Filmkunstwochen forever! |
||
Trouble in Paradise | ||
(Foto: BFI | Ernst Lubitsch) |
Von Dunja Bialas
Sommerfrische heißt in München: Kinosommer bei den Filmkunstwochen. Bereits zum 71. Mal machen die Arthouse-Kinos ein eigenes Programm abseits des regulären Verleihangebots. Was anno 1953 begann, als Idee von Kino-Pionier Friz Falter (Türkendolch), um der Sommerflaute gehörig Wind in die Segeln zu blasen und außerdem dem immer seichter werdenden Kinoprogramm mit einem anspruchsvollen Repertoire-Programm auf die Sprünge zu helfen, gehorcht im Jahr 2023 natürlich veränderten Motivlagen. Fast hat man den Eindruck, sieht man sich das Programm in diesem Jahr durch, dass die Filmkunstwochen es vor allem ermöglichen wollen, Versäumtes, Verpasstes, noch nie Gesehenes auf der Kinoleinwand nachzuholen.
Zum Beispiel sind da die Retros zu Christopher Nolan (Rio) und Wes Anderson (Monopol und Arena) und die Reihe »Female Directors« mit einem Werk von Greta Gerwig im Maxim, die gerade mit Barbie für Furore sorgt. Gerade Nolans Werke, schon lange auf Netflix verfügbar, geraten erst auf der Kinoleinwand zu echten Mind-Fuck-Erlebnissen, in denen die Zeit- und Erzählstruktur eine vierte Dimension annimmt. Ähnliches gilt natürlich für die Detailverliebtheit des Wes Anderson. Aber auch und gerade ruhigere Filme brauchen ebenfalls die ungestörte Konzentration im Kinosaal. Die Kraft der Ruhe ist dieses Jahr bei der Reihe »Stille Filme gründen tief« im Kino Solln zu erleben, das zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Teil der Filmkunstwochen ist. Wobei doch hier alles angefangen hatte, unter dem Namen Studio Solln, am alten Standort wenige Meter weiter, war das Lichtspieltheater eines der ersten Filmkunstwochenkinos überhaupt.
Damals führte das Kino noch die Familie Wilhelm. Deren Sprössling Thomas ist heute Betreiber des Rottmann-Kinos in der Maxvorstadt und des Rex in Laim, die beide mit unterschiedlichen Programmen ihr unterschiedliches Publikum ansprechen. Mitarbeiterin Susi Schmidt zeigt im Rottmann eine Auswahl an Dokumentarfilmen und Programme der Filmstadt München (Griechische Filmwoche, Türkische Filmtage, Circolo Cento Fiori). Cinema Iran, ebenfalls bei der Filmstadt, wiederum ist im Maxim vertreten. Das beliebte Bollerwagenkino (ebenfalls Filmstadt München) führt dieses Jahr nach Thalkirchen.
Tiefer in die Filmgeschichte hinein geht es bei der Reihe »Deutsche Komödien« im Isabella und bei »Ernst Lubitsch« im ABC von Kinobetreiber Thomas Kuchenreuther. Dieser war in der Vergangenheit außerdem als Verleiher von Godards Pierrot le fou tätig (die Restaurierung von Le mépris ist ein willkommener Anlass, noch mal seine frühen Filme zu zeigen). Und er hat produziert: zwei Filme von Herbert Achternbusch (Ab nach Tibet!, Hades) und Malina von Werner Schroeter. Thomas Kuchenreuther stellt letzteren bei einem Besuch im Theatiner vor, wo der Film im französischen Original mit Untertiteln zu sehen ist.
Das Theatiner erinnert an den dieses Jahr im Januar verstorbenen spanischen Regisseur Carlos Saura, der vielen nur von Carmen bekannt ist. Man kann sich hier auf den metaphernstarken Züchte Raben aus den Siebzigern freuen und auf Die Jagd, der 1966 mit dem Silbernen Bär ausgezeichnet wurde. Eine besondere Begegnung bieten die Filme des Münchner und Regisseurs Veith von Fürstenberg, den man auch als Drehbuchautor von Wim Wenders Alice in den Städten kennt. Er kommt persönlich ins Theatiner-Kino.
Kuchenreuther wusste auch von der Freundschaft von Ernst Lubitsch mit dem impressionistischen Maler Lovis Corinth. Dieser gilt als »Walchensee-Maler«. Anlass genug, dieses Jahr zum ersten Mal einen Ausflug mit den Kinobetreibern zu machen. Unter dem Motto »Walchensee forever!« nach dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Janna Ji Wonders (zu sehen im Rottmann) geht es am 12.08. zu dem tiefsten und größten Alpensee. Daselbst steht ein Besuch des Walchensee-Museums mit Radierungen zu Lubitsch an, ein Rundgang auf dem Lovis-Corinth-Weg und eine Einkehr im Strandcafé Bucherer, dem berühmten Café von Jannas Uroma.