Lovemobil-Debatte
Zum Fall „Lovemobil“ |
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Wir haben „Menschen“ zur „Ware“ gemacht... | ||
(Foto: NDR/WDR) |
Von Dietmar Post
Rüdiger Suchsland weist in seinem Beitrag auf artechock zu Recht auf die prekären Produktionsbedingungen für Dokumentarfilme in Deutschland hin. Bei genauerer Betrachtung dieser offensichtlichen Missstände sieht plötzlich im Fall Lovemobil die Rolle der Sender, der Förderer, Preis-Jurys und Filmfestivals nicht mehr so rosig aus, weil genau sie es sind, die seit mindestens zwei Jahrzehnten die „schöne“ Relotius-Geschichte fördern, ja geradezu einfordern.
Sabine Rollberg spricht in ihrem Beitrag Die Angst wächst davon, dass es bezüglich der Kommunikation und dem Vertrauensverhältnis zwischen Sendern und Filmemachern ein massives Problem gibt. Elke Lehrenkrauss hat zweifellos grobe Fehler begangen. Das lässt sich nicht entschuldigen. Aber sie ist nicht Claas Relotius, der Spiegel-Redakteur, der wissentlich, freiwillig und obendrein mit viel Freude die Wünsche der deutschen Leitmedien nach einer „schönen runden“ Geschichte bediente und dafür jeden erdenklichen Journalistenpreis erhalten hat. Und das, obwohl jedem durchschnittlichen Zeitungsleser die vielen Klischees und Verschönerungen geradezu ins Auge springen mussten. Ständig ging der Mond auf und dann wieder unter.
Ob das bei Lovemobil ähnlich vorsätzlich getan wurde, lässt sich nach aktuellem Sachstand nicht genau sagen. Dazu müssten Elke Lehrenkrauss und ihr gesamtes Team, vor allem die Berater, ehrlich Stellung beziehen. Ihr Verhalten auf Filmfestivals und in Interviews lässt allerdings durchaus auf Vorsatz schließen. Ein gravierender anderer Faktor ist, dass Filmfestivals und Preis-Jurys, die den Film in den höchsten Tönen gelobt haben, nichts bemerkt haben wollen. Diese Tatsache spricht wohl eher nicht für diese Festivals und Preis-Jurys. Es scheint ein allgemeines großes Unwissen bezüglich des Genres des Dokumentarfilms zu geben. So sehr scheint man sich an der „schönen“ Geschichte zu erfreuen, dass es niemandem mehr auffällt, dass da was nicht stimmen kann. Lovemobil ist übrigens nicht der einzige hochdekorierte Dokumentarfilm, dem man den Vorwurf der „geschönten“ Geschichte machen kann.
Lovemobil hat viel von einem Relotius-Text. Die Glattheit, die Perfektion, das vermeintlich so Nah-Dran-Sein, welches beim Zuschauen aber eigentlich doch leicht als „zu nah“ und voyeuristisch hätte erkannt werden können. Aber Lovemobil ist vielleicht, wie Rüdiger Suchsland und auch Sabine Rollberg beschreiben, etwas anders entstanden, als ein Text von Relotius. Es könnte sein, muss aber nicht so sein, dass die Regisseurin viele Dinge dem Sender gegenüber aus reiner Angst heraus nicht kommuniziert hat. Dazu wird es sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen neue Informationen geben. Man sollte die Chance nutzen, um nachzuverfolgen, wie dieser Film genau entstanden ist. Das erste Exposé, der erste Trailer, der erste Pitch, wie ist man an die Sexarbeiterinnen herangetreten, wer hat beraten, wer hat den Ton und die Kamera bedient, wer geschnitten, welche Darstellerinnen gab es denn nun genau, wie wurde der Film finanziert, wurde mit echten Sexarbeiterinnen gefilmt, wurden sie bezahlt, wer waren die gecasteten Schauspieler, wie genau hat der Sender den Film betreut? Es gibt eine ganze Reihe offener Fragen und größtmögliche Transparenz wäre wünschenswert. Eine Vermutung sei mir erlaubt – die neuen Informationen werden offenlegen, dass bei der Herstellung von Dokumentarfilmen grundsätzlich etwas im Argen liegt. Und zwar keine Kleinigkeiten, sondern etwas, was man heutzutage als „systemisch“ bezeichnen würde.
