Geheimnisse des Lebens |
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Ein italienisches Essen: La dea Fortuna | ||
(Foto: Ferzan Özpetek) |
Von Elke Eckert
Ferzan Özpetek, der Italiener mit türkischen Wurzeln, kam 1978 mit knapp 20 Jahren aus Istanbul nach Rom, wo er zunächst studierte und als Journalist arbeitete. Nach Stationen am Theater und als Regieassistent beim Fernsehen inszenierte er ab Ende der 1990er-Jahre seine eigenen Kinofilme. Viele von ihnen liefen auf den großen internationalen Festivals und variieren die Themen Freundschaft, Familie und Liebe. Vor allem die gleichgeschlechtliche Liebe spielt bei Özpetek immer wieder eine Rolle. Özpeteks Filme schauen hinter die Fassaden bürgerlicher Lebensentwürfe, sind voller Geheimnisse und geprägt von einer großen Menschlichkeit.
Im Filmmuseum München zu sehen ist jetzt eine Filmreihe mit sechs Werken des »Italieners aus Istanbul«, so der Nebentitel der Reihe, die der in München ansässige italienische Kulturverein Circolo Cento Fiori organisiert hat.
Zu Beginn der Reihe führt die Italianistin Ilaria Furno in das Leben und Werk von Ferzan Özpetek ein, bevor es in La finestra di fronte (Das Fenster gegenüber) um eine Dreiecksbeziehung geht, die durch eine vierte Person wesentlich beeinflusst wird. Da sind Giovanna und ihr Mann Filippo,
deren anstrengender Alltag ihre Ehe immer mehr belastet. Dass Filippo ohne festen Job ist und Giovanna den Familienunterhalt verdienen muss, macht alles nicht einfacher. Einzige Ablenkung in der Misere sind für Giovanna die Augenblicke, in denen sie vom Küchenfenster aus ihren Nachbarn Lorenzo beobachtet und Blickkontakt mit ihm aufnimmt. Auf ihn projiziert sie ihre Träume und Sehnsüchte, bis sie ihm über den alten und verwirrten Simone tatsächlich näherkommt…
Özpetek
verknüpft souverän und empfindsam Liebes- und Lebensgeschichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Das Melodram von 2003 wurde in vier Kategorien mit dem italienischen Filmpreis »David di Donatello« ausgezeichnet: als bester Film, für die beste Hauptdarstellerin und den besten Hauptdarsteller und für die beste Musik. (Eröffnung am Di 8.11. 19:00)
Weiter geht es mit Un giorno perfetto (Ein perfekter Tag), eine Romanadaption. Auch in diesem Drama von 2008 kreuzen sich verschiedene Lebenswege scheinbar zufällig. Das Paar, das hier im Mittelpunkt steht, lebt seit einiger Zeit getrennt, aber Antonio möchte seine Frau Emma unbedingt zurückgewinnen und
kämpft auch verzweifelt darum, den Kontakt zu seinen Kindern nicht zu verlieren. Die sind indes mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Doch je mehr ihm seine Familie zu entgleiten droht, umso aggressiver agiert Antonio…
Mit seiner Literaturverfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Melania Gaia Mazzucco gelingt es Ferzan Özpetek, eine zunehmend bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, indem er alltägliche Situationen so in Szene setzt, dass die Katastrophe immer
unausweichlicher erscheint. Dabei kann er sich auf ein exzellentes Schauspielerensemble verlassen, in dem nicht nur die Hauptdarsteller Valerio Mastandrea und Isabella Ferrari überzeugen. (Mi 9.11. 19:00)
In Mine vaganti (Männer al dente) beschließen zwei Brüder unabhängig voneinander, ihrer konservativen Familie reinen Wein einzuschenken, weil sie ihre Homosexualität endlich offen leben wollen. Tommaso, der jüngere, will seinem Vater außerdem eröffnen, dass er nicht dessen Pasta-Fabrik übernehmen wird,
sondern Schriftsteller werden möchte. Doch als ihm sein älterer Bruder Antonio mit seinem Outing zuvorkommt und der Vater einen Herzinfarkt erleidet, macht Tommaso einen Rückzieher. Da taucht plötzlich sein Partner Marco auf dem Familienanwesen auf und hat auch noch ein paar schwule Freunde im Schlepptau. Tommasos Geheimnis droht aufzufliegen…
