Widerstands- landschaften und Vexierbilder |
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Sport so, wie man ihn noch nie gesehen hat: Julien Farauts funkelnder Die Hexen des Orients | ||
(Foto: IFFR 2021) |
Ein Abenteuer. Das muss das Kino sein, vielleicht gerade in Zeiten der Pandemie. Ein Abenteuer ist es ganz gewiss in den Filmen des Franzosen Julien Faraut. In Farauts Filmen geht es um Sport. Aber um Sport so, wie man ihn noch nie gesehen hat – fernab von aller Sportreportage. Vielmehr in der Bildsprache eines Liebesfilms oder eines Spionagethrillers. Vor 3 Jahren, da bezauberte Faraut im Forum der Berlinale mit einem großartigen Dokumentarfilm über den Tennisspieler John McEnroe.
Jetzt hat der Regisseur einen funkelnden neuen Film gedreht. Die Hexen des Orients (Trailer)– im Zentrum: Unbesiegbare Superheldinnen. Sie sind die Spielerinnen der japanischen Damen-Nationalmannschaft im Volleyball, die 1964 bei den
Olympischen Spielen in Tokio Gold gewannen. Sie begannen zwar als Betriebsmannschaft einer Textilfabrik, doch dann holten sie Sieg um Sieg und ihr Rekord von 258 Siegen in Folge ist bis heute ungeschlagen.
Diese Mannschaft war so populär, dass eine ganze Reihe von Manga-Comic-Figuren, Zeichentrickfilmen und Anime-Serien auf ihnen basierten.
Dieses Material nutzt der Regisseur, um die Wiederbegegnung des Teams nach fast 60 Jahren zu zelebrieren: Volleyball, wie man es noch
nie gesehen hat.
Animation, Imagination und Realität verschmelzen auch in »Archipelagos«, einer bezaubernden Suche nach der Seele der französisch-kanadischen Provinz Quebec.
Schließlich Bebia von Juja Dobrachkou. Nach dem Tod ihrer Großmutter kehrt die 17-jährige Ariadna, die als Model arbeitet, für die Beerdigung nach Georgien zurück.
Dies sind nur drei Beispiele für die Filme im Wettbewerb des Internationalen Filmfestivals von Rotterdam, dessen 50. Ausgabe am Montag eröffnet wurde, und in ihrer ersten Hälfte nun in Form von Online-Vorführungen stattfindet.
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Deutsche Beteiligungen gibt es auch. Zum Beispiel in dem iranischen Film Mitra (Trailer), in dem die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai die Hauptrolle spielt. Sie spielt eine alte Frau, die vor knapp 40 Jahren, kurz nach der iranischen Revolution ihr Kind in den
Wirren des Geschehens verlor. Heute, nachdem sie längst im Exil lebt, will sie sich an den Mördern rächen. Sie bekommt die Chance dazu, doch in dem Moment wachsen auch die Zweifel, ob es sich überhaupt um die Täter handelt, und wenn ja: Ob sie schuldig sind oder selbst Opfer??
Mitra ist ein Vexierbild mit den Mitteln des Kinos. Ein Thriller der Erinnerung, der virtuos Politisches mit
Melodramatischem vermischt.
Und dann ist da noch Landscapes of Resistance von Marta Popivoda. Die Regisseurin stammt aus Jugoslawien, lebt aber seit vielen Jahren in Berlin. In ihrem neuen, ihrem zweiten Langfilm reisen die Zuschauer durch die Landschaften des turbulenten Lebens von Sofija Sonja Vujanović, einer 97-jährigen antifaschistischen Kämpferin, die eine der ersten
weiblichen Partisanen in Jugoslawien und ein Mitglied des Widerstands im Lager Auschwitz war.
Basierend auf Gesprächen, die Popivoda gemeinsam mit Sonjas Enkelin (und Co-Autorin) Ana Vujanović führte, wandelt sich die Feier des Widerstands einer Frau zu einem antifaschistischen Manifest mit den Mitteln des Kinos, das den Hintergrund des Aufstiegs des Faschismus im heutigen Europa erhellt.
Popivodas erster Dokumentarfilm, der schlechthin großartige, autobiographische Yugoslavia: How Ideology Moved Our Collective Body, wurde bei der 63. Berlinale uraufgeführt und später auf vielen Festivals gezeigt. Der Film ist auch Teil der ständigen Sammlung des New Yorker MoMA.
Über die Hauptthemen ihres neuen Films sagte Popivoda in einem Interview: »Ich bin eine feministische, queere und antifaschistische Künstlerin und Kulturarbeiterin. Eines der Hauptanliegen in meiner Arbeit ist die Beziehung zwischen Erinnerung und Geschichte. Heute bedeutet das für mich, die steigende Flut des Faschismus und die Radikalisierung der Klassengesellschaft zu hinterfragen. Der antifaschistische Widerstand ist das zentrale Thema des Films, und er wird aus zwei Perspektiven erzählt. Die Hauptperspektive ist die von Sonjas Lebensgeschichte, die inmitten des Aufstiegs des Faschismus in Europa in den 1930er Jahren beginnt. Sonja ist eine äußerst suggestive Erzählerin, die in der Lage ist, ohne Rückblicke von vergangenen Ereignissen zu berichten. Sie nimmt uns direkt mit in die Atmosphäre und Mentalität jener Zeit, aus der der antifaschistische Widerstand entstand. Die andere ist die zeitgenössische Perspektive von uns beiden, den Drehbuchautoren – Marta Popivoda und Ana Vujanović – einem queeren Paar und linken Aktivisten aus Belgrad, die nach Berlin ausgewandert sind. Wir haben Sonja über zehn Jahre lang besucht und interviewt und ihre Geschichte mit unseren eigenen Erfahrungen des aufkommenden Faschismus im heutigen Europa konfrontiert.«