71. Berlinale 2021
Was wäre, wenn |
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Leichte Unterhaltung, die tiefer gehende Fragen anschneidet | ||
(Foto: 71. Berlinale Presseservice) |
Von Sedat Aslan
»Was wäre, wenn«… Nein, nicht, »was wäre, wenn man sich den perfekten Partner als Roboter erschaffen könnte«, ist die Frage die im Kontext der Berlinale vor allem interessiert. »Was wäre, wenn« dieser Film genau so in Frankreich gedreht werden würde? »Was wäre, wenn« dieser Film in einer Nebenreihe liefe?
Nach zwei Kinofilmen (Liebesleben, Vor der Morgenröte) und einer Miniserie (Unorthodox) liefert Maria Schrader mit Ich bin dein Mensch ihre nächste Regiearbeit ab. Herausgekommen ist eine Near-Future-RomCom, die auf einer Kurzgeschichte von Emma Braslavsky basiert und von Jan Schomburg und Schrader selbst zu einem Drehbuch adaptiert wurde. Alma, gespielt von Maren Eggert, die endlich auch mal ihr komödiantisches Talent beweisen darf, erklärt sich bereit, den attraktiven humanoiden Roboter »Tom« (Dan Stevens), der als ihr perfekter Lebenspartner
designt wurde, für drei Wochen im Rahmen einer Studie zu testen. Alma benötigt das Geld, um ihr Forschungsprojekt voranzutreiben, und sagt trotz ihrer Abneigung, fortan mit einem Roboter ihr Leben zu teilen, genervt zu. Im Geiste einer Screwball-Comedy schaukeln sich die unterschiedlichen Temperamente der beiden immer weiter hoch, bis zur vorhersehbaren Auflösung.
Natürlich ist der buchstäblich aus dem Katalog kommende Tom der schrulligen Alma zu makellos, und natürlich fühlt
sie sich unwohl dabei, sich einen Humanoiden als eine Art Glücks-Sklaven zu halten. Und ja, natürlich geht es auch um körperliche Nähe zwischen Mensch und AI. Schrader interessiert sich aber auch für grundlegende philosophische Fragen, nämlich ob die Erfüllung einer persönlichen Glücksvorstellung nicht über einen flammenden Idealismus geht. Über all dem liegt naheliegenderweise das Thema – was macht uns eigentlich zu Menschen? Hier wird das Anlehnen an einen
Altglascontainer zu der menschlichsten Geste überhaupt.
Craig Mazin, der Schöpfer der gefeierten Miniserie Chernobyl, sagt: »Wenn wir nicht sterblich wären, gäbe es auch kein Drama«, und genau hier stößt sie an der dramatischsten Stelle des Films hinein. Sicher verhandelt dieser Film das Thema ganz anders als Sandra Wollners fantastischer The Trouble With Being Born, der im Vorjahr den Spezialpreis der Reihe Encounters gewann, und auch ganz anders als Alex Garlands Ex Machina oder Isa Willingers Hi, AI. Spike Jonzes Her erzählt ein verwandtes Thema wesentlich komplexer und ambivalenter, aber nicht jedes Thema muss nolanesk oder kaufmanesk erzählt werden. Ich bin dein Mensch macht keinen Hehl draus, dass er leichte Unterhaltung bieten möchte, die tiefer gehende Fragen anschneidet, und bewerkstelligt dies auch gut.
Eggert und Stevens nimmt man (fast) alles ab, vor allem letzterer lässt einen entfernt an Artgenossen wie Lance Henriksen und Robert Patrick zurückdenken, hoffentlich sieht man ihn von nun an häufiger im deutschen Film. Auch Benedict Neuenfels’ Bildgestaltung ordnet sich mit einer klaren, reduzierten Ästhetk dem Unterhaltungsauftrag unter.
Wir sprechen hier also von einem ganz anderen Großstadtmärchen als Christian Petzolds Liebesdrama Undine aus dem Vorjahr, welcher in seinen besten Momenten ins Genre der Komödie tapste. Schraders Film ist viel souveräner und selbstbewusster in der komischen Form. Es ist eine gefällige, aber nicht beliebige Komödie, der auf der Zielgeraden etwas der Sprit ausgeht, und die mit dem Stempel
»Made in France« ein sicherer Best-Ager-Hit im Kino geworden wäre.
Wenn, ja, wenn nicht der Stempel »TV-Movie« wäre. In Wirklichkeit ist Ich bin dein Mensch nämlich als SWR-Film konzipiert, und wird auf deren Website auch mit einer TV-Ausstrahlung im »Herbst 2021« beworben. Der Gedanke liegt nahe, dass Carlo Chatrian der Film amüsiert hat und Schraders großer Name sowie andere politische
Argumente ihn dazu brachten, diesen Film in die Hauptsektion zu nehmen. Ob man ihn angesichts der gefürchteten Berlinale-Kritik nicht der Gefahr aussetzt, dafür als viel zu seicht abgestraft zu werden, dürfte in den nächsten Tagen deutlich werden. Ich bin dein Mensch ist ein sehr gutes TV-Movie und auch eine gute Kinokomödie, wäre aber überall anders als im Wettbewerb der Berlinale besser
aufgehoben.