Was aus meiner Sicht als langjähriger Dokumentarfilmer allerdings in all diesen Diskussionen völlig vernachlässigt wird, ist der Umgang mit den Menschen, die wir in unseren Filmen zeigen. Ich sehe hier sogar das größte Versäumnis innerhalb dieser Debatte.
Wir Filmemacher und damit auch die Sender, die uns in unserem Unterfangen unterstützen und kollegial zur Seite stehen sollen, haben eine große Verantwortung gegenüber den Menschen. Über diese Verantwortung, die im
Übrigen auch eine gesellschaftliche Verantwortung ist, muss debattiert werden. Leider reden wir fast ausschließlich nur über die Befindlichkeiten der Filmemacher und Künstler, alle in der Regel weiß, männlich und aus gutbürgerlichen Familien stammend, – aber wir reden nie über die Menschen in den Filmen. In besseren Dokumentarfilmen spürt man, dass die Filme nicht „über“, sondern „mit“ den Menschen gemacht wurden.
Wäre man von dieser Grundverantwortung für die Menschen in Dokumentarfilmen ausgegangen, meine Güte, was hätte man für einen spannenden Film über die Sexarbeiterinnen in den Liebeswagen machen können. Wenn alle Beteiligten „offen“ mit den Schwierigkeiten beim Dreh umgegangen wären. Vor allem auch mit dem, was man nicht filmen konnte, durfte, wollte oder wo die Sexarbeiterinnen klare rote Linien zogen. Ein Off-Kommentar der Filmemacherin über diese Schwierigkeiten einer filmischen Darstellung drängt sich geradezu auf. So hätte man auch die vielen sentimentalen, z.T. sexistischen und auch rassistischen Klischees vermeiden können. Man hätte, wie viele Dokumentarfilme das durchaus immer wieder schaffen, Tacheles geredet, ohne sich bestimmten „filmischen“ Moden anzubiedern. Die Menschen im Film hätten im Vordergrund gestanden und zwar ohne unnötigen Voyeurismus.
Haben sich Sender und Produzenten im Vorfeld andere Filme zum Thema angeschaut, haben sie Kontakt aufgenommen zu den Vertretungen/Gewerkschaften von Sexarbeiterinnen? Diese Arbeiterinnen sind doch nicht nur Opfer, sondern sie sind auch starke Frauen, die viel Leid ertragen müssen. Hören wir auf, sie mit diesen falschen Sentimentalitäten zu belegen, die uns ja bereits täglich in den formatierten „Doku-Sendungen“ um die Ohren gehauen werden.
Dokumentarfilme zu machen, ist kein Hexenwerk. Es ist auch kein Hexenwerk, die Arbeitsweise dieser Filme schon während des Filmens und Tonaufnehmens offen zu legen. Die Menschen, die wir als Macher vor unsere Kamera- und Tonapparate stellen, verdienen aber einen anderen Umgang als z.B. bezahlte Schauspieler im Spielfilm (die natürlich auch anständig behandelt werden müssen). In einem Spielfilm sagt ein Regisseur, wie die Schauspieler spielen sollen. Dort wird man für das „Spielen“ einer bestimmten Person entlohnt.
Im Dokumentarfilm geht man eine ganz andere Vereinbarung ein. Die Menschen darin werden nicht bezahlt. Sie stellen aber ihr eigenes Leben oder zumindest einen Teil davon aus – und zwar für immer. Sie gehen das größte Risiko ein. Ihre Familien, Bekannten und Freunde werden sie zu dem gedrehten Film befragen. Umso wichtiger ist, dass es ein Vertrauensverhältnis oder zumindest eine gemeinsame Basis/Absprache zwischen Filmenden und Gefilmten gibt. Ein solches Vertrauensverhältnis erfährt oft auch eine schriftliche Vereinbarung, eine sogenannte Freistellungserklärung. Erst diese gibt den Filmemachern das Recht, das aufgenommene Material überhaupt für den Film benutzen zu dürfen.