Die schwarze Komödie von 2010, zu der Ferzan Özpetek auch das Drehbuch geschrieben hat, ist perfekt besetzt. Das zeigen auch die
vielen Auszeichnungen, die der Film erhalten hat, unter anderem war er dreizehnmal für den »David Di Donatello« nominiert. Gewonnen haben ihn Ennio Fantastichini für seine Nebenrolle als Familienpatriarch und Ilaria Occhini für ihre Darstellung der unkonventionellen Großmutter. (Di 15.11. 19:00)
Auch der homosexuelle Pietro will endlich Nägel mit Köpfen machen und trotz seiner Schüchternheit Schauspieler werden. Deshalb verlässt er seine sizilianische Heimat und zieht nach Rom. Seine neue Wohnung ist groß, aber ziemlich marode. Außerdem scheint Pietro nicht der einzige Mieter zu sein, die leeren Zimmer sind voll von seltsamen Geräuschen, Gegenstände bewegen sich wie von Geisterhand. Pietro lässt sich auf die mysteriösen Wesen ein, die mit ihm unter einem Dach wohnen
und die auch nur er sehen kann…
Magnifica presenza (Wunderbare Präsenz) von 2012 ist eine surreale Geschichte, in der Ferzan Özpetek geschickt Realität und Fiktion vermischt. Beim Globo d’oro, dem italienischen Golden Globe, wurde er dafür als bester Regisseur ausgezeichnet, Pietro-Darsteller Elio Germano als bester Schauspieler. Wie Germano den einsamen Außenseiter spielt, der immer mehr in eine Fantasiewelt abtaucht, ist
auch wirklich grandios. (Mi 16.11. 19:00)
In Napoli velata (Das Geheimnis von Neapel) ist ebenfalls vieles nicht so, wie es zu sein scheint. Pathologin Adriana lernt auf einem Fest ihrer Tante einen attraktiven jungen Mann kennen und verbringt die Nacht mit ihm. Als er am nächsten Tag nicht zu einer Verabredung erscheint, kurz darauf jedoch tot auf ihrem Untersuchungstisch liegt, will Adriana herausfinden, was geschehen ist. Aber alle Menschen und Orte, die sie dafür aufsucht, lassen Neapel und ihre erotische Begegnung noch mysteriöser aussehen… Das Drama von 2017 ist ein emotionales Verwirrspiel, das mehr Fragen aufwirft als es beantwortet. Auch das Genre entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung. Özpeteks gelungene Mischung aus Mystery-Thriller und Film Noir wollten in Italien über eine Million Kinobesucher sehen. Giovanna Mezzogiorno wurde 2018 beim Filmfestival in Moskau als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet, den »David di Donatello« gab es für die beste Kamera und die beste Ausstattung. (Di 22.11. 19:00)
Ferzan Özpeteks bisher letzter Spielfilm ist gleichzeitig der letzte Film der Reihe. La dea Fortuna (Die Göttin Fortuna) erzählt von einer Liebesbeziehung, die in die Jahre gekommen ist und durch schicksalhafte beziehungsweise göttliche Fügungen wiederbelebt wird. Installateur Alessandro und
Übersetzer Arturo leben nach 15 Jahren mehr nebeneinander als miteinander, beide gehen fremd. Als eine Freundin von Alessandro ihre Kinder bei ihnen einquartiert, weil sie ins Krankenhaus muss, müssen sich die beiden zwangsläufig wieder mehr in Gemeinsamkeit üben. Und auf die Ersatzeltern warten noch weitere Überraschungen…
Bei der Tragikomödie von 2019 stand abermals Gian Filippo Corticelli hinter der Kamera, der bereits für seine Arbeit bei Napoli velata ausgezeichnet wurde. Auch für Pasquale Catalano war es nicht die erste Zusammenarbeit mit Özpetek, seit Mine vaganti hat er für alle seine Filme die Musik komponiert. Und das mit Erfolg: Der Soundtrack von La dea
Fortuna ist preisgekrönt. (Mi 23.11. 19:00)
Ferzan Özpetek – Ein Italiener aus Istanbul
Eine Veranstaltung von Circolo Cento Fiori und Filmstadt München e.V.
8.11.–23.11.2022, Filmmuseum München
Eintritt: 4 Euro