon

The past is relevant only as data.
― Richard K. Morgan, Altered Carbon

Es ist immer gut, wenn es ans Ernten geht, wenn die Früchte schon fast verges­sener Saaten aufgehen. Aktu­ellstes Beispiel dafür ist »Upload«, eine Anfang Mai von Amazon gestar­tete Serie, die sich mit unserer verän­derten Lebens­rea­lität im Jahr 2033 beschäf­tigt. Zum einen bedeutet das tech­ni­sche Tricks, Spie­le­reien, weiter­ge­spon­nene Entwick­lungen im wirt­schafts- und gesell­schafts­po­li­ti­schen Bereich, wie sie bereits in der briti­schen Serie »Black Mirror« mit bitter-schwarzem Humor präsen­tiert worden sind. Das hatte vor allem durch die Einfolgen-Dimen­sio­na­lität eine mono­li­thi­sche Wucht, die »Upload« nicht bieten kann, denn für »Upload« mit seinen 10 Folgen sind das nur Vehikel einer viel größeren mensch­li­chen Vision – der der Unsterb­lich­keit.

Showrunner Greg Daniels, der bereits einschlä­gige »Simpsons«-Erfahrung und sowohl die US-Version von The Office als auch Parks and Recrea­tion mitver­ant­wortet hat, zehrt aller­dings nicht nur aus seinen Comedy-Erfah­rungen, sondern gerade thema­tisch vor allem aus einer jahr­zehn­te­langen Entwick­lung der Science Fiction, die lite­ra­risch mit den New Wave-Autoren der 1960er und 1970er Jahre wie Philip K. Dick, Roger Zelazny, John Brunner, J. G. Ballard, Philip José Farmer und Harlan Ellison ihren Anfang nahm und mit den Cyber-Punk-Autoren der 1980er wie William Gibson, Bruce Sterlin und Rudy Rucker radikal fort­ge­setzt wurde. Die bis dahin in der Science Fiction igno­rierten Themen wie Dystopien, künst­liche Intel­li­genz, die sexuelle Revo­lu­tion oder Hacker-Träume spie­gelten sich dann auch schon bald in filmi­schen Werken wie Blade Runner (1982), Johnny Mnemonic (1995), New Rose Hotel (1998) oder der Matrix-Trilogie (1999-2003). Eine Entwick­lung, die im Grunde bis heute andauert und inzwi­schen so komplex geworden ist, dass der Sammel­be­griff »Cyberpunk« im Grunde zum infla­ti­onären Marketing-Slogan und griffigen Headliner (siehe oben) verkommen ist.

Doch die Früchte, die sich aus diesem kreativen, somnambul um die wunden Punkte unserer Zivi­li­sa­tion schmie­genden Mahlstrom ziehen lassen, sind weiterhin unbe­stritten visionär. Nicht zuletzt in der von »Upload« repli­zierten Thematik »Unsterb­lich­keit«, die 2002 durch Richard Morgans damned-düster-dysto­pi­sches Roman-Debüt »Altered Carbon« einen echten Visions-Booster erhielt, mit der die 2018 filmisch umge­setzte Netflix-Adaption leider nur in Ansätzen mithalten konnte.

Anders als in »Altered Carbon«, wo sowohl »Uploads« und »Downloads« von gestor­benen Persön­lich­keiten möglich sind – die jedoch völlig humorlos bis zum nächsten »Einsatz« zwischen­ge­la­gert werden – gibt es in »Upload« eine Art virtu­ellen »Himmel«, der je nach finan­zi­eller Dispo­si­tion der Verstor­benen bzw. ihrer Verwandten vom Luxus-Hotel bis zum 2K-Verlies reichen kann. Und ebenfalls anders als in »Altered Carbon« sind Rückü­ber­füh­rungen in neue Körper noch nicht möglich. Doch können die »Verstor­benen« immerhin an »Zoom«-Konfe­renzen mit ihren Liebsten teil­nehmen, und etwas umständ­lich, aber durchaus befrie­di­gend ist sogar Sex möglich.

In dieses Setting wird eine gerade in ihrer betont satirisch-künst­li­chen Insze­nie­rung immer wieder an Peter Weirs und Andrew Nicols Truman Show (1998) erin­nernde, bonbon-farbene Geschichte instal­liert, die von Liebe und Verrat, von kapi­ta­lis­ti­schen Grund­prin­zi­pien und der Sehnsucht nach einem besseren, ewigen Leben handelt. Eine Geschichte, in der der 27-jährige Computer-Program­mierer Nathan Brown, nicht immer über­zeu­gend gespielt von dem Tom Cruise-Wieder­gänger Robbie Amell, sich versucht, mit seinem Ableben und einem ewigen Leben anzu­freunden, dabei aber von seiner eigenen Vergan­gen­heit und Persön­lich­keit über­rascht wird – und von der Support-Mitar­bei­terin Nora des »Virtual-(After-)Live«-Unter­neh­mens, das ihn bei seinen ersten Schritten begleitet.

Nora, von der großar­tigen kame­ru­nisch-ameri­ka­ni­schen Musikerin Andy Allo verkör­pert, ist die schau­spie­le­ri­sche Über­ra­schung von »Upload«, wohl auch, weil Greg Daniels über sie, die zwischen beiden »Welten« hin- und herna­vi­gieren kann, auch gesell­schafts­po­li­tisch am meisten erzählen kann. Denn ähnlich wie »Black Mirror« in seinen einzelnen Episoden mit ihren »miss­brauchten« Charak­teren, macht auch Daniels über die Zerris­sen­heit seines Personals deutlich, dass »neue« Tech­no­lo­gien letzt­end­lich immer von »alten« Menschen entworfen werden und damit auch ewiges Leben schnell zum ewigen Fluch werden kann. Diese Tatsache wird aller­dings fast nebenbei vermit­telt, in Form von mal groteskem, dann wieder schwarzem Humor und einem ebenfalls dezent unter­legten Kriminal-Plot, der »Upload« mit seinen alles andere als perfekten virtu­ellen Räumen und der damit verbun­denen kammer­spiel­ar­tigen Play-Station-Ästhetik zu fast schon perfektem epischen Theater nach Brecht macht. Die bei »Upload« einge­setzten »Verfrem­dungs­ef­fekte« erzeugen dabei in ihrer Vehemenz, mit der sie unsere gesell­schaft­li­chen Tabus um Tod und Altern demas­kieren, eine fast schon rausch­ar­tige Destruk­ti­vität, die durch das gezielte »Abernten« neuerer Science-Fiction-Visionen dann auch die notwen­dige, pessi­mis­ti­sche Tiefe erreicht.

Doch Daniels ist nicht ganz so pessi­mis­tisch wie »Black Mirror« und vor allem nicht so »dreckig« wie »Altered Carbon«, seine Helden dürfen immerhin »weiter­leben«, auch wenn die Hoffnung auf ewiges Glück erschüt­tert ist. Aber die Hoffnung stirbt auch hier nicht zuletzt, sie lebt vorerst und passend zum Kernthema »ewig« weiter, und das nicht nur, weil eine zweite Staffel soeben in Auftrag gegeben wurde.