Welche Vereinbarungen und Absprachen gab es in Lovemobil? Wieso wurden bei dem riesigen Erfolg des Films eigentlich nie die gefilmten Menschen zu Festivals eingeladen und von den Medien interviewt?
In der Ethnologie und Anthropologie spricht man seit langer Zeit über das Verhältnis von Untersuchenden und Untersuchten oder eben von Gefilmten und Filmenden. Jean Rouch, Anthropologe und Filmemacher, hat dies ebenfalls getan. Unter Filmemachern sind diese Dinge immer wieder debattiert worden. Jetzt, ganz aktuell, reden Filmemacher allerdings über das Verkaufen und Vermarkten, technische Details, „den besten Pitch“, welches Festival das wichtigste ist, wie der Filmemacher das wieder so „schön“ hinbekommen hat oder darüber, was für eine „wahnsinnig wichtige“ Sache der Film von Soundso politisch vertritt. Ich rede vom Markt, von Propaganda und Werbung. Wir erklären die Menschen, die in unseren Filmen mitmachen, zu einem reinen Produkt auf dem Markt eitler Filmemacher. Das Ego des Künstlers wird in Form des roten Teppichs bauchgepinselt. Und die Menschen im Film? Eine ganz besondere Dokumentarfilme-Blase ist da entstanden, wo eine Sich-Gegenseitig-Auf-Die-Schulter-Klopfen-Mentalität verbreitet ist und niemand sich mehr traut, den Film der anderen zu kritisieren. Eine allgemeine Wohlfühl-Kultur, eine Null-Debatten-Kultur ist entstanden. Wir haben „Menschen“ zur „Ware“ gemacht.
Wir Dokumentarfilmer selbst müssen uns hinterfragen. Nur eine Form des Dokumentarfilms gibt es nicht. Es gibt sehr viele, dazu gehört auch der total inszenierte. Authentizität, die reine Lehre also, gibt es nicht, wie Rüdiger Suchsland richtig schreibt:
»Worum es dagegen tatsächlich geht, ist relative Authentizität. Es gibt einen unausgesprochenen Vertrag zwischen einem Filmemacher und seinem Publikum. Auf der einen Seite setzt dieser ein mündiges Publikum voraus, also
Zuschauer und Zuschauerinnen, die so etwas wie Schnitt und Montage wahrnehmen, und denen zumindest unbewusst klar ist, dass wenn die Kamera sich bewegt, dies nicht durch die Hand Gottes geschieht, sondern durch den Willen des Regisseurs. Auf der anderen Seite ist ebenso die Ehrlichkeit eines Filmemachers vorausgesetzt: Dort wo Inszenierungen oder Re-Enactment nicht für jeden sowieso sofort erkennbar sind, muss man sie kennzeichnen. Dies muss nicht notwendig dadurch geschehen, dass
zum Beispiel eine kleine Bildunterschrift darauf hinweist, dass hier Realität nachgestellt wird. Es genügt vollkommen, im Abspann eines Films darauf hinzuweisen, dass einige Szenen im Film von Akteuren oder Schauspielern nachgestellt wurden, und dass nicht alle im Film zu sehenden Figuren mit ihren wirklichen Personen identisch sind. Dies nicht unternommen zu haben, ist das große Versäumnis der Filmemacherin Elke Margarete Lehrenkrauss bei ihrem preisgekrönten Film Lovemobil.«
Es läuft grundsätzlich etwas falsch, wie Dokumentarfilme in Deutschland finanziert und hergestellt werden. Auch das erwähnt Suchsland zu Recht.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen jedenfalls setzt seit langen Jahren auf überwiegend konservative dramaturgische Modelle, die einer klassischen Heldengeschichte entsprechen und die häufig mit den vielen unterschiedlichen Realitäten in diesem Land nichts zu tun haben. Pflegekräfte werden als Helden tituliert. Wenn
sie eine Lohnerhöhung einfordern, dann sind sie plötzlich wieder lästig. Bestimmte gesellschaftliche Klassen finden in den Leitmedien und in dieser neuen Form des gescripteten Dokumentarfilms nur als Abziehbilder statt – nicht als vollwertige Menschen.
Elke Lehrenkrauss ist bestimmt beraten worden. Was hat man ihr denn geraten?
