Oscar so woke |
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Frances McDormand im großen Oscar-Gewinner Nomadland | ||
(Foto: Joshua James Richards/20th Century Studios/Disney /dpa) |
Es war noch nicht einmal überraschend, dass es keine Überraschungen gab. Als in der Nacht zum Montag die immer noch populärsten Filmpreise der Welt vergeben wurden, gab es erwartbar nichts, was das europäische Publikum auf dem Fernsehsofa am Einschlafen hindern konnte.
Die Favoriten haben gewonnen, zugleich blieb einem einzelnen Film der große Durchmarsch versagt, obwohl mehrere von ihnen gleich sechs Mal nominiert waren, und David Finchers Mank, eine Hommage ans klassische Hollywood, sogar zehnmal.
Die wichtigsten Preise – bester Film, beste Regie – gingen an Chloe Zhao, die Regisseurin des dokufiktionalen Mischfilms Nomadland. Womit sich alle, die in so einer Preisverleihung in erster Linie eine politische Gleichstellungsveranstaltung sehen wollen, gleich doppelt bestätigt fühlen können: Denn Zhao ist nicht nur eine Frau, sondern auch als China-Stämmige auch noch eine Einwanderin.
Man sollte Oscar-Verleihungen aber nicht überschätzen. Sie sind ein Spiegel mehr der Industrie als der Gesellschaft, und nicht etwa ein Vorreiter für politisch-soziale Entwicklungen der Zukunft. Sie bilden ab, was augenblicklich gerade in der amerikanischen Filmbranche geschieht. Oder wovon die Mächtigen in dieser Branche glauben, dass es endlich einmal geschehen müsse.
Das hat gerade auch die diesjährige Oscar-Verleihung wieder ganz gut unter Beweis gestellt.
Identitätspolitik ersetzt die Kunst.
Mehr als in irgendeiner Oscar-Verleihung zuvor ging es diesmal um »Wokeness«. Mit diesem Modewort ist politisch-kulturelle »Wachsamkeit« gemeint, eine Wachsamkeit, der ist vor allem darum geht, niemanden zu verletzen und möglichst jeden möglicherweise früher Unterdrückten zu Wort kommen zu lassen und zu repräsentieren.
In derart beflissenen, auf politische Über-Korrektheit bedachten Verhalten kommt es dann manchmal zu kleineren oder größeren Absurditäten. Wie zum Beispiel der, dass während der Oscar-Veranstaltung für ein paar Minuten dann mal anstatt des Preis-Paten eine Gebärdendolmetscherin ins globale Fernseh-Bild trat. Vielleicht war das tatsächlich gut gemeinte Inklusion. Es war aber auch völlig überflüssig, denn zeitgleich mit den Gebärden der Dame wurden auch die von ihr kommunizierten Namen der jeweiligen Sieger eingeblendet. Da auch Gehörlose ja des Lesens mächtig sind, ging es also offenbar mehr um die politische Geste als um die Sache selbst.
Solcherlei symbolisches Kapital stand ganz im Zentrum der Preisverleihung und der vergebenen Preise. Das Ergebnis ist das, was man mit einem – durchaus nicht unproblematischen – Wort dann eine bunte Preisverleihung nennen kann. Viele schwarze und asiatisch-stämmige Filmemacher traten auf – als Moderatoren, aber auch als Nominierte und Preisträger. Das steht zum Teil für tatsächliche Veränderung in der Branche; es ist aber auch ein Statement, das mehr das Abstimmungsverhalten vieler Akademie-Mitglieder abbildet, als das, was wirklich in den Chefetagen der Filmindustrie oder auf der Leinwand passiert.
Es gab aber auch signifikante Leerstellen: Wo waren zum Beispiel die Latinos?
Auch in den Filmen selbst dominierte Monothematik – als ob es darum ginge, die Sünden Amerikas auszugleichen oder wiedergutzumachen. Einen Kontrapunkt zu derart langweiligen Vorhersehbarkeiten setzte neben Mank und Tenet (s.u.) nur Thomas Vinterbergs Druk (Der Rausch), der alle Erwartungen auf Korrektheit in der Anklage des Alkoholkonsums immer wieder unterlief.
Zudem geht es bei den Oscars schon seit Jahrzehnten so, dass sogenannte »wichtige« und »relevante« Filme überproportional vertreten sind. Also Filme, deren Themen gerade politisch diskutiert werden, oder die irgendetwas machen, was noch nie in einem Film gemacht wurde.
Um künstlerische Qualität, also um das, was man immer noch einfach »einen guten Film« nennt, geht es bei den Oscars noch viel weniger als etwa beim Deutschen Filmpreis oder bei den französischen Césars.
Darum wurden die beiden besten amerikanischen Filme des letzten pandemie-geschädigten Jahres, David Finchers Mank und Christopher Nolans Tenet nur in Nebenkategorien prämiert.
Die beiden echten Überraschungen waren daher die ganz am Schluss vergebenen Preise für die besten Darsteller. Sie gingen nicht an die favorisierte Millennial-Jugend, sondern an Frances McDormand und Anthony Hopkins, also an eine mit 63 Jahren einigermaßen alte weiße Frau und einen richtig alten weißen Mann.
Was lernen wir also aus der Oscar-Verleihung? Ganz so so schnell verändert sich gar nichts in Hollywood. In Zeiten der Pandemie setzt auch das Kino auf Sicherheit.