Tod, wo ist dein Stachel? |
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Nicht ganz so pessimistisch wie »Black Mirror« und nicht so »dreckig« wie »Altered Carbon« | ||
(Foto: Amazon) |
Von Axel Timo Purr
Reality is so flexible these days, it’s hard to tell who’s disconnected from it and who isn’t. You might even say it’s a pointless distinction.
― Richard K. Morgan, Altered CarbonThe past is relevant only as data.
― Richard K. Morgan, Altered Carbon
Es ist immer gut, wenn es ans Ernten geht, wenn die Früchte schon fast vergessener Saaten aufgehen. Aktuellstes Beispiel dafür ist »Upload«, eine Anfang Mai von Amazon gestartete Serie, die sich mit unserer veränderten Lebensrealität im Jahr 2033 beschäftigt. Zum einen bedeutet das technische Tricks, Spielereien, weitergesponnene Entwicklungen im wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Bereich, wie sie bereits in der britischen Serie »Black Mirror« mit bitter-schwarzem Humor präsentiert worden sind. Das hatte vor allem durch die Einfolgen-Dimensionalität eine monolithische Wucht, die »Upload« nicht bieten kann, denn für »Upload« mit seinen 10 Folgen sind das nur Vehikel einer viel größeren menschlichen Vision – der der Unsterblichkeit.
Showrunner Greg Daniels, der bereits einschlägige »Simpsons«-Erfahrung und sowohl die US-Version von The Office als auch Parks and Recreation mitverantwortet hat, zehrt allerdings nicht nur aus seinen Comedy-Erfahrungen, sondern gerade thematisch vor allem aus einer jahrzehntelangen Entwicklung der Science Fiction, die literarisch mit den New Wave-Autoren der 1960er und 1970er Jahre wie Philip K. Dick, Roger Zelazny, John Brunner, J. G. Ballard, Philip José Farmer und Harlan Ellison ihren Anfang nahm und mit den Cyber-Punk-Autoren der 1980er wie William Gibson, Bruce Sterlin und Rudy Rucker radikal fortgesetzt wurde. Die bis dahin in der Science Fiction ignorierten Themen wie Dystopien, künstliche Intelligenz, die sexuelle Revolution oder Hacker-Träume spiegelten sich dann auch schon bald in filmischen Werken wie Blade Runner (1982), Johnny Mnemonic (1995), New Rose Hotel (1998) oder der Matrix-Trilogie (1999-2003). Eine Entwicklung, die im Grunde bis heute andauert und inzwischen so komplex geworden ist, dass der Sammelbegriff »Cyberpunk« im Grunde zum inflationären Marketing-Slogan und griffigen Headliner (siehe oben) verkommen ist.
Doch die Früchte, die sich aus diesem kreativen, somnambul um die wunden Punkte unserer Zivilisation schmiegenden Mahlstrom ziehen lassen, sind weiterhin unbestritten visionär. Nicht zuletzt in der von »Upload« replizierten Thematik »Unsterblichkeit«, die 2002 durch Richard Morgans damned-düster-dystopisches Roman-Debüt »Altered Carbon« einen echten Visions-Booster erhielt, mit der die 2018 filmisch umgesetzte Netflix-Adaption leider nur in Ansätzen mithalten konnte.
Anders als in »Altered Carbon«, wo sowohl »Uploads« und »Downloads« von gestorbenen Persönlichkeiten möglich sind – die jedoch völlig humorlos bis zum nächsten »Einsatz« zwischengelagert werden – gibt es in »Upload« eine Art virtuellen »Himmel«, der je nach finanzieller Disposition der Verstorbenen bzw. ihrer Verwandten vom Luxus-Hotel bis zum 2K-Verlies reichen kann. Und ebenfalls anders als in »Altered Carbon« sind Rücküberführungen in neue Körper noch nicht möglich. Doch können die »Verstorbenen« immerhin an »Zoom«-Konferenzen mit ihren Liebsten teilnehmen, und etwas umständlich, aber durchaus befriedigend ist sogar Sex möglich.
In dieses Setting wird eine gerade in ihrer betont satirisch-künstlichen Inszenierung immer wieder an Peter Weirs und Andrew Nicols Truman Show (1998) erinnernde, bonbon-farbene Geschichte installiert, die von Liebe und Verrat, von kapitalistischen Grundprinzipien und der Sehnsucht nach einem besseren, ewigen Leben handelt. Eine Geschichte, in der der 27-jährige Computer-Programmierer Nathan Brown, nicht immer überzeugend gespielt von dem Tom Cruise-Wiedergänger Robbie Amell, sich versucht, mit seinem Ableben und einem ewigen Leben anzufreunden, dabei aber von seiner eigenen Vergangenheit und Persönlichkeit überrascht wird – und von der Support-Mitarbeiterin Nora des »Virtual-(After-)Live«-Unternehmens, das ihn bei seinen ersten Schritten begleitet.
Nora, von der großartigen kamerunisch-amerikanischen Musikerin Andy Allo verkörpert, ist die schauspielerische Überraschung von »Upload«, wohl auch, weil Greg Daniels über sie, die zwischen beiden »Welten« hin- und hernavigieren kann, auch gesellschaftspolitisch am meisten erzählen kann. Denn ähnlich wie »Black Mirror« in seinen einzelnen Episoden mit ihren »missbrauchten« Charakteren, macht auch Daniels über die Zerrissenheit seines Personals deutlich, dass »neue« Technologien letztendlich immer von »alten« Menschen entworfen werden und damit auch ewiges Leben schnell zum ewigen Fluch werden kann. Diese Tatsache wird allerdings fast nebenbei vermittelt, in Form von mal groteskem, dann wieder schwarzem Humor und einem ebenfalls dezent unterlegten Kriminal-Plot, der »Upload« mit seinen alles andere als perfekten virtuellen Räumen und der damit verbundenen kammerspielartigen Play-Station-Ästhetik zu fast schon perfektem epischen Theater nach Brecht macht. Die bei »Upload« eingesetzten »Verfremdungseffekte« erzeugen dabei in ihrer Vehemenz, mit der sie unsere gesellschaftlichen Tabus um Tod und Altern demaskieren, eine fast schon rauschartige Destruktivität, die durch das gezielte »Abernten« neuerer Science-Fiction-Visionen dann auch die notwendige, pessimistische Tiefe erreicht.
Doch Daniels ist nicht ganz so pessimistisch wie »Black Mirror« und vor allem nicht so »dreckig« wie »Altered Carbon«, seine Helden dürfen immerhin »weiterleben«, auch wenn die Hoffnung auf ewiges Glück erschüttert ist. Aber die Hoffnung stirbt auch hier nicht zuletzt, sie lebt vorerst und passend zum Kernthema »ewig« weiter, und das nicht nur, weil eine zweite Staffel soeben in Auftrag gegeben wurde.