Wenn der NDR sich jetzt auf die Filmemacher Eberhard Fechner und Klaus Wildenhahn beruft, wirkt das aus verschiedenen Gründen befremdlich, denn beide waren festangestellte Filmemacher und mussten nicht für ihre Filme bei Sendern tingeln gehen und für schmales Geld großartige Filme machen. Elke Lehrenkrauss bekam sage und schreibe 36.000 Euro vom NDR für ihren Film. Fechner und Wildenhahn konnten nur durch ihr Festgehalt und durch ihr Eintreten für den laut Staatsvertrag festgelegten Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu den großen Chronisten der westdeutschen Wirklichkeiten der 60er bis 80er Jahre werden. Dieser Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bezüglich des Dokumentarfilms wird seit fast 20 Jahren nicht mehr vollständig wahrgenommen, wie die Studien des Medienpublizisten Fritz Wolf belegen. Den langen Dokumentarfilm gibt es kaum noch im deutschen TV. Und die Berufung auf die Tradition von Fechner und Wildenhahn wirkt befremdlich, weil viele (natürlich nicht alle) Redaktionen, Filmfestivals, Verleiher, World Sales und leider auch Filmkritiker keine „offenen Dokumentarfilme“ mehr wollen oder besprechen. Man will die geschlossene Form, die uns empört, aufregt und emotional mitnimmt. Man will Netflix, Amazon, Apple, Disney+. Man will das durchgeplante Sommermärchen. Man will also das Gegenteil von zurückhaltend, ruhig, beobachtend, distanziert, sich nicht gemein machend mit dem Sujet, sich verschiedenen Realitäten annährend oder Grautöne und Zweifel am Gehörten und Gesehenen zulassend.
Für den NDR und auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Sender habe ich ein Zitat aus dem Jahre 1967 von Klaus Wildenhahn herausgesucht. Sein Buch »über den synthetischen und dokumentarischen Film« möchte ich der Regisseurin von Lovemobil, aber auch allen im Dokumentarfilmbereich tätigen Personen empfehlen, aber nicht als etwas in Stein gemeißeltes, sondern um zu zeigen, wie man mit „Realitäten“ auch umgehen kann und um eine sehr alte Debatte neu zu beleben:
»Keine ziehende Wolke wird gefilmt, um zu sagen, das Leben sei eine flüchtige Angelegenheit. Hat man die direkte Aussage nicht geschafft, läßt man derartiges. Was man hat, hat man, und es wird kein dramaturgisches Gehäuse vorgetäuscht, wo es nicht vorhanden ist. Jeder, der etwas länger mit Film gearbeitet hat, weiß, wie leicht es ist, rasante Montagefolgen herzustellen, gute Übergänge zu finden, und in der künstlichen Welt des Schneideraums das Drama umzufummeln. Mit leichter Hand Sarkasmus, Sentimentalität und Überlegenheit einzustreuen. Eine Geschlossenheit der Aussage herzustellen, die wenig oder gar nichts mit Wirklichkeit zu tun haben muß. Gewisse Schnittfolgen sind so in das Bewußtsein eingedrungen wie die Harmonien von Kirchenliedern. Man kann sie mitsingen, ohne das Lied zu kennen. Mit geschlossenen Augen. Man weiß, was kommt: Hunger, Stacheldraht, die Freien, die Unfreien, das ganze Schachbrett der Spielerfiguren. Das kann wunderschön sein und Unterhaltung und kann sogar Weisheit enthalten. Im Dokumentarfilm sollte diese Typisierung wegfallen. Jeder Versuch einer Rundung, die nicht natürlich sich einstellt, müßte wie die Pest vermieden werden. Man zeigt eine Sammlung von Splittern her, die man eingesammelt hat. Hatte man Glück und Ausdauer, gelingt es, den Zuschauer in den Spannungsbogen des offenen Spieles miteinzubeziehen. Des Spieles zwischen Filmemacher und dem Gefilmten. Und wenn der Zuschauer will, kann er Stellung beziehen nicht nur zum Gezeigten, sondern auch zum Hersteller und seinen offen zutage tretenden Vorlieben und Antipathien. Wenn der Film seinen Zweck erfüllt, entsteht ein Energiefeld zwischen diesen drei Polen: Gefilmter, Filmemacher und Zuschauer.«
Wildenhahn nennt zuerst „den Gefilmten“. Was ist also passiert in den letzten 30 Jahren, dass jetzt immer der Filmende so wichtig geworden ist?
Fechner nannte man den „Chronisten des Alltäglichen“. Er selbst sagte immer wieder, dass man nur zur Tür herausgehen müsse, um eine spannende Lebensgeschichte zu finden.
Das 2017 geschaffene Fechner-Archiv schreibt:
»Neben der umfangreichen Korrespondenz, u. a. mit Walter Jens, Walter Kempowski, Hardy Krüger, Egon Monk und Giorgio Strehler gibt es über 1.500 Stunden Tonbandaufnahmen der Interviews, die Fechner für seine preisgekrönten Dokumentationen geführt hat. Da die Interviews nur zu einem geringen Teil in die Filme eingegangen sind, besitzen diese Aufnahmen einen großen Quellenwert vor allem auch für die Erforschung der
Alltagsgeschichte in der BRD der 1970er bis 1990er Jahre.«
Für seinen vielleicht besten und eindrücklichsten Film über den Düsseldorfer Majdanek-Prozess brauchte er 10 Jahre. Ich zitiere den Text von Eberhard Fechner aus dem Booklet der bei Absolut Medien erschienenen DVD-Edition: »28000 Seiten umfassten die Beschuldigten-Bände der Anklage, 507 Seiten stark waren die Anklageschriften, 795 Seiten dick die schriftliche Urteilsbegründung. Dazu kamen Tausende Seiten Plädoyers der Verteidiger und der Ankläger. Alles musste auf die Verwendbarkeit für den Film geprüft werden. Alleine die Abschriften der 70 Interviews sind über 8000 Seiten lang. 150000 Meter Film, 230 Stunden Material, aus dem in über 2 Jahren Schnitt ein dreiteiliger Film von insgesamt viereinhalb Stunden Länge wurde. Er enthält ausschließlich Aussagen von Prozessbeteiligten. (…) Vorbild ist dabei Anton Chechov, der 1888 an einen Freund schrieb: ›Der Künstler soll nicht Richter seiner Personen sein, sondern nur ein leidenschaftsloser Zeuge. Beurteilen werden es die Geschworenen, das heißt die Leser. Meine Sache ist nur die Fähigkeit zu besitzen, die wichtigsten Äußerungen von den unwichtigen zu unterscheiden und sie in Beziehung zueinander zu setzen.‹«
Hat all dies hier Beschriebene nicht vielleicht etwas mit dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender und Förderer zu tun? Ich glaube, dass es das hat.
Deshalb möchte ich die Sender darum bitten, endlich mit allen beteiligten gesellschaftlichen Gruppen eine Debatte über die Missstände bezüglich der Produktion von Dokumentarfilmen anzugehen, denn das Beispiel von Lovemobil deckt eben diese vielfältigen Missstände auf. Nur mit dem Finger auf die Filmemacherin zu zeigen, ist zu einfach. Das Problem stellt sich wesentlich komplizierter und komplexer dar, deshalb muss bei diesem Fall alles offen auf den Tisch gelegt werden. Nutzen wir die Chance, um das System der Herstellung von Dokumentarfilmen grundlegend zu verbessern. Nehmen wir Sender, Festivals, Förderer und Jurys in die Pflicht. Übrigens glaube ich auch, dass wir Dokumentarfilmer ein neues, alternatives und dem Gemeinwohl verpflichtetes Fördersystem brauchen, damit wieder aufregende politische Filme in diesem Land gemacht werden können. Ein System, in dem man endlich wieder einen Aufbruch spüren kann, eine Lust am Kino, am Geschichtenerzählen und an den vielen unterschiedlichen Menschen in diesem Land.
In dem Buch: »Die Siedler Francos: Ein Beispiel für die Zurückdrängung des suchenden Dokumentarfilms« beschreiben verschiedene Autoren anhand eines konkreten Films die o.g. Probleme.
Dietmar Post ist ein deutscher Dokumentarfilmregisseur, der 2008 mit seiner Partnerin Lucía Palacios für Monks – The Transatlantic Feedback mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.