Wenn Liebe zum Kino politisch ist |
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Mit der parabelhaften Kraft des einfachen Erzählens früher Kiarostami-Filme: Winners | ||
(Foto: Cinema Iran 2024) |
In Vorpremiere am Mittwoch im Maxim zu sehen war Ein kleines Stück vom Kuchen von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. Der Film aus dem Wettbewerb der diesjährigen Berlinale wurde mit dem internationalen Kritikerpreis der FIPRESCI ausgezeichnet. Das Regieduo durfte nicht aus dem Iran ausreisen, um sich in Berlin zu präsentieren, und sieht sich für seinen klandestin gedrehten Film weiterhin massiven Repressalien ausgesetzt.
Der Düsterkeit ihres meisterhaften Ballade von der weißen Kuh setzen die beiden hier in Ein kleines Stück vom Kuchen einen für iranische Verhältnisse ungewöhnlich heiteren und komödiantischen Film entgegen, eine Art Rom-Com um die verwitwete 70-Jährige Mahin (gespielt von der großartigen Lily Farhadpour).
Die schon lange an Einsamkeit leidende Protagonistin lässt sich bei einem Kränzchen mit ihren alten Freundinnen dazu ermuntern, es doch auch wieder mal mit einem Mann zu probieren… Und tatsächlich ist es dann für iranische Verhältnisse in mehrfachem Sinne unerhört, wie Mahin sich aufmacht, in einem Restaurant für Pensionisten einen rüstigen Rentner aufzugabeln, ihn zu sich nach Hause einzuladen und dort zu bewirten. Und in einer wundersam-verzauberten Nacht alte Freiheiten aufleben zu lassen. Die Unbeschwertheit, die dabei beschworen wird, bleibt immer eine prekäre. Die neugierigen Nachbarn könnten einen ja denunzieren. Die zärtliche Freiheit, die den Figuren hier für eine Nacht gewährt wird, beschwört ein Gegenbild herauf, das die Verbote und Bedrohungen durch Moral- und Sittenpolizei im Iran fast vergessen macht, jedoch keineswegs ganz ausblenden kann und will.
Von den Beschränkungen individueller Freiheit durch die staatlichen Instanzen der islamischen Republik handelt auch Tatami von dem Israeli Guy Nattiv und der Iranerin Zar Amir Ebrahimi.
In diesem Film mit der Power eines Polit-und Sport-Thrillers geht es um die iranische Judokämpferin Leila, die mit großen Hoffnungen an der Judo-WM in Tiflis teilnimmt: nach den ersten gewonnenen Kämpfen bestätigt sich, dass sie in überragender Form ist und so auch Chancen auf den Weltmeister-Titel hat. Ehe sie feststellen muss, dass sie es nicht nur mit den Gegnerinnen auf der Matte aufnehmen muss, sondern auch mit den Sport-Funktionären des iranischen Verbandes und ihrer Trainerin. Da die Möglichkeit besteht, im Viertel- oder Halbfinale auf eine israelische Sportlerin zu treffen, fordern Trainerin und Verband sie auf, eine Verletzung vorzutäuschen und sich vom Wettbewerb zurückzuziehen. Der Iran erkennt Israel nicht als Staat an und untersagt seinen Sportler*innen, gegen Israelis anzutreten, auch auf Kosten der Chance auf einen eventuellen Sieg. Leila ringt mit sich, mit ihrer Trainerin, die sich beugen möchte, ringt auch mit der Angst um ihre Angehörigen im Iran, denen Repressalien drohen, sollte sie nicht gehorchen. Das alles treibt der Film mit seinem eleganten Schwarz-Weiß in druckvoller und intensiver Spannung auf einen schier unerträglichen Kulminationspunkt zu.
Bei der Regie des Films arbeiten der Israeli Guy Nattiv und die Iranerin Zar Amir Ebrahimi (als Schauspielerin bekannt aus Holy Spider und hier in Tatami in der Rolle der Trainerin) zusammen und setzen so ein nachdrückliches Zeichen der Versöhnung. (Sonntag, 14. Juli, 19 Uhr, Gasteig HP8 / Projektor)
Die parabelhafte Kraft des einfachen Erzählens früher Kiarostami-Filme wie Wo ist das Haus meines Freundes? nimmt Hassan Nazer in dem in Deutschland-Premiere gezeigten Winners auf. Die zwei Kinder Yahya und Layla finden die Oscar-Statue, die einem iranischen Regisseur abhandengekommen ist, und setzen alles daran, sie ihm wieder zurückzuerstatten. (Zur Eröffnung von Cinema Iran am Donnerstag, 11. Juli, 19 Uhr, Gasteig HP8, in Anwesenheit des Regisseurs Hassan Nazer)
Doch neben diesen klassischen Erzählfilmen von unterschiedlicher Tonalität sind auch offene und spielerische Formen des Kinos zwischen Experiment und Essay, zwischen Performance und Dokumentation zu entdecken.
Auch hier geht es immer wieder um Risiken, in die mit Kino und Film Befasste durch politische Umstände geraten. In Celluloid Underground begibt sich der in England im Exil lebende Filmemacher und Filmhistoriker Ehsan Koshbakht auf die Spuren seines Freundes Ahmad Jorghanian, des »iranischen Henri Langlois«, wie es im Film heißt. Als Filmsammler und Filmclub-Begründer geriet dieser sowohl in Zeiten des Schahs als auch während der islamischen Republik immer wieder in Konflikt mit dem Staat, der Kino als subversive Kraft einzuhegen versucht: eine materialintensive Dokumentation über Cinephilie im Iran. (Freitag, 12. Juli, 18 Uhr, Gasteig HP8 / Projektor)
Careless Crime (2022) von Shahram Mokri verbindet in experimenteller Verschränkung mehrere Erzählebenen, die von einem verheerenden Brandanschlag auf ein Kino im Jahr 1978 in der südiranischen Stadt Abadan ausgeht. Shahram Mokri transponiert das Geschehen aus der Zeit der iranischen Revolution in die Gegenwart Teherans und versucht so zu ergründen, in welcher Weise Geschichte sich wiederholt: eine spannende Reflexion auf Kinos als konkrete Schauplätze historisch-politischer Ereignisse. (Freitag, 12. Juli, 20:30 Uhr, Gasteig HP8 / Projektor)
Das direkte Aufeinanderprallen von künstlerischer Arbeit und politischer Aktion verarbeit der aus Teheran stammende Berliner Filmemacher Ayat Najafi in The Sun Will Rise. Während der durch den Tod von Mahsa Jina Amini ausgelösten Proteste im Herbst 2022 hält er sich in Teheran auf, um Theaterproben zu »Lysistrata« von Aristophanes mit der Kamera zu begleiten. Die Parallelen zwischen dem Stück, in dem Frauen in einen Sex-Streik treten, um die Männer vom Krieg abzubringen, und den Solidarisierungen der Frauen auf der Straße unter dem Slogan von »Frau – Leben – Freiheit« führen in eine experimentelle filmisch-theatrale Collage, die grundsätzliche Fragen des künstlerisch-politischen Engagements in direkter Begegnung zwischen Schauspieler*innen und Demonstrant*innen aushandelt. (Samstag, 13. Juli, 18 Uhr, Gasteig HP8 / Projektor, in Anwesenheit des Regisseurs)
Auch Narges Kalhor arbeitet in Shahid mit Elementen des Performativen und Theatralen. Die in München lebende Exil-Iranerin setzt sich in ihrem autofiktionalen Spiel mit einer Stellvertreterin (Baharak Abdolifard) selbst ins Bild. Sie schildert die Versuche, den Namensbestandteil »Shahid« (was soviel wie Märtyrer bedeutet) aus ihren Papieren entfernen zu lassen. Die dafür notwendigen Gänge zum Kreisverwaltungsreferat münden in einen prozessionshaften Marsch durch die Institutionen, bei dem sie von einem Reigen derwischhaft anmutender Wiedergänger ihres Urgroßvaters begleitet wird, der für den angeblich ruhmvollen Teil ihres Namens verantwortlich sein soll. Der Film greift in performativ-ritualhaften Abläufen Situationen bei den Behörden auf und führt sie in spielerische Konstellationen jenseits von Theater und Film über. Auch das Making-of des Films selbst wird Thema, ohne dass die Mittel des Aus-der-Rolle-Fallens bemüht oder abgegriffen wirkten. Das Ganze ist vielmehr von unermüdlicher Energie, sprühendem Witz und überbordenden szenischen Einfällen vorangetrieben. Narges Kalhor gelingt es, eine poetisch-existentielle Ortsbestimmung der Exilerfahrung vorzunehmen. (Sonntag, 14. Juli, 16:30 Uhr, Gasteig HP8 / Projektor, in Anwesenheit der Regisseurin)