Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor 2023
Das Geschäft mit dem Kino |
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Denkmalgeschützt: Das Filmtheater Sendlinger Tor | ||
(Foto: Filmtheater Sendlinger Tor) |
Von Dunja Bialas
Ist es jetzt soweit? Pünktlich zum Ende der Filmkunstwochen flattert die Hiobsbotschaft ins Haus: Das Landgericht München I hat in einer beispiellosen Fehde zwischen einer Eigentümergemeinschaft und dem traditionsreichen Filmtheater Sendlinger Tor entschieden und der Klage stattgegeben, das 1913 erbaute Kino in der Innenstadtlage zu räumen.
Laut Kinobetreiber Fritz Preßmar geht es um eine Pachtforderung von »jährlich 240.000 Euro«. Das ist ein Vielfaches der bisherigen Regelung. Seit 70 Jahren, so lange wird das Kino von der Familie Preßmar betrieben, gibt es eine Mindestgarantie mit Umsatzbeteiligung am Kino. Zuletzt lag die Mindestgarantie bei 5000 Euro monatlich. Macht aufs Jahr gerechnet ein Viertel der geforderten Summe. Das Landgericht München urteilte, dass die Pacht marktunüblich niedrig sei. Das Gericht kam zur Überzeugung, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bei einer Neuverpachtung der Räume als Kino »deutlich höhere« Pachterträge hätten erzielt werden können, genauer gesagt: »32,2 Prozent«.
Bei meinem Besuch im Büro von Fritz Preßmar vor zehn Jahren hatte er mir seine Kladde mit den Abrechnungen der Nachkriegszeit gezeigt, fein säuberlich waren da handschriftlich die täglichen Besucherzahlen aufgereiht. Das Kino mit dem vornehmen Saal, der mit seiner operesken Opulenz, mit großzügigem Foyer, Balkon und Samtvorhängen auch dazu diente, die gezeigten Werke aus dem Ruch des Schmuddelhaften zu befreien, brummte zu Beginn der Fünfzigerjahre. Mit dem Pachtvertrag, der seit 1956 besteht, hätten sich die Eigentümer eine goldene Nase am Kino mitverdient, sagte mir Fritz Preßmar. Als Indiz dafür kann herhalten, dass die treibende Kraft der Räumungsklage, die Geschäftsführerin der Vermögensverwaltung WIFA, Frau Winkelmann, auch als Gesellschafterin der Filmtheater Sendlinger Tor GmbH zeichnete. Zumindest noch 2019, als die Räumungsklage angestrengt wurde, war sie also Geschäftspartnerin der Preßmars und hat mit der Kündigung letztlich gegen ihre eigenen, in der GmbH verankerten Interessen gehandelt.
Fritz Preßmar hat jetzt nach eigenen Aussagen die Bereitschaft signalisiert, die Hälfte der geforderten Pacht, also 120.000 Euro jährlich, zu zahlen. Dem Anschein nach aber ist nicht nur das Geschäfts-, sondern auch das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen den Kinobetreibern und den ehemaligen Partnern, bei der nun eine jüngere Generation nachrückt, zerrüttet.
Mit der Räumung ist aber nicht ausgeschlossen, dass in den denkmalgeschützten Saal wieder ein Kino einzieht, selbst einen vorübergehenden Leerstand könne man laut Gericht in Betracht ziehen. Da es sich bei dem Kino um ein »Unikat« handelt, wie das Landgericht richtig feststellt, sei die Gefahr eines längerfristigen Leerstands, wie etwa bei dem kurz vor der Pandemie geschlossenen Gabriel-Kino, ausgeschlossen. Einen Hinweis, der sich wie eine Handlungsanweisung liest, lässt das Gericht dann auch noch durchblicken: Der Verpächtergemeinschaft bleibe es »unbenommen, lediglich den Betreiber des Kinos zu wechseln«.
Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass sich Kinobetreiber Christian Pfeil in der Münchner »Abendzeitung« zu den Umsatzmöglichkeiten am Standort äußert. »Man könnte in dieser Premiumlage sanft die Preise erhöhen«, empfiehlt der Betreiber von vier Münchner Lichtspieltheatern (Monopol, Arena, Rio, Maxim). Er rät dazu, das Kino in einen Verbund mit anderen Häusern zu bringen, da die finanziellen Risiken mit der denkmalgeschützten Leinwand sehr hoch seien. »Wenn man nur eine Leinwand hat und der Film schwächelt, den man gerade zeigt, ist man verratzt.« Zumindest die »Abendzeitung« suggeriert, dass es ja mit dem Arena im Glockenbachviertel doch recht naheliegend sein, dass Pfeil diesen Verbund schaffen sollte. Sie schreibt: »So hätte man mit dem Sendlinger Tor ein absolutes Prestigekino und – zum Beispiel im nahen Arena Kino – zwei Nachspielleinwände.« Dazu ist anzumerken, dass sich das Arena Kino durch ein völlig anderes Segment als das Filmtheater Sendlinger Tor auszeichnet und selbst Premierenkino ist. So einfach ist die Sache also wohl nicht. Zumindest hat Christian Pfeil, so sagt er gegenüber »artechock«, sich in dieser Weise nicht geäußert. Es seien aber Konstellationen denkbar. Die Familie Preßmar aber ist jetzt erst einmal ihr Lebenswerk los. Fortsetzung folgt…
Zur Beschlusssache siehe Landgericht München, Az. 34 O 7322